Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1950-2003 - Entwicklung und Bewährung

 

 


1987/88 - 705 Schüler – Bruno Habersetzer

Ein Schuljahr der internationalen Begegnungen: Studienrat Gebhard Zinßer unterrichtete ein ganzes Jahr im Rahmen eines deutsch-aHannelore Wilfert , Austauschlehrerin aus den USA - 1988merikanischen Lehreraustausches – vermittelt durch die „Fulbright-Commission“ - am Russell-Sage-College in Troy zweieinhalb Autostunden nördlich von New York. Für ihn kam Dr. Hannelore Wilfert aus Troy ans Werdenfels-Gymna­sium. Sie staunte nicht schlecht darüber, dass „das alte Vorurteil vom stei­fen, streng hierarchisch gegliederten deutschen Gymna­sium“ nicht mehr zutraf. Freilich – etwas mehr „preußische Disziplin“ ver­misste sie doch an­gesichts des Schwätzens und der geringen Gesprächs­bereitschaft ihrer Schüler.

Die guten deutsch-amerikanischen Beziehungen wurden auch durch einen einwöchigen Besuch von zwei Schülerinnen und Schülern der 6. Klassen des WG in Aspen/Colorado, der Partnerstadt der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen, unterstrichen. Christiane Schäfer und Christoph Hack wur­den von Studiendirektor Wolfgang Lauterbach und Studienrätin Bärbel Rauch zum „Childrens Friendship Cup“ nach Colorado begleitet. Höhe­punkte des Aufenthalts waren für die Schüler die herzliche Aufnahme in den Gastfamilien, die Teilnahme an einem Weltcuprennen als Vorläufer und der Besuch der „Highschool Aspen“. Dort erlebten sie eine etwas andere Schule, von der sie ganz beeindruckt berichteten: „Die Schüler gehen in der Regel zu den Fachlehrern in die Fachräume, in denen vielfältiges Unter­richtsmaterial bereitliegt. Im ganzen Gebäude herrscht auch zwischen den Unterrichtsstunden eine wohltuende Ruhe. In manchen Klassen stand wäh­rend des Unterrichts die Tür offen, so dass man einen Blick hineinwerfen konnte.“[35]

24 japanische Lehrerinnen und Lehrer aus dem Grundschul- und Se­kun­darbereich besuchten das Werdenfels-Gymnasium, um sich in Gesprä­chen mit Schülern und Lehrern des WG ein Bild vom deutschen Schulsys­tem zu machen. Sie lobten das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern, wunderten sich dagegen sehr über den hohen Stel­lenwert von Latein.

Studienrat Berthold Christ ermöglichte den Teilnehmern seines Russisch-Kurses wieder einmal „Moskauer Impressionen“: Kreml, Lenin-Mausoleum, Tretjakow-Galerie, Sagorsk, Puschkin-Museum, Ballett… „Wir erlebten da­bei wieder einmal, dass Moskau keineswegs eine kalte, düstere Stadt aus lauter Betonblöcken [36] ist.“

Christian Scheffler, Vorsitzender der "Freunde des Werdenfels-Gymnasiums" - 1988Im Verein der „Freunde des Werdenfels-Gymnasi­ums“ wechselte der Vorsitz von Studiendirektorin i.R. Hedwig Strobel zu Christian Scheffler (Abiturjahrgang 1978). Zu weiteren Vorstandsmitgliedern wurden Oberstu­diendi­rektor Hermann Anglhuber, Hans Schaffer, Georg Engel. Franz Zwer­ger, Michaela Lauerer und Peter Salfner gewählt. Die Idee, den Verein zur Brücke zwi­schen berufserfahrenen „Ehemaligen“ und den Schülern zu ma­chen, die noch „die Schulbank drücken“, wurde geboren.

Das karitative Engagement der Schülerinnen und Schüler wandte sich in diesem Jahr den erschreckenden Verhältnissen in Rumänien nach dem Zu­sammenbruch des kommunistischen Systems zu: CARE-Pakete mit Le­bensmitteln im Wert von 2400.- DM wurden von der SMV an 31 besondere Not leidende Familien geschickt.

Hartnäckig verfolgte der Elternbeirat sein Ziel, den Kreuzungsbereich Bahnhofstraße / Wettersteinstraße vor der Schule für die Fußgänger und für die Schulkinder durch die Errichtung einer Lichtzeichenanlage sicherer zu gestalten. Eine vom Markt Garmisch-Partenkirchen durchgeführte Ver­kehrszählung rechtfertigte nach Auffassung des Elternbeirats und seines Vorsitzenden Anton Strauß wenigstens eine Bedarfsampel. Seit sechs Jah­ren bemühten sich die Elternvertreter darum, die Marktgemeinde für ihr An­liegen zu gewinnen. Noch vergeblich.

Zusammen mit sechs Mitbewerbern beim Orchesterwettbewerb für die Gymnasien in Oberbayern trat das Orchester des WG beim Schlusskonzert im Da­chauer Schloss unter seinem Dirigenten Peter Socher auf. Mit einem Quartett von Stamitz, einem Purcell-Porträt und der Melodienfolge „I want to be happy“ zeigten die Werdenfelser einen begeistert aufgenommenen Querschnitt durch ihr musikalisches Können.

Unter der Leitung der Musiklehrer Peter Socher und Thomas Näbauer wurde das Kalenderjahr mit einem herrlichen Weihnachtskonzert abge­schlossen, noch ganz klassisch gestaltet, nur wenige Volksmusik- und Gospeltupfer waren zu hören. Werke von Gabrieli, Haydn, Riciotti, Vivaldi, Händel, Chopin, Grieg und Wieniawski bestimmten das Programm.

Mit einer Werkstattaufführung von Johann Nestroys Posse „Johann Nestroy - 1801-1862Häuptling Abendwind“ präsentierte sich die Theatergruppe der Ober- und Mittelstufe unter der Regie von Studiendirektor Wolfgang Lauterbach im Februar 1988. „Staunenswerte mimische Talente“[37] entdeckte der Kritiker Jürgen Völ­ckers auf den Brettern der Aula – Michael Schmid und Sebastian Bezzel, Steffi Meier und Alexander Schletter, Nicole Förster und Stefan Keller be­dankten sich für den Beifall.

Und noch ein Nestroy wurde zum Besten gegeben – die Biedermeierko­mö­die „Der böse Geist Lumpazivagabundus oder Das liederliche Klee­blatt“. Das „liederliche Kleeblatt“ - "Die Phönizier haben das Geld erfunden, aber warum so wenig?" - verkörperten Jörn Hinrichs, Sven Wiesler und Studiendirektor Gerhard Bruner, der auch die Regie in die Hand genommen hatte. Am Flügel begleitete Holger Jung (9a) seine selbst komponierten und arrangierten Melodien.

Am Ende des Schuljahres rückte die geplante Dreifachturnhalle wieder in den Mittelpunkt des Interesses: 20 Architekten hatten sich am Entwurfs­Die alten Turnhallen - 1988wettbewerb beteiligt, „das Rennen machte das Modell des Garmisch-Par­tenkirchners Wolfgang Thumann.“[38] Mit 20000.- DM wurde sein Entwurf be­lohnt. Der Jury – drei Architekten, der Gemeinde- und der Kreisbau­meister sowie Landrat Dr. Helmut Fischer, Bürgermeister Toni Neidlinger und Oberstudiendirektor Hermann Anglhuber – hatte das „klare städtebauli­che Konzept“ und das „leichte und transparente Erscheinungsbild“[39] der Halle besonders imponiert. Der Garmisch-Partenkirchner Architekt Eber­hard Stei­nert, Sohn des vormaligen Schulleiters Dr. Walther Steinert, und der Münchner Architekt Joachim Barz wurden von der Jury mit dem zweiten und dritten Platz ausgezeichnet. Baubeginn für die neue Dreifachturnhalle sollte in den großen Ferien sein.

Im Rahmen der Abiturfeier konnte der Schulleiter mitteilen, dass Eric Mül­ler, erfolgreicher Teilnehmer an zahlreichen nationalen und internationale Mathematikwettbewerben, als einer von vier bayerischen Abiturienten in die Stiftung Maximilianeum aufgenommen werden sollte, in eine der angese­hensten Studienstiftungen der Bundesrepublik Deutschland. Der Abiturient Martin Eidenschink war bereits im Februar vom Auswahlausschuss der „Studienstiftung des Deutschen Volkes“ als Studienstiftler anerkannt wor­den.

 

1988/89 - 709 Schüler

Mit vier Einaktern von Philipp Arp („Gipfel“), Ludwig Thoma („O Natur“), Walter Netzsch („Gipfelstürmer“) und Helmut Zöpfl („Heimatbühne“) setzte die Theatergruppe UMWEG einen schwungvollen Auftakt am Schuljahresbeginn. Die Schüle­rinnen und Schüler der 6. und 7. Jahrgangsstufe agierten unter der Leitung von Gerhard Bruner als Holzknechte, Bergführer und Urlauber.

Der Erlös des Weihnachtsbasars in Höhe von 3500.- DM kam der Lepra­hilfe in Südindien zugute. Die „Sisters of Mary“ in den Slums von Bombay wurden damit in ihrer aufopferungsvollen Arbeit unterstützt.

Zum ersten Mal in der Geschichte des WG führte ein Schüler bei einem der großen Konzerte den Taktstock – Karl Kriner (K13) musste beim Weih­nachtskonzert für den erkrankten Orchesterleiter Peter Socher als „Ersatzdi­rigent“ einspringen und tat es mit Bravour. Gelernt hatte er bei einem der Großen: Professor Kurt Eichhorn, langjähriger Chefdirigent des Rund­funkorchesters des Bayerischen Rundfunks, ließ es sich nicht nehmen, das Orchester des WG mehrfach unter seiner Stabführung zu „trainieren“. Allein „das Temperament dieses Lehrmeisters riss alle mit, ebenso wie Mensch­lichkeit und Wärme, die aus jedem seiner Worte sprachen.“[40]

Und nun noch Jessica Mehling, jüngstes virtuoses Talent im Orchester des Werdenfels-Gymnasiums: Die dreizehnjährige Geigerin wurde zum Vorspiel nach Moskau eingeladen und durfte am russischen Staatskonservatorium sogar am Violinunterricht von Professor Olga Leonida Woitowa, einer Schülerin von David Oistrach, teilnehmen. Sie spielte „zur Zufriedenheit ih­rer Prüferin“ und wurde „mit sehr schmeichelhafter Beurteilung“ für ihre Mu­sikalität gelobt.[41]

Theaterprogramm zur "Kratzbürstendressur" - 1989Größtes Lob zollten auch die Zuschauer der „Kratzbürstendressur“ – frei nach William Shakespeares Komödie „Der Widerspenstigen Zähmung“ un­ter der Regie von Gebhard Zinßer. „Das Ziel“, so schrieb er im Programm­heft, „sollte eine Aufführung sein, die nicht nur von Schülern gespielt, son­dern auch von ihnen gestaltet wird… Dies scheint auch der beste Weg zu sein, weg vom Stardenken zu kommen. Wir wollen keine Schauspieler he­ranziehen und schon gar nicht Illusionen über eine schauspielerische Be­gabung wecken.“[42] Dass heute, fünfzehn Jahre später, mit Angela Hunds­dorfer und Sebastian Bezzel zwei der damals auf der Schulbühne aktiven Talente die Schauspielerei zum Beruf gemacht haben, spricht nicht gegen die Zinßersche Theorie von den Aufgaben des Schultheaters, zeigt aber, dass schauspieleri­sche Qualität früh erkannt und gefördert werden kann.

Kurz darauf wurden die hohen Künste von der Abrissbirne beiseite ge­drängt: Gespannt verfolgten die Schüler des WG, wie der große Bagger die alten Turnhallen binnen weniger Tage in einen gewaltigen Haufen aus Ziegelsteinen, Balken und Metallschrott verwandelte. Alles, um die geplante Dreifachturnhalle bald Wirklichkeit werden zu lassen. Die SMV hatte sich im Zeichen eines erwachenden Umweltbewusstseins für die Erhaltung der wunderbar und majestätischen Ulme in Nordhof eingesetzt – alle Für­sprache blieb jedoch vergebens. Der alte Baum musste gefällt werden, um  den Neubau der Sporthallen wie geplant zu ermöglichen.

Auch auf einer etwas anderen Ebene gab es „Glasnost“, Umbau: Die Sow­jetunion stand kurz vor dem politischen und ökonomischen Kollaps. 16 Schülerinnen und Schüler des WG, begleitet von den Lehrern Gerty Ro­scher, Bruno Habersetzer und Thomas Näbauer konnten im Juli bei einem Besuch in Riga, der Hauptstadt Lettlands, als erste bayerische Gymna­siasten einen Blick hinter den brüchig gewordenen Eisernen Vorhang wer­fen. Vorbereitet hatte den Austausch Studienrat Berthold Christ, Russisch­lehrer am WG.

Wo Altes fällt, wächst auch Neues – die Geschichte einer Schule ist ein an­dauerndes Kommen und Gehen. Am Jahresende erinnerte sich das Wer­denfels-Gymnasium im Rahmen der Abiturfeier an die erste Abiturprüfung im Schuljahr 1938/39. Der Anlass - fünfzig Jahre Reifeprüfung am WG - wurde im festlichen Rahmen im Kongresshaus der Marktgemeinde Gar­misch-Partenkirchen gefeiert und mit einer „Spezialhymne“ musikalisch um­rahmt. Der 50. Abiturjahrgang mit 90 frisch gebackenen Abiturienten erhielt die begehrten Zeugnisse in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste. Ministeri­alrat a.D. Manfred Warentin, der 1939 zum ersten Abiturjahrgang gehört hatte, verglich Probleme und Perspektiven der beiden Abiturjahrgänge in einer humorvollen Ansprache. Bürgermeister Toni Neidlinger, Abiturjahr­gang 1959, hielt „eine mit Anekdoten gespickte Rede.“[43] Mit den Vorzügen und den Defiziten der Schule als Erziehungs- und Ausbildungseinrichtung unserer Gesellschaft setzte sich Oberstudiendirektor Hermann Anglhu­ber in seiner Rede auseinander. Er unterstrich dabei besonders die Rolle der Lehrer und betonte, dass unsere Jugendlichen „nur dann an uns erstar­ken und wachsen können, wenn wir der standhafte und zuverlässige Part­ner sind. Dieses Sich-Stellen kostet freilich Kraft, auf beiden Seiten, das macht Mühe. Aber nur dann, wenn wir unermüdlich das ehrliche Gespräch miteinander suchen und führen, nur dann können wir weiterkommen, kön­nen wir uns gegenseitig eine Hilfe sein, können wir einen Fortschritt erzie­len.“[44]

Aus Anlass des Abiturjubiläums erschien in diesem Schuljahr – aus der Fe­der von Studienrat Bruno Habersetzer - ein Jahresbericht in Verbindung mit einer umfänglichen Festschrift[45], in der die Historie der Schule ausführlich und kenntnisreich gewürdigt wurde. Unter anderem erzählte Hans Biersack, dessen  Vater zu den Initiatoren der Privaten Realschule 1914 gehört hatte, aus seiner „Schulzeit von 1914 bis 1920“, Studiendirektor Ernst Strobl erin­nerte sich an eine „Unruhige Schulzeit“, Dr. Volker Wehdeking, Professor für Literaturwissenschaften, blickte zurück auf seine „Schulzeit der fünfziger Jahre“.

Das Schuljahr endete mit einer feierlichen Abschiedszeremonie im Schlusskonzert. Schulleiter Oberstudiendirektor Hermann Anglhuber sagte dem Werdenfels-Gymnasium nach fünfjähriger Tätigkeit Lebewohl. Er über­nahm die Führung des Gymnasiums in Trostberg.

Studiendirektor Roland Stürzenhofecker, langjähriger Stellvertreter des Schulleiters, wurde mit der Leitung des Johann-Sebastian-Bach-Gymnasiums in Winds­bach beauf­tragt.

Die Studiendirektoren Wolf­gang Lauterbach, seit vielen Jahren Bera­tungslehrer des WG, und Manfred Müller, Mitarbeiter im Direktorat, wurden in den wohlverdienten Ruhestand entlassen, mit ihnen die Sekretariatsan­gestellte Ingeborg Strobl.

Studiendirektor Manfred Müller - 1989

Verwaltungsangestellte Ingeborg Strobl

Studiendirektor Wolfgang Lauterbach - 1989

Studiendirektor Roland Stürzenhofecker - 1989


In seiner Laudatio würdigte Landrat Dr. Helmut Fischer das „Werdenfels“ und erklärte, das WG sei „seit seiner nun 50 Jahre zurückliegenden Grundsteinle­gung des heutigen Schulgebäudes zur weithin führenden Lehranstalt dieser Art geworden.“ Ein Grund mehr sei dies für die Behörden des Landkreises als Sachaufwandsträger, dem Wer­denfels-Gymnasium „bei allen Vorhaben die unabdingbare Priorität nicht zu versagen.“
[46]
 

[35] Kreisbote 13.04.1988

[36] Jahresbericht 1987/88 S. 127

[37] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 09.02.1988

[38] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 19.07.1988

[39] ebd.

[40] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 14.02.1989

[41] ebd.

[42] Programmheft „Kratzbürstendressur“ April 1989, S. 6

[43] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 29.06.1989

[44] Jahresbericht 1988/89 / Festschrift S. 157

[45] ebd.

[46] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 21.07.1989

 


 

© Alois Schwarzmüller 2006