Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1950-2003 - Entwicklung und Bewährung

 

 


1995/96 - 644 Schüler

Unter der redaktionellen Leitung von Oberstudienrat Gerd Rößler wurde ein „Elternbrief“ geschaffen. Mehrmals im Laufe des Schuljahres wurden die Schülereltern von wichtigen Vorgängen und Entscheidungen in der Schule informiert. Im September 1995 erschien die Nummer 1, neue Lehrkräfte wurden vorgestellt, die Aktion „Schüler helfen Schü­lern“ wurde ausgebaut. Darüber informierte der „El­ternbrief“ Nr. 2 im Oktober des Jah­res. Neben der Nachhilfe in Gruppen konnte jetzt auch Einzelunterricht angeboten wer­den. Die Kosten dafür lagen bei 9.- bzw. 15.- DM je Stunde. Eltern und Schüler nahmen die Hilfeange­bote dankbar an.

Strukturelle Verände­run­gen am Werden­fels-Gymnasium wurden im  „Elternbrief“  NrEiner der ersten Elternbriefe des WG - 1996. 3 im März 1996 für das kommende Schuljahr angekündigt. Ausgangspunkt waren die seit Jahren rückläufigen Anmeldungen für den sprachlichen Zweig des Werdenfels-Gym­nasiums. Im Schuljahr 1985/86 gab es in der Klasse s5 noch 23 Lateiner, 1989/90 wa­ren es 18 und 1995/96 nur noch 5 und damit war nicht mehr daran zu denken, eine lateinische Eingangsklasse zu bilden. „Am St. Irmengard-Gymnasium gab es eine solche übrigens noch nie.“[14]

Auf der Suche nach Ursachen waren sich Schulleitung und Elternbeirat bald darin ei­nig, dass die Kinder bei der Wahl von Latein als erster Fremdsprache beim Wechsel in einen anderen Ausbil­dungszweig oder in eine andere Schul­gattung mehr Prob­leme haben könnten als bei einem Ein­stieg mit Englisch. Die Lösung lag also nahe: Die Schulleitung beantragte beim Kultusministerium eine Än­derung der Sprachen­folge im neusprach­lichen Zweig. Die Genehmigung dazu wurde nach mehrjährigen Bemühungen zum Be­ginn des Schuljahres 1996/97 erteilt. Dann sollten alle Schüle­rinnen und Schüler ihre gymnasiale Lauf­bahn mit Eng­lisch beginnen. Die Folge: Die endgültige Entscheidung über die Wahl des mathema­tisch-naturwissen­schaftlichen oder des neusprachlichen Ausbildungszweiges ließ sich nun in die Mitte der 8. Jahrgangsstufe verschie­ben.

Am Ende des Schuljahres 1994/95 waren die Schulleitung und der Landkreis als Sach­aufwandsträger davon ausgegangen, dass mit dem Bau einer großzügigen Sporthalle, mit der Einrichtung einer vorbildlichen Bibliothek und mit der Sanie­rung des alten Ge­bäudeteils die Renovierung des Werdenfels-Gymnasiums als geglückt und als abge­schlossen gelten konnte. Da platzte am Beginn des neuen Schuljahres eine Hiobsbot­schaft in die Schule und in die Amtszimmer des Land­ratsamtes: Eine Expertenkommis­sion hatte herausgefunden, dass die Decke der Aula gravierende Brandschutzmängel aufwies. Sie konnte im Brandfall „bin­nen Minuten herunterkra­chen“[15], wie es Kreisbrand­rat Matthias Staltmair aus­drückte. Außerdem fehlte hinter der Bühne, dort, wo früher die Metzgerei Neuner ihr Angebot ausbreitete, eine Brandschutzmauer. Die Aula musste sofort ge­schlossen werden – schon die Jahres­abschlussfeier des vorausgehenden Schuljahres hatte mit Hilfe der Marktgemeinde im Kongresszentrum stattgefun­den. Die Finanzierung der notwendigen Maßnahmen wurde zum Problem. Da die Aula nicht zum staatlich anerkannten Raumprogramm einer Schule zählte, konnte der Landkreis auch keine Zuschüsse von Seiten des Staates erwarten. Damit konnte er zunächst auch keine verbindliche Zusage für die Renovierung der Aula und für einen Zeitrahmen geben. Das war für das Werdenfels-Gymna­sium ein schwerer Schlag, denn Konzerte, Theaterauf­führungen und Abitur­feiern in der Aula hatten jahrzehntelang das Gesicht der Schule nach außen geprägt.

Da war es kein wirklicher Trost, dass das Gymna­sium sein Gesicht nun auch auf an­dere Weise zeigen konnte. Der Computerraum wurde, unterstützt von der Kreissparkasse Garmisch-Partenkirchen, mit 16 Schülerar­beitsplätzen unter dem Betriebssystem Win­dows 95 unLandrat Dr. Helmut Fischer und Oberstudienrat Richard Reindld mit einem ISDN-Anschluss ausgestattet. Damit war es für alle Schülerin­nen und Schüler möglich geworden, vom www-Informations­an­gebot des Internets Gebrauch zu machen, eigene E-Mail-Ad­ressen einzurichten und die schönen Sei­ten des Werdenfels-Gymnasiums auf einer Home­page herzuzeigen. Einziges Problem – man musste irgendwie dafür sorgen, „dass die Telefonkosten nicht davonlaufen“. Denn die Anwahl kosten­pflichti­ger Dienste konnte in kurzer Zeit „zu wahrhaft atemberaubenden Rech­nungen“ führen.[16] Diese „Welt der Zukunft“ – sie trug geheimnisvolle Bezeichnun­gen wie BASIC und PASCAL, MAPLE V4 und LaTex, WORD 7.0 und EXCEL 7.0 – konnte in einem wach­senden Angebot an Infor­matikkursen von immer mehr Schülern er­schlossen, verstanden und in einer wach­senden Zahl von Unter­richAndreas Hirsch (3.v.r.) mit seinem Computerteamtsfächern und –stun­den nutzbar gemacht werden.

Die Lehrer der Fachschaften Geschichte, Erdkunde und Sozialkunde machten bei einer Studienfahrt ins Oberinntal nach Kloster Stams zur Tiroler Landesaus­stellung unter dem Titel „Eines Fürsten Traum“ die gute Erfahrung, dass man nicht immer weltweit auf Suche gehen muss, um etwas Wertvolles zu erfahren oder zu erleben, sondern dass auch die Nähe Denkwürdiges und Staunenswer­tes anzubieten hat. Gefangen von der Aura eines prächtigen Barockklosters konnte auf diese Weise so­gar das leicht spröde Thema vom „Aufbau des moder­nen Verwaltungsstaates am Beispiel des Landes Tirol“ als sehr reizvoll erlebt werden.

Über die bayerisch-tirolerischen Grenzen hinaus ging der Schüleraustausch mit dem Gymnasium Parovska in Nitra in der Slowakei. Auch im zweiten Jahr gab es wech­sel­seitige Besuche und Begegnungen. Die Veranstalter eines bunten Schulfests am Jah­resende – natürlich mit Herzblatt, bayerischem Dreikampf, Di­abolo und vielem mehr – stellten den beachtlichen Erlös einer Waisenschule im kriegsverwüsteten Bosnien zur Verfügung.

Jubeln konnten auch die Sportler – das „Werdenfels“ errang den Titel der sport­lichs­ten Schule des Landkreises GarmiSie haben für den Titel „Sportlichste Schule des Landkreises Garmisch-Partenkirchen“ ihren Teil beigetragen - 1994sch-Partenkirchen bei den weiterfüh­renden Schulen. „In Zahlen ausgedrückt hat das Werdenfels-Gymnasium mit seinen Sport­mannschaften elfmal den ersten Platz im Landkreis, viermal den ersten und einmal den zweiten Platz in Oberbayern, zweimal den ersten und zweimal den zweiten Rang in Bayern sowie den dritten Platz bei den Weltmeis­terschaften der Schulen im Skilauf errungen.“[17] Mit der Ver­leihung dieses Titels wurde auch das große Engagement der Sportlehrer des WG für ihre Schützlinge gewürdigt. Mit dieser Anerkennung im Rü­cken konnten die 50 Lehrerin­nen und Lehrer aller Fachrichtungen des Werdenfels-Gymnasiums überzeugend gegen die Pläne des Kultusministeriums protestieren, die Zahl der Unterrichtsstun­den im Sport zum Schuljahr 1989/90 zu halbieren. Nicht nur dass dann wohl die sechs Jahre zuvor mit viel Mühe und Steuergeldern er­richtete Dreifachturn­halle viel zu groß gewesen wäre, auch der „Ausgleich zu all dem Lernen und Schulbankdrücken“[18] würde dann feh­len. Die gesundheitlichen Folgen wä­ren erst Jahre später zu sehen, aber wohl nicht mehr zu reparieren.

Sieger gab es auch – zum wiederholten Male – für die WG-Teilnehmer am „Plan­spiel Börse“ der Kreissparkasse Garmisch-Partenkirchen. Leider taugten die Ge­winne der virtuellen „Börsianer“ nicht dazu, die finanziellen Mittel der Schule bzw. des Sachauf­wandsträgers Landkreis zu vermehren. So mussten die Schülereltern erst­mals für die zahlreichen Fotokopien, die im Unterricht einge­setzt wurden, ein „Pa­piergeld“ in Höhe von 12.- DM bezahlen.

UMWEG und MOTIV, die beiden Theatergruppen des WG, wagten sich mit dem Mu­si­cal „Anatevka“ an ein großes Projekt – und hatten damit auch großen Er­folg. Umjubelt wurden die Schauspieler, Sänger und Musiker schier endlos nach der Auf­führung im Festsaal Werdenfels, den das Kongresszentrum Garmisch-Partenkirchen zur Verfügung gestellt hatte – die Aula war ja fest verschlossen. Schulchor, Schulor­chester, die Schul­theatergruppen mit ihren Fachlehrern und die Fachschaft Kunst hatte es möglich ge­macht, das Publikum für drei Stunden in das „fröhliche, traurige Anatevka“ zu versetzen. Gerhard Bruner führte nicht nur Regie, sondern schlüpfte auch in die Rolle von Tevje. Mit ihm standen in den weiteren Rollen auf der Bühne: Carolin Kröner, Alexandra Göpfert, Kai Irina Hahn, Christina Kiesewetter, Judith Ber­net, Julian Grunst, Bastian Ziegler, Pat­rick Mark, Albert Hack und viele mehr. Das Bühnenbild wurde von Stu­dien­referendar Gerhard Amelang und Christian Sie­denburg (11a) gestaltet.

Glanzvoll gestaltete und entfaltete sich auch der Auftritt der WG-Big-Band in Ber­lin-Köpenick. Die 23 Gymnasiasten und ihr Band-Leader Christan Wolf wa­ren vom Kultur­amt Köpenick dazu eingeladen worden, das große Sommerfest des in wilhel­minischen Zeiten durch die „Köpenickiade“ des Schusters Wilhelm Voigt bekannt gewordenen Stadtteils der Bundeshauptstadt musikalisch zu um­rahmen. Die Glenn-Miller- und George-Gershwin-Melo­dien der „Werdenfelser“ kamen beim Berliner Pub­likum bestens an. Und der Auftritt endete standesgemäß in der „Bar zum Krokodil.“

Zwei Lehrer, die seit mehr als drei Jahrzehnten mit dem Werdenfels-Gymnasium fest verbunden warenStudiendirektor Rudolf Leutenbauer und sei­nen Charakter mit geprägt haben, nahmen im Laufe die­ses Schuljahres Abschied vom Schuldienst – der Physiker und Mathematiker Rudolf Leuten­bauer und der Sport- und Erdkundelehrer Wil­helm (Biwi) Rehm. Rudi Leutenbauer - oder „Leu“, wie er kurz und bündig von Kolle­gen und Schülern genannt wurde - hatte seit 1961 am WG unterrichtet und war viele Jahre lang der Hüter der Physikali­schen Samm­lung gewesen. Sein Meis­terwerk war die selbst hergestellte Gravi­tations­dreh­waage, mit der sich die Schwer­kraftkonstante exakt messen lässt. „Bei den Schülern war die Nach­richt, ihn als Lehrer zugeteilt zuStudiendirektor Wilhelm ("Bibi") Rehm bekommen, in der Regel mit banger Erwartung ver­bun­den, die aber meist nach kurzem Kennenlernen in anerkennenden Respekt umschlug.“[19]

Biwi Rehm kehrte 1967 wieder in seine Werdenfelser Hei­mat und an seine alte Schule zu­rück. Nicht nur mit seiner lebendigen Schulweisheit glänzte er. Im Skilager und bei vielen anderen Ge­legenheiten trat er mit Jodlern und Gitarre, mit Dudelsack und Okarina als einzigartiger Repräsentant der bayerischen Volksmu­sik auf. „Kollegen und Schüler schätzten den Biwi wegen seiner kaum zu erschütternden Ruhe, seiner steten Freund­lichkeit, sei­ner humorvollen Toleranz und seiner Hilfsbereitschaft.“[20] Als 2. Bür­germeister der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen stand er weiter aktiv im öf­fentlichen Leben.


[14] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 22.03.1996

[15] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 01.09.1995

[16] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 21.07.1996

[17] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 28.02.1996

[18] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 13.07.1996

[19] Jahresbericht 1995/96 S. 112

[20] ebd. S. 111

 


 

© Alois Schwarzmüller 2006