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Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1950-2003 - Entwicklung und Bewährung |
1994/95 - 655 Schüler - Dr. Peter Wabra, Dr. Claus Bachman Die Nachfolge des Schulleiters übernahm ab 1. September Studiendirektor Dr. Peter Wabra. Er war ein „alter Bekannter“. Geboren 1940 in Berlin, aufgewachsen in Prag und Tepl, kam er bei Kriegsende als Sechsjähriger nach Garmisch-Partenkirchen, besuchte die Volksschule Partenkirchen und erhielt 1962 am Werdenfels-Gymnasium, damals noch „Oberrealschule und humanistisches Gymnasium“, das Zeugnis der Reife. Es folgte das Studium an der Universität München in den Fächern Deutsch, Geschichte und Geografie. Die besondere Bindung an die „zweite Heimat“ zeigte sich sehr bald auch am Thema seiner Dissertation, in der er „Ausgewählte Probleme einer urbanisierten Fremdenverkehrsgemeinde“ am Beispiel von Garmisch-Partenkirchen untersuchte. Auch als Studienreferendar zog es ihn an „seine“ Schule, in der er schon als Schülersprecher gewirkt hatte. Seit 1971 hatte er als junger Studienrat am WG unterrichtet. Sieben Jahre später wurde er zum Schulleiter an das Staatlich anerkannte Privatgymnasium mit Internat „Schloss Stein“ in Stein an der Traun berufen. 17 Jahre Erfahrung als Schulleiter brachte er mit nach Garmisch-Partenkirchen, als er jetzt an die Spitze des Werdenfels-Gymnasiums berufen wurde. Wenige Tage zuvor, am 16. August war eine unscheinbare Annonce im Garmisch-Partenkirchner Tagblatt erschienen. Der Landkreis Garmisch-Partenkirchen suchte Bewerber für die Verpachtung der Pausenverkaufsstände in seinen Schulen. Der Hintergrund: Die Finanzbehörden hatten festgestellt, dass an Münchner Schulen nur ein Teil des Zusatzverdienstes versteuert worden war. Das Finanzamt Garmisch-Partenkirchen hatte deshalb dem Landkreis empfohlen, „im Vorgriff“ das bislang übliche Verfahren zu ändern.[1] Der Ärger war groß, die Hausmeister des Werdenfels-Gymnasium weigerten sich, an der Ausschreibung teilzunehmen. Zum 1. Oktober konnte für die Realschule, die Wirtschaftsschule und das Gymnasium eine gemeinsame Pächterin gefunden werden, die alle Schüler wieder mit einer Brotzeit versorgte. Mit der Umgestaltung des Brunnens vor dem Eingang im Südhof in einen von Solarstrom gespeisten und betriebenen Öko-Brunnen wurden die letzten Sanierungsmaßnahmen beendet. Seit 1988 war das alte Gebäude in einen wieder funktionellen schüler- und lehrerfreundlichen Schulbau umgewandelt worden, der auch allen strengen Wärmedämmungs- und Brandschutzauflagen entsprach. Der neue Schulleiter richtete als Pilotversuch im Februar ein „Sorgentelefon“ für schwächere Schüler im Werdenfels-Gymnasium ein. Nach dem Zwischenzeugnis erteilte er Ratschläge, tröstete und machte Mut. „Nörgeln und schimpfen hilft keinem weiter,“ sagte er – sich und seinen Schülern und ihren Eltern. Für ihn sei es Ehrensache, da zu sein, wenn die Gymnasiasten Kummer und Probleme in der Schule haben.[2] Außerdem wurde erstmals ein schulinternes Nachhilfesystem – „Schüler helfen Schülern“ - eingerichtet. Ziel war es, den Schülerinnen und Schülern zu günstigen Kosten und Zeiten direkt in der Schule in Kernfächern Nachhilfeunterricht anzubieten und mitzuhelfen, schulische Lücken zu schließen. Den Unterricht erteilten Schüler der Oberstufe, die von Lehrern beraten und unterstützt wurden. Als Koordinator und Ansprechpartner stellte sich Studienrat Dr. Michael Pach zur Verfügung. Das Angebot stieß auf große Resonanz – 120 Anmeldung in sieben Fächern zeigten, wie groß der Bedarf an guter Nachhilfe war. Auch die Drogenproblematik wurde nicht übergangen. Im Mai diskutierte auf Anregung des Elternbeirats und seiner Drogenbeauftragten Brigitte Grona eine Podiumsrunde zum Thema „Schüler und Drogen“. Am Tisch saßen Anne Fromm von der Garmisch-Partenkirchner Jugend- und Drogenberatungsstelle Con-drobs e.V., Dr. Volker Juds, der Leiter des Gesundheitsamtes Garmisch-Partenkirchen, Polizeihauptkommissar Anton Lober und Gernot Körner, Leiter des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen. Ergebnis: Vorbeugung und Beratung sind die beste Hilfe für gefährdete Schülerinnen und Schüler. Für alle Klassen der 7. Jahrgangsstufe wurde – durch Fachleute von Con-drobs e.V. - schon seit längerer Zeit im „Jugendcafé 13“ ein Programm zur Suchtvorbeugung am WG durchgeführt. „Der Weg des Werdenfels-Gymnasiums führt wohl in die richtige Richtung,“ betonte Dr. Volker Juds, der Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes.[3] Musikalische Glanzpunkte des Schuljahres waren das Weihnachtskonzert, auf das Thomas Näbauer und Christian Wolf Chor und Orchester vorbereitet hatten, und ein Auftritt der Big Band des Werdenfels-Gymnasiums auf der Zugspitze: Zum Abschluss des Skibetriebs auf Deutschlands höchstem Berg heizten 22 junge Musiker und Bandleader Christian Wolf den letzten Skifahrern kräftig ein. „Als auch noch die Combo ihre Jazzimprovisationen zum Besten gab, gipfelte die Stimmung in Tanz,“ wusste das Garmisch-Partenkirchner Tagblatt zu berichten[4]. Na also! Die Big Bands des Werdenfels-, Staffelsee- und Ettaler Gymnasiums traten in diesem Jahr auch erstmals gemeinsam auf – der Erfolg war in allen drei Schulen überwältigend. Eine Veranstaltung war geboren, die bis heute lebt. Für die kleinen Patienten der Kinderklinik Garmisch-Partenkirchen spielten, vereint im „St. Johns in the Mountains Chamber Orchestra“, 21 Schülerinnen und Schüler des WG in einem Benefizkonzert Werke von Vivaldi, Schütz, Corelli und Bach. Stellvertretend für alle anderen sollen hier erwähnt werden: Monika Schinko, Violine; Uschi Sontheim, Viola und Orgel; Monika Socher, Cello; Florian Feder, Kontrabass; Johannes Brose, Trompete; Bastian Ziegler, Gesang; Dirigent: Martin Netter. Fünfzig Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz sprach mit Isak Wasserstein ein Überlebender des Holocaust vor Schülern und Lehrern des Werdenfels-Gymnasiums. Isak Wasserstein, 1920 in Warschau geboren, wurde schon wenige Wochen nach dem deutschen Überfall auf Polen von der SS in das Ghetto von Warschau verschleppt. Damit begann sein Leidensweg durch mehrere Konzentrationslager, der erst am 28. April 1945 mit der Befreiung durch amerikanische Truppen in Schongau sein Ende fand. Von 1945 bis 1982 lebte Herr Wasserstein in Garmisch-Partenkirchen. Sein Sohn David legte 1967 am Werdenfels-Gymnasium das Abitur ab. Wassersteins Resumée: „Wenn ich an den Holocaust denke, ist das dominierende Gefühl immer noch das der Kränkung. Nicht Zorn oder Rachegefühle, auch kein Hass, sondern eine bittere untröstliche Kränkung, dass Menschen so etwas angetan wurde.“ Am Ende seines Vortrages und des Gesprächs bat er seine Zuhörer: „Machen Sie sich Gedanken. Fragen Sie sich: Was kann ich tun? Strecken Sie die Hand aus nach einem Juden. Geben Sie ihm die Ehre.“[5] Ganz in diesem Sinne der Überwindung von scheinbar unverrückbaren Vorurteilen wurde von Oberstudienrat Dr. Ludwig Rothmayr eine Begegnungsmöglichkeit mit Schülerinnen und Schülern aus der Slowakei geschaffen, die auch nach mehr als zehn Jahren noch immer fortdauert. Begegnungen mit Gymnasiasten aus der Stadt Nitra – 100000 Einwohner groß, 60 Kilometer von der Hauptstadt Bratislava entfernt – sind Begegnungen mit Jugendlichen eines Landes, „das kaum einer kennt, mit einem Land, wo Menschen in sehr bescheidenen Verhältnissen leben und trotzdem zufrieden sind.“[6] Schon der erste Austausch wurde ein Erfolg für beide Seiten. Die 32 jungen Leute aus Nitra erlebten ein gut durchdachtes und informatives Besuchsprogramm, nahmen am Unterricht teil, zeigten ihre vorzüglichen Deutschkenntnisse, waren aufgeschlossen und gesprächsbereit für alles Neue in Garmisch-Partenkirchen und Umgebung. „Völkerverständigung durch Gastfreundschaft“ hieß das Motto der Begegnung. Der Gegenbesuch in Nitra fand im Mai statt. 27 „Werdenfels“-Schüler – begleitet von Dr. Ludwig Rothmayr und Oberstudienrätin Helene Brunner – waren zu Gast in den Familien ihrer Austauschpartner und brachten den Wunsch zurück, „dass eine solch interessante und lohnende Fahrt noch oft wiederholt werden kann.“[7] Die Schulbühne zeigte im Januar unter dem Titel „Weihnachten – war da was?“ ein Sketch-Programm als kritische Weihnachtsnachlese, aufgeführt von vier Mitgliedern der Gruppe UMWEG aus der 6. bis 8. Klasse. Im Mai gab es von der selben Gruppe das Märchen-Musical „Besenbinders Gretel und der Königssohn“ mit Musik von Holger Jung (Abiturient 1994) und einem Bühnenbild von Christian Siedenburg (10a). Der Unterstufenchor und eine Instrumentalgruppe verstärkten das Team der Schauspieler mit Sereina Lingg und Michael Wackerle in den Hauptrollen. Gerty Roscher, Christian Wolf, Thomas Näbauer und Gerhard Bruner unterstützten fächerübergreifend in Tanz, Musik und Regie. Der Kritiker fasste zusammen: „Alles in allem war „Besenbinders Gretel und der Königssohn“ ein Beweis für die viel versprechende Theaterszene am Werdenfels-Gymnasiums. Die Beleuchtungsmöglichkeiten der Werdenfels-Aula sind aber, wie auch dieses Stück gezeigt hat, völlig unzureichend. Hier ist dringend Initiative von Direktorat, Landratsamt und privaten Spendern gefordert.“[8] Georg Büttel, Kritiker und Theaterfachmann, der ebenfalls aus dem Werdenfels-Gymnasiums kam, wusste wohl, wovon der schrieb, nicht aber davon, dass der Aula schon bald das Aus als Veranstaltungssaal drohen sollte. Aber zuvor gab es noch „Mord an Bord“ mit Agatha Christies Krimi „Tod auf dem Nil“. Die Gruppe MOTIV war hier am Werk mit Juliane Grunst und Kai Irina Hahn, Florian Eberhorn und Albert Hack. Die Skifahrer des Werdenfels-Gymnasiums verteidigten bei den Kreismeisterschaften Ski alpin souverän die Vorjahrestitel – bei den Mädchen mit Susi Rothmann, Alexandra Kolier, Amelie Neureuther und Katharina Kohl, bei den Buben mit Peter Strodl, Flori Gerold, Felix Neureuther und Matthias Kahoun. Im Skilanglauf holten sich die Schüler des Werdenfels-Gymnasiums beim Landesfinale der bayerischen Schulen in Finsterau im Bayerischen Wald die Bronzemedaille. Im April ehrte der bayerische Kultusminister Hans Zehetmair die Langläufer. „Die Buben, erinnerte Zehetmair, hätten zwar auch Weltmeister werden können, aber leider kamen dann einige vom Kurs ab. Betreuer Dr. Michael Pach ist dennoch stolz auf die Burschen.“[9] Auch im Eisschnelllauf konnten sich die Buben beim Oberbayerischen Bezirksfinale durchsetzen. Georg Kink, Alex Müller, Stefan Schauer, Martin Bauer und Christoph Brüning waren vom Trainer des SC Riessersee, Georg Kink sen., auf diesen Wettkampf durch ein zusätzliches Training vorbereitet worden Auch für den Wettkampf in den Köpfen konnte durch einen völlig neu ausgestatteten Computerraum besser trainiert werden. 13 Rechner wurden für Schüler und Lehrer installiert. Der Umgang mit dem Computer konnte ab sofort direkt im Unterricht erlernt werden. Studienrat Andreas Hirsch betonte, dass dabei „vor allem das Umsetzen von mathematischen Abläufen in selbständig geschriebene Programme im Vordergrund stehe.“[10] Umfangreiches für den Computer geeignetes Lernmaterial stand jetzt auch für andere Fächer wie Biologie und Chemie, aber auch für den modernen Fremdsprachenunterricht zur Verfügung. Äußerer Höhepunkt des Schuljahres war sicherlich die Ausstellung „Raumfahrt – Nutzen für uns alle“ in der Aula des Werdenfels-Gymnasiums. Vor rund 200 geladenen Gästen eröffnete Oberstudiendirektor Dr. Peter Wabra die Wanderausstellung – eine Fortsetzung der Ausstellung „Bayern im All“ 1994 - mit einem Blick auf das Werk des Raumfahrtpioniers Hermann Oberth. Vorbereitet wurde die Ausstellung durch die Oberstudienräte Andreas Hutter und Richard Reindl und die Lehrer der Fachschaften Mathematik und Physik und viele hilfsbereite, begeisterte Schüler des Werdenfels-Gymnasiums, die auch die Führungen für Klassen aller Schularten übernahmen. Gezeigt wurden vier Satellitenmodelle – der Fernsehsatellit Kopernikus, der Umweltsatellit ERS 1, der Wettersatellit Meteosat und der Nachrichtensatellit SINOSAT. Zu sehen waren auch zwei Modelle der Trägerrakete Ariane. An Multimedia-PCs konnten Wettersituationen simuliert werden. „Leckerbissen: der Live-Empfang von Wettersatellitenbildern und ein Satellitenbahnverfolgungsprogramm, bei dem die Bilder direkt vom ISIS-Zentralrechner in Oberpfaffenhofen geladen wurden.“[11] Höhepunkt war die Begegnung mit dem deutschen Astronauten Ulf Merbold, der die Ausstellung besuchte. Den Nutzen der großartigen Veranstaltung für die Schule fasste Oberstudienrat Andreas Hutter so zusammen: „Physiker, Erdkundler, Biologen haben ihre helle Freude, wenn sie etwa anhand von Satellitenbildern das Ausmaß des Waldsterbens ablesen können.“[12] Am Ende seines ersten Schuljahres als Schulleiter am Werdenfels-Gymnasium fasste Dr. Peter Wabra seine Eindrücke zusammen: „Insgesamt ist die schulische Situation am Werdenfels-Gymnasium sehr günstig. Gemessen an anderen Gymnasien Bayerns, an denen sich der für die Jahrhundertwende prognostizierte neue Schülerberg bereits bemerkbar macht, gibt es ungewöhnlich viele kleine Klassen, alle Fächer sind mit Fachlehrern abgedeckt, es gibt kaum Unterrichtsausfälle und wir können ein großes, breit gefächertes Angebot an Wahlunterricht aufrecht erhalten.“[13]
[1] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 11.09.1994 [2] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 18.02.1995 [3] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 11.05.1995 [4] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 19.05.1995 [5] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 08.03.1995 [6] Rundschreiben des Werdenfels-Gymnasiums 10.10.1994 [7] Jahresbericht 1994/95 S. 103 [8] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 29.04.1995 [9] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 20.04.1995 [10] Jahresbericht 1994/95 S. 58 [11] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 26.06.1995 [12] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 23.06.1995 [13] Jahresbericht 1994/95 S. 6
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