|
Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1950-2003 - Entwicklung und Bewährung |
1991/92 - 696 Schüler Das Schuljahr begann, wie das vorausgehende geendet hatte – mit schier endlosen Sanierungsarbeiten im Hauptgebäude. Für Schüler und Lehrer freilich mit einem Paukenschlag: Die großen Ferien mussten um eine Woche verlängert werden, weil man im August entdeckt hatte, dass sich in der Verkleidung der T-Träger giftiges und krebserregendes Asbest befand. Die Entsorgung der Träger wurde von einer englischen Spezialfirma vorgenommen. Zum Jammer aller Beteiligten und trotz großer Hoffnungen war es in diesem Schuljahr nicht geglückt, die Gesamtsanierung abzuschließen – der Jahresbericht brachte es auf die Formel „viel Arbeit, wenig Geld“.[11] Und dennoch geschah sehr viel: Fensterstöcke und Fassaden wurden gestrichen, der Sonnenschutz an der Südseite wurde fast komplett angebracht. Freilich musste man noch immer auf den neuen Fahrradkeller warten. Hier taten sich größere statische Schwierigkeiten auf, so dass die Geduld der Schülerinnen und Schüler noch ein wenig auf die Probe gestellt wurde, ehe sie „ihre Mountainbikes problemlos in den und aus dem Keller schieben“ konnten[12]. So musste man sich eben damit trösten, dass im Dezember die neue Sporthalle glanzvoll eingeweiht werden konnte. In einer Feierstunde würdigten Landrat Dr. Helmut Fischer und Ministerpräsident Dr. h.c. Max Streibl die Leistungen der Politik bei diesem 14-Millionen-DM-Projekt, Oberstudiendirektor Rudolf Eßl dankte im Namen des Werdenfels-Gymnasiums und seiner Schülerinnen und Schüler und erhielt von Architekt Joachim Barz die Schlüssel zur imposanten Dreifachturnhalle. Die kirchliche Segnung der neuen sportlichen Wettkampf- und Trainingsstätte erfolgte durch Studiendirektor Dr. Engelbert Wallner und Pfarrer Dr. Gerald Müller. Ministerpräsident Streibl sagte in seiner Rede: „Die Werdenfelser Schulfamilie kann stolz auf ihre neue Sporthalle sein. Sie ist modern, technisch hervorragend ausgestattet, fügt sich harmonisch in die wunderschöne Gebirgslandschaft ein und wer sich in diesem hellen, heiteren Raum nicht wohl fühlt, dem ist nicht mehr zu helfen. Das Geld ist also gut angelegt. Sicher wird es viele Zinsen in der Gestalt tüchtiger junger Menschen bringen.“[13] Dass die „Werdenfels“-Schülerinnen und Schüler jetzt schon sportlich „gut drauf“ waren, das bewiesen sie wieder einmal beim Bezirksentscheid der Schulen im alpinen Skilauf, der in diesem Jahr in Garmisch-Partenkirchen stattfand. Bei den Mädchen holten sich Steffi Wolf, Kathie Schneitberger, Bärbel Kleinsteuber, Alexandra Kolier, Susi Rieger und Katharina Golik den 1. Platz. Die Buben kamen mit Andi Hilleprandt, Hubert Ertl, Christoph Wörnle, Florian Arnecke, Georg Schwarzenberger und Simon Werner Rang 2 hinter dem Gymnasium Bad Tölz. Weil die schulischen trotz sportlicher Ambitionen nicht zurückbleiben sollten, wurde unter Leitung von Oberstudienrat Michael Osterhammer und in Zusammenarbeit mit Heinz Mohr, dem Chef des Garmisch-Partenkirchner Olympiastützpunkts, ein neues Konzept für den so genannten Nachführunterricht erarbeitet. Es war sogar gelungen, mit Dr. Michael Pach einen Studienreferendar zu gewinnen, der sich im Auftrag des Kultusministeriums mit diesen neuen Überlegungen und mit ihrer Realisierung befasste. Aber nicht nur für die Spitzen- und Leistungssportler wurde gesorgt. Mit der Einführung der „aktiven Hofpause“ sollte der Bewegungsdrang aller Schülerinnen und Schüler zur rechten Zeit gefördert werden. Auf dem Nordhof der Schule wurden mehrere fest installierte Tischtennisplatten aufgestellt, an denen sich die Kinder in den Pausen und oft schon vor Schulbeginn so richtig austoben konnten. Spenden der Kreissparkasse Garmisch-Partenkirchen und des Elternbeirats ermöglichten dies. Nationale und internationale Begegnungen brachten in diesem Jahr einige Glanzlichter: Aus dem sächsischen Reichenbach war eine Gruppe von Abiturienten bei Schülern des WG zu Gast. Sie erwiderten damit einen Besuch, zu dem sie Anfang des Schuljahres Schülerinnen und Schüler aus Garmisch-Partenkirchen eingeladen hatten. Aus der Bretagne waren 31 junge Franzosen als Gäste gekommen. Zuvor waren Schülerinnen und Schüler des WG in St. Brieux und in Matignon zu Gast gewesen. Der Lions- und der Zonta-Club und die Europa-Union Garmisch-Partenkirchen unterstützten und förderten diese Begegnungstreffen. Aus den USA, genauer gesagt aus dem US-Bundesstaat Minnesota, schauten Oberschüler der Northfield High School für fünf Tage im Werdenfels-Gymnasium vorbei. Nach den Dichterlesungen in den vergangenen Jahren – Reiner Kunze, Walter Kempowski und Tankred Dorst hatten sich in der Aula einem breiten und höchst interessierten Publikum vorgestellt – las in diesem Schuljahr Martin Walser im Werdenfels-Gymnasium. Die häufig im Unterricht gelesene und interpretierte Novelle „Ein fliehendes Pferd“ stand im Mittelpunkt seiner Rezitation. Es war sehr unterhaltsam: „Mit dem Echo der atemlos lauschenden Zuhörer, die genau an den richtigen Stellen lachten, wuchs Walsers Lebhaftigkeit zusehends,“ notierte der Berichterstatter.[14] Heiter-nachdenklich entließ der berühmte Autor seine Leser und Zuhörer mit der Lebensbeichte eines Pförtners einer Spielwarenfabrik aus seiner Erzählung „Ein Flugzeug über dem Haus“. Das Schultheater ging neue Wege: UMWEG präsentierte ein Kabarett-Programm mit griffigen Texten. Unter dem Motto „Umweg zur Umwelt“ wurden die amüsierten Zuschauer in „Mülltonnen-Gespräche“ verwickelt, durften die Bemühungen der „438. Konferenz zur Rettung der Umwelt“ miterleben oder wurden mit der Forderung „Eine Autobahn muss her!“ konfrontiert. Die musikalische Leitung lag in den Händen der Schülerin Ute-Maria Bernet und des Schülers Holger Jung. Franziska Bauer, Juliane Grunst, Christina Kiesewetter und Sonja Knopf sprachen und spielten die Texte von Gerhard Bruner. In einer zweiten Produktion stellte UMWEG ein Schauspiel aus dem Wilden Westen vor – „Das Schulhaus von Tears Valley.“ Die Weißen wurden von Carola Berger, die Indianer von Antonia Bauer angeführt. Beim Schlusskonzert gab es großen Applaus für den Orchesternachwuchs, für das Geschwisterpaar Tabea und Deborah Preißl, für Juliane Grunst und für Hans Baier. Die Spannweite des Programms reichte von Beethovens Hymne für Europa „Der glorreiche Augenblick“ über eine Melodienfolge aus „My fair Lady“ bis zum pfiffig gesungenen Schlager „Mein kleiner grüner Kaktus“. Abschied aus dem Schulleben nahm Studiendirektor Dr. Engelbert Wallner, der seine Wirkungsstätte als hochgeschätzter Religionslehrer nach 26 Jahren verließ. Mit ihm verlor das Werdenfels-Gymnasium seinen letzten katholischen Priester. Die Oberstudienräte Hans Schaffer und Gebhard Zinßer sagten der Schule nur vorübergehend Lebewohl. Sie wurden befristet an eine Auslandsschule versetzt und zwar nach Las Palmas bzw. nach Genua.
1992/93 - 682 Schüler Die Sanierung des alten Schulgebäudes hatte sich nicht zur Freude der Verantwortlichen und der im Haus tätigen Schüler und Lehrer entwickelt. In seiner Kolumne „Ein Blick durchs Haus“ schrieb Studiendirektor Dr. Alfred Hufnagl – inzwischen Ständiger Stellvertreter des Schulleiters - leicht resigniert: „Nach wie vor gibt es am Werdenfels-Gymnasium ein Baubüro… Von Zeit zu Zeit erscheint der Bauleiter, wundert sich mit uns über die Tatsache, dass geplante und zugesagte Arbeiten nicht oder nur teilweise erledigt worden sind, schickt Verzugssetzungsschreiben an Firmen, Baustandsnachrichten an den Projektleiter… So ‚jagt’ eine Verzögerung die andere.“ [15] Fortschritte gab es bei der Erneuerung der Fassade, der Erneuerung des alten Musiksaals und der Ausstattung der Klassenzimmer mit neuen Vorhängen. Die Sanierung des Fahrradkellers und der Umbau des Außenbereiches am Haupteingang der Schule standen noch bevor. Mit dem Stoßseufzer „Wir jedenfalls freuen uns auf den Tag, an dem wir erleichtert sagen können: es ist geschafft.“[16]Zu den äußeren Problemen kamen innere Sorgen: Die Schülerzahl am Werdenfels-Gymnasium ging von Jahr zu Jahr zurück. Die Folge: In diesen Jahren gab es kaum noch eine personelle „Erneuerung“ und Verjüngung des Kollegiums, ausscheidende Lehrerinnen und Lehrer wurden kaum mehr durch jüngere Kolleginnen und Kollegen ersetzt. Die Altersstufung des Kollegiums veränderte sich dadurch nicht unerheblich. Ganz unbehelligt von solchen Gedanken feierte das Kleeblatt Eva Brockelt, Helmtraud Socher, Ulrike Müller und Helene Brunner im November des Jahres gemeinsam einen runden Geburtstag und wusste dabei die Vorzüge des neu angebrochenen Jahrzehnts sehr zu schätzen:
Die Reihe der Autoren-Lesungen am Werdenfels-Gymnasium – immer in Zusammenarbeit mit dem St.-Irmengard-Gymnasium – wurde fortgesetzt mit Michael Ende. Der Dichter, geboren 1929 in Garmisch-Partenkirchen, faszinierte seine Zuhörer mit seinen Texten und mit seiner klangvoll-melodiösen Stimme. Ergriffen folgten Eltern und Schüler Endes Ballade „Vom Heldentod eines deutschen Offiziers“. Sie erzählt von der Verfolgung und Ermordung des Ehepaars Staackmann durch die Nationalsozialisten. Hedy und Fritz Staackmann waren mit den Eltern Michael Endes in ihrer Garmisch-Partenkirchner Zeit im Bunten Haus gut befreundet. In der Zentralbibliothek der Schule wurden Michael Endes Werke ausgestellt und allen Schülerinnen und Schülern zugänglich gemacht. Der Austausch zwischen dem Werdenfels-Gymnasium und den bretonischen Schulen in St. Brieux und Matignon wurde von Studienrätin Maria Krämer und Studiendirektor Reiner Schmid-Egger zum zweiten Mal veranstaltet. Zum Gegenbesuch kamen 20 Mädchen und Jungen aus Frankreich, begleitet von ihren Deutschlehrerinnen Elise Michel und Francoise Biwer. Der organisatorische Aufwand für diese Veranstaltung ist stets recht groß, „aber die motivierende Wirkung und die Horizonterweiterung, die mit einem derartigen Schüleraustausch einhergehen, sind unbezahlbar“, stellte der Berichterstatter fest.[17] Eine Gruppe von 15 Schülerinnen und Schülern aus den Russisch-Kursen am WG besuchte unter Leitung von Oberstudienrat Berthold Christ St. Petersburg und kam zu dem Schluss, dass „entgegen aller negativer Presseberichte aus dem Westen das Land der ‚Zaren’ als Reiseland wirklich empfohlen werden könne.“[18] Während der Wintersporttag Ende Februar mit Angeboten für Ski alpin und Snowboard, für Langlauf, Rodeln, Curling und Eisstockturnier allen Schülern einfach Freude an der Bewegung vermitteln sollte, ging es bei den Wettkämpfen des Kultusministeriums um Sieg oder Platz. Beim Bezirksfinale auf dem heimischen Hausberg belegte sowohl die Mannschaft der Mädchen wie die der Buben des Werdenfels-Gymnasiums den 1. Platz. „Die Ergebnisse,“ so der Kommentar im Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, „unterstreichen die hervorragende Arbeit der Skiclubs und der Trainer des Olympiastützpunkts sowie die gute Zusammenarbeit mit dem Werdenfels-Gymnasium.“[19] In der Aula brillierten die Schauspieler der neu formierten Theatergruppe MOTIV („Mittel- und Oberstufentheater in Vollendung“) mit dem barocken Scherzspiel „Horrobilicribrifax Teutsch“ von Andreas Gryphius. „In dieser Komödie finden oder verlieren sich Gestrandete und Gescheiterte des großen Krieges“ - mit Carolin Graf, Martin Netter, Markus Seitz und Angela Hundsdorfer in den Hauptrollen. Mit diesem Stück zog die Schauspielgruppe des WG auch die Aufmerksamkeit der „Bayerischen Schulspieltag der Gymnasien“ auf sich. Zu den zwölf ausgewählten Gruppen aus ganz Bayern, die sich im Gymnasium Kötzting trafen, zählte in diesem Jahr auch der „Horrobilicribrifax Teutsch“ in der Version von MOTIV. UMWEG, die Theatergruppe der Jüngeren, stattete in diesem Schuljahr dem Altenheim St. Vinzenz, dem Lenzheim, der Rheuma-Kinderklinik und den Werdenfelser Werkstätten einen Besuch ab und erfreute die Zuschauer mit einem Gastspiel nach Hans Sachs mit dem Titel „Schuhmacher und Poet dazu.“ Das Weihnachtsspiel „Das Beste im Buch“ mit seiner ironischen Kritik am Kaufrausch der bundesrepublikanischen Konsumgesellschaft sorgte für Diskussionen: „Nach den Lachsalven mochte das Publikum dann doch nicht so recht in ein gemeinsam gesungenes ‚Stille Nacht, heilige Nacht’ einstimmen.“[20] Die erste Uraufführung eines Theaterstückes auf der Bühne des Werdenfels-Gymnasiums stammte aus der Feder der Schülerin Kai Irina Hahn. Ihr Stück „Mit Jeans ins Mittelalter“ erzählte von der Rockerbraut Lisa, die durch eine Zeitmaschine plötzlich ins Mittelalter entrückt wird. Wegen ihres seltsamen Aussehens wird sie beinahe als Hexe verbrannt, aber von einer Zauberin gerettet. Diese hat ihre liebe Not, den Gast aus der Zukunft zu zähmen und versucht ebenso beharrlich wie vergeblich, sie zu verheiraten – bis am Ende doch der richtige Prinz kommt.[21] In den Hauptrollen: Claudine Quiel, Florian Eberhorn und Albert Hack. Regie führte Gerhard Bruner. Was Irina Hahn für die Bühne, das war Holger Jung für die Musik – zusammen mit Fabian Kriner, Achim Schmid-Egger und Isabell Salzer präsentierte der „Werdenfels“-Schüler aus Oberammergau seine Eigenkompositionen in der Aula. Der Abiturjahrgang 1993 wurde unter besonderen Bedingungen geprüft: Das Dominikus-Zimmermann-Gymnasium Landsberg war vom Kultusministerium als „Kommissär“ eingesetzt worden und überprüfte den gesamten Verfahrensablauf und die Abiturkorrekturen. Alle „Werdenfels“-Abiturientinnen und Abiturienten hatten Grund zur Freude – die 18 Schülerinnen und die 32 Schüler erhielten das Zeugnis der Reife. Die Abiturientenrede hielten Angela Hundsdorfer und Katharina Schlaipfer. Einzige Kritik: Sie wünschten sich noch mehr Allgemeinbildung vor allem durch ein breiteres Angebot in Deutsch und Geschichte: „Gerade in einer Zeit des neu aufkeimenden Rechtsradikalismus, von dem auch diese Schule nicht verschont werde, komme im Lehrplan die dunkle Geschichte des Dritten Reiches zu spät.“[22] Am Schluss des Schuljahres wurde Oberstudienrat Peter Socher in den Ruhestand versetzt. Seit 25 Jahren hatte der begeisterte und begeisternde Musikpädagoge am Werdenfels-Gymnasium für den „guten Ton“ bei Chor und Orchester Sorge getragen. Studiendirektor Ludolf Leidel, engagierter Lehrer für Englisch und Geographie, Mittelstufenbetreuer, seit 1972 am WG, musste ebenfalls wie sein Kollege Peter Socher den Schuldienst aus gesundheitlichen Gründen quittieren.
[11] Jahresbericht 1991/92 S. 104 [12] ebd. S. 107 [13] Festschrift zur Einweihung der neuen Dreifachturnhalle des WG am 9. Dezember 1991 S. 2 [14] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 10.04.1992 [15] Jahresbericht 1992/93 S. 69 [16] ebd. [17] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 13.04.1993 [18] Jahresbericht 1992/93 S. 90 [19] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 06.04.1993 [20] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 24.12.1992 [21] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 12.07.1993 [22] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 12.07.1993
|
|
|
|
|
|