Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1950-2003 - Entwicklung und Bewährung

 

 


1953/54 - 726 Schüler - Martin Fanderl

Höllerers Nachfolger im Amt des Schulleiters, Dr. Theodor Loskarn, wurde nach langjähriger Tätigkeit als Lehrer und Leiter Dr. Theodor Loskarn - 1956an höheren Schulen in München, Ingolstadt und Lindenberg zum Beginn des Schul­jahres 1953/54 mit der Führung der „Doppelan­stalt“ Oberrealschule und Gymnasium Gar­misch-Partenkirchen beauftragt. Seit 1948 hatte er hier bereits das Amt des stellvertretenden Schulleiters ausgeübt. Stärker hätten die Gegensätze zwi­schen dem scheidenden und dem nachfol­genden Schulleiter kaum sein können: Höllerer war ein Mann der Re­formpädagogik der zwanziger Jahre, Loskarn wurde dafür gerühmt, dass er „Bewährung im Frontdienst zweier Weltkriege“ gefunden hatte, die „Beförderungen einbrachten, wie sie für einen Reserveoffizier unge­wöhnlich waren.“[9] Dr. Loskarn hatte  neben der Vielzahl der pädagogi­schen Aufgaben vor allem die schwierigen organisato­rischen Dinge zu meis­tern, die mit der Fertigstellung des Neubaus der Schule und mit der gesamten Ausstat­tung von Unterrichts-, Lese-, Kon­fe­renz- und Werk­räumen verbunden waren.

Aus der „Schulruine“ war in den beiden zurückliegenden Jahren dank der fi­nanziellen Anstrengungen des Landkreises und der Bayerischen Staatsre­gierung freilich schon ein rechtes „Schmuckkastl“ geworden, in dem mehr als 750 Schüler unterrichtet wurden. Unter ihnen Kinder und junge Leute, deren Eltern in der Nachkriegszeit ihre Pflichten nicht so erfüllen konnten, wie es wohl notwendig gewesen wäre. Aus diesem Grund wurde – auf Initi­ative des Elternbeirats und seiner Vorsitzenden Dr.  Hinrich Hinrichs und Walter Harwardt - im Dezember 1953 eine „Gemeinschaft zur Errichtung eines Schülerwohnheimes der Ober­realschule und des Gymnasiums Garmisch-Parten­kirchen“ ins Le­ben gerufen. Im Gründungsaufruf heißt es: „Gerade die Kinder, die im Entwicklungsalter stehen, bedürfen der Füh­rung, die ihnen ihre Eltern oft gar nicht mehr zu geben in der Lage sind, vor allem dann, wenn diese voneinander getrennt den Fami­lienunterhalt verdie­nen müssen. Die Un­rast unserer Zeit, die körperliche und seelische Anfäl­ligkeit vieler Kinder steheDr. Helmut Eitzenberger, Dr. Karl Huber und Wilhelm Moser - 1953n im krassen Gegensatz zu den hohen Anforde­rungen der Schu­len.“[10] Gemeinde und Landkreis begrüßten das Projekt. Die einen sahen in einem In­ternat gar einen „wichtigen Wirtschaftsfaktor“ für Garmisch-Partenkirchen, die anderen „eine recht bedeutsame Sache“, die nicht nur „die Erziehung der Jugendlichen fördern, sondern auch auf den Frem­denverkehr eine gute Wirkung ausüben“[11] könnte. Vielleicht war es diese Überfrachtung mit kühnen Hoffnungen, vielleicht auch waren die örtli­chen Industrie- und Handelsunternehmungen doch nicht ganz so spen­dabel wie erhofft, es dauerte jedenfalls geraume Zeit, bis man von dem Projekt wieder hören konnte. Im Feb­ruar 1954 wurde ein zweiter Anlauf gemacht mit der Gründung einer „Vereinigung zur Errichtung des Schülerwohn­heimes Alpinum“. Dieses Heim sollte „in enger Verbin­dung mit der Schule stehen, aber eine selbständige, rechtsfähige Stif­tung werden.“ [12] Den Vor­sitz übernahm mit Karl Ostler ein früherer Schü­ler der Oberrealschule.

Im April 1953 wurde vom Kreistag des Landkreises Garmisch-Partenkir­chen der Finan­zierungsplan für den dritten Bauabschnitt genehmigt. Damit sollte das Projekt Ober­realschule endgültig abgeschlossen wer­den. Bis Jah­resende 1953 plante man die Fer­tigstellung der ersten Turn­halle, einen Mu­sik- und Filmraum, den Aufenthaltsraum für die Lehrer, das Konferenzzim"Der Geisterbräu" - Schultheater 1953­mer und die Aula. Im Kellergeschoß wurden die fol­genden Räume vorgese­hen: ein Werkraum zur Metallbearbeitung, die Zimmer für die Deutsch-Ame­rikanische Bücherei und sogar ein Zei­tungszimmer für Schüler und Lehrer.

Mit der szenischen Umsetzung von Erich Kästners „Pünktchen und An­ton“, mit Cesar Bresgens Singspiel „Bettlerhochzeit“ und mit der Auffüh­rung von Johann Kagerers „Christophorus-Messe“ wurde die Schule mit Theater­gruppe, Chor und Orchester den Erwartungen gerecht, sie könne „zum kul­turellen Mittelpunkt des Kreisgebietes“ werden.[13] Die Veran­staltungen an­lässlich der „Kriegsgefangenenwoche“, des „Tages der Vereinten Natio­nen“, des „Tages der Menschenrechte“ und des ersten „Tages der deut­schen Einheit“ zeigten die enge Verflechtung der Schule mit den histori­schen und politi­schen Themen der Zeit, die Erinnerung an das 60-jährige Bestehen des Internationalen Olympischen Komitees sollte die Schule mit den olympischen Winterspielen 1936 ver­binden - und den Hoffnungen der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen auf eine Er­neuerung ihres sportli­chen Ruhmes.

In enger Zusammenarbeit mit der „Arbeitsgemeinschaft Schulsport Gar­misch-Partenkir­chen“ und dem US-Standortkommandanten Col. Barnett wurden die WinterspDie neue Turnhalle - 1956orttage der Werdenfelser Schuljugend mit über 700 Teilnehmern auch von der Oberreal­schule durchgeführt. Adolf Rehm (Ab­fahrtslauf, 4. Klasse) und Hermann Rosefeldt (Langlauf, 7. Klasse) standen für die Oberrealschule auf dem Siegerpodest. Bernd Rohrer glänzte als deutscher Jugendmeister im Langlauf, Willi Rehm als bayerischer Jugendmeister in der alpinen Kombination und als bayerischer Jugendmeister im Slalom.

Eine deutsch-amerikanische Begegnung vor Ort wurde – acht Jahre nach Kriegsende – erstmals auf schulischer Ebene veranstaltet: Wäh­rend der Freundschaftswoche be­suchten elf amerikanische Schülerinnen und Schüler den Unterricht an der Oberreal­schule in Englisch, Kunster­ziehung und Musik. Tags darauf kam es zum Gegenbesuch in der US-Dependents-School Breitenau.

Die Berufe der Schülereltern im Schuljahr 1953/54[14]: 204 Beamte, 160 Ange­stellte, 103 Freie Berufe, 178 Handel und Gewerbe, 12 Landwirte, 40 Arbeiter und 29 sonstige Be­rufe.


1954/55 - 749 Schüler – Karl Eicher, Dieter Schlee, Peter Syndikus, Ludwig Lörler

Die Schule ging in diesem Jahr endlich ihrer baulichen Vollendung ent­ge­gen. Der Neues Schulgebäude - Nordhof 1955dritte Bauabschnitt wurde mit der Fertigstellung eines wei­teren Musiksaals im Nordteil be­gonnen. Ein „Multifunktionsraum“ war damit ent­standen. 40 Klappstühle mit Schreibbe­leuchtung dienten in den Abendstun­den den Veranstaltungen der vor kurzem erst ge­gründeten Volkshoch­schule. Filme konnten in diesem  Raum auf großer Leinwand vor­geführt werden. Im 1. Stock des Hauptgebäudes entstanden das neue Lehrerzim­mer und ein großzügig bemessenes Konferenz­zim­mer mit zwei Nebenräu­men – das „Turm­zimmer“ mit exakt proportionierten Einbauschränken und der viele Jahre später als Tee­küche eingerichtete Aufenthaltsraum. Im Kel­ler wurde ein hochmodernes Photolabor einge­richtet. Auf die Rad fahren­den Schüler und Lehrer warteten gleichfalls im Keller 150 Fahrradständer.

Jetzt stand nur noch eine einzige Bau­ruine auf dem großen Schulge­lände – die Aula. Sie befand sich seit 1939 als Südostflügel des Ge­samtgebäudes im Rohbauzustand – während des Krieges „wehrwirt­schaftlich“ genutzt, nach Kriegsende im Dienste der VerDr. Peter Syndikussorgung der Be­völkerung mit überle­benswichtigen Produkten..

Theater, Musik und Kunsterzie­hung sollten bald schon in der nach den alten Plänen fer­tig gestellten Aula „jungen Men­schen zum eigenen Aus­druck ver­helfen“ und ihnen damit „die Entfaltung ihrer Persönlichkeit“ er­möglichen.[15] Drei kongeniale Lehrer - Georg Deubler, Mathematiker und Leiter der The­atergruppe, Martin Fanderl, musikalischer Tausendsassa und unbestrittener Lenker von Chor und Orchester, sowie Anton Kist, Maler, Bühnenbildner und Kunsterzieher mit feinstem Gespür – traten mit der Schuloper „Wir bauen eine Stadt“ von Paul Hin­demith an die Öf­fentlichkeit und fanden größte Anerkennung damit. In Ingol­stadt, anläss­lich der Teilnahme an der Landesbegegnung der 15 besten baye­rischen Laienspielgruppen, wurde ih­nen die Auszeichnung zuteil, „in der festli­chen Schlussveranstaltung im großen Schlosssaal vor dem Herrn Kul­tusminis­ter Rucker spielen zu dür­fen.“[16] Ein Weihnachtskonzert für die amerikani­schen Streitkräfte in Gar­misch-Partenkirchen holte die GIs für einige Stunden aus ihrem Ghettoda­sein. Die US-Behörden revanchierten sich damit, dass sie für die Theater- und Konzertfahrten der Schule nach München Busse zur Verfügung stell­ten.

Die Einweihung der beiden letzten großen Bauabschnitte Neues Schulgebäude - Südhof mit Aula 1955fand im Juli 1955 statt. Eine Woche zuvor waren die letzten Handwerker aus der Aula abgezogen. Über zwei Millionen DM hatte das Bauwerk gekostet, 700000.- DM davon waren Eigenmittel des Landkreises Garmisch-Par­tenkirchen. Der Schulleiter, Oberstudiendirektor Dr. Loskarn, betonte in seiner Festrede, dass die Schule, „wenn sie nicht den Zusammenhang mit der Gegenwart verlieren will, lebendigen Anteil nehmen (muss) an den Ereignissen und Problemen unserer Zeit.“ Der jungen Generation wünschte er, dass sich mit ihrer Aufge­schlossenheit für alle geistigen Fragen, mit dem Verständnis für andere Völker und fremde Kulturen das Streben nach wahrer Erkenntnis und echtem Menschentum verbin­den möge.[17]

Studienrätin Hedwig Strobel ließ in einer umfangreichen Festschrift erst­mals die Ge­schichte der Oberrealschule und des Humanistischen Gymna­siums Garmisch-Partenkir­chen Revue passieren. Ergänzt wurde dieser auf­schlussreiche Rückblick durch ein Ver­zeichnis des an der Schule tätigen Lehr- und Verwaltungspersonals sowie durch einen Über­blick über die Na­men der im Zweiten Weltkrieg vermissten und gefalle­nen Lehrer und Schü­ler.[18]

Oben: v.r.n.l. Otto Neumeister ("Zeus"), Georg Naegele, Neumeister-Sohn, Albert Blatt (1955?)

 

Rechts: stehend von links Albert Blatt (3.), Dr. Oskar Englert (5.), Dr. Christian Dehm (6.), Alexander von Blennow (? - 7.), Johann von Schmaedel (8.), Dr. Theodor Loskarn (9.), Dr. Helmut Eitzenberger (12.) (vor 1956)

 

Fotos: Doris Frank (München)

 



[1] Jahresbericht über das 34. Schuljahr 1952/53 S. 26

[2] Wie schwierig die Finanzierung war, mag aus der folgenden Aufstellung hervorgehen:

300.000.- DM kamen von der Bayernversicherung, 40.000.- DM aus einer verstärkten Grundsicherung,    215.000.- aus Zuschüssen bzw. Darlehen des Freistaates Bayern, 200.000.- DM aus dem Grundstock des Bayerischen Finanzministeriums, 20.000.- aus einem Grundförderungsaufkommen und 95.000.- waren die Eigenmittel des Landkreises. „Bis diese Schulden abgetragen sind, wird unser Landkreis sehr sparen müssen,“ erklärte Landrat Renk. (Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 16.01.1953)

[3] Jahresbericht über das 34. Schuljahr 1952/53 S. 27

[4] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 09.03.1953

[5] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 14.03.1953

[6] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 10.06.1969

[7] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 16.03.1953

[8] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 16.07.1953

[9] Jahresbericht über das 39. Schuljahr 1956/57 S.37f

[10] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 23.12.1953

[11] ebd.

[12] Jahresbericht über das 36. Schuljahr 1953/54 S. 38

[13] ebd. S. 31

[14] ebd. S. 39

[15] ebd. S. 34

[16] Jahresbericht über das 37. Schuljahr 1954/55 S. 34

[17] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 16.07.1955

[18] Festschrift zur Einweihung des neuen Schulgebäudes für die Oberrealschule und das Gymnasium in Garmisch-Partenkirchen am 16. Juli 1955 mit Beiträgen von Oberstudiendirektor Dr. Loskarn, Studienrätin Hedwig Strobel, Architekt Oswald Bieber und Kreisheimatpfleger Hans Holzner

 


 

© Alois Schwarzmüller 2006