Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1933-1945 - Schule in der Diktatur

 

 


1934/35 - 165 Schüler – Karl Metz, Dr. Friedrich Brutscher

Auch in diesem Schuljahr, in dem erstmals die Gesamtzahl der Schüler rückläu­fig war, standen die Folgen der politischen Veränderungen seit der Machter­greifung der Nationalsozialisten in Deutschland im Mittelpunkt der schulischen Selbstreflexion.

Der so genannte „Staatsjugendtag“ führte in der Praxis des Schullebens zu ei­ner Ver­kürzung der Unterrichtszeit von sechs auf fünf Wochentage – am SamOlympisches Skistadion in Garmisch-Partenkirchen - Sport im Dienst der nationalsozialistischen Ideologie - 1936s­tag waren alle Schülerinnen und Schüler, die in der HJ oder im BdM organisiert waren, nicht im Schul­haus, sondern bei Spiel und Sport und vormilitärischen Übungen im „Ge­lände“. Die neue „Fünf-Tage-Woche“ erzwang eine Verkürzung der Unterrichts­stunden auf 45 Minuten. So konnte der Unterrichtsausfall am Samstag ein wenig ausgeglichen und zusätzlicher Nachmittagsunterricht vermie­den werden. Nur die Schülerinnen und Schüler, die noch immer nicht der HJ oder dem BdM beigetreten waren – meist aus Elternhäusern, die dem NS-Re­gime ableh­nend gegenüber standen - , mussten am Samstag weiterhin zum Pflichtunterricht er­scheinen. Nicht jeder Lehrer hatte dafür Verständnis, dass er wegen dieser „Dissi­denten“ unterrichten musste.

Von den insgesamt 165 Schülerinnen und Schülern waren 45 bei der HJ, 7 beim BdM und 75 beim Jungvolk. Damit waren 77 Prozent der Schülerinnen und Schüler in die gleichgeschalteten Staatsjugendverbände eingetreten. Dem „Verein für das Deutschtum im Ausland“ gehörten inzwischen 129 Jugendliche, das waren sogar 78 Prozent, an.[12]

Im Mittelpunkt einer Vielzahl von Propagandavorträgen standen Themen wie „Die Be­deutung der Überseekolonien“, „Das Diktat von Ver­sailles“, die „Rückkehr des Saarge­bietes in das Deutsche Reich“. Von der 1. bis zur 6. Klasse wurde das Büchlein „Unsere Saar“ von Hartmut Schneider im Deutschunterricht als Pflichtlektüre gelesen. Daneben gab es noch ein wenig Nibelungenlied und Schillers „Tell“. Der Schulfunk wurde Jahr für Jahr stärker zur ideologischen Len­kung eingesetzt. Unter dem Motto „Schuljugend tritt an!“ lauschte man ge­meinsam dem Bericht vom Parteitag der NSDAP, hörte Hitlers An­sprache an das deutsche Volk und gedachte der Machtergreifung der NS-Diktatur am 30. Januar 1933.

Der Schulleiter kommentierte diese Entwicklung in seinem Jahresbericht recht kritisch und sprach von „oft übertriebenen Anforderungen an die Jugend“ und davon, dass es „nicht so leicht war, den Ausfall an Stunden (zu verschmerzen), der durch die sehr zahlreichen Feiern veranlasst wurde - auch an die Rundfunk­übertragungen ist hier zu denken, die, besonders wenn sie ganz plötzlich und kurzfristig angeordnet wurden, au­ßer anderen Schwie­rigkeiten immerhin auch eine Störung des geregel­ten Unterrichtsbe­triebes mit sich brachten.“[13]

Der politische Druck auf die Schule wurde immer stärker. Zum Beispiel dann, wenn das Engagement in der HJ die schulischen Leistungen negativ beeinflusste. Das zeigte der „Fall Anton M.“: Ein Vater beschwerte sich darüber, dass sein Sohn nicht versetzt wer­den sollte. „Mein Sohn Anton“, so schrieb er an die Schulleitung, „soll nicht in die 6. Klasse aufrücken dür­fen. Das kann unter keinen Umständen sein, nachdem er sich voll und ganz für die nationale Bewegung eingesetzt hat und das Fähn­lein Mitten­wald des Jungvolks führt. Ich gebe zu, dass die Leistun­gen zurückgehen mussten, wenn auf einen 16jährigen Jungen eine Ver­antwortung für zirka 150 Jungen beruht... Als Vater muss ich darum bitten, dass der Junge aufrücken darf.“ Dieser Forderung schloss sich der Bann­führer der HJ im Kreis Garmisch an: Anton habe „schließlich soviel für die Mittenwalder Jugend getan, dass es nicht so kommen darf, dass er per­sönlichen Schaden lei­det... Die großen, für unser Vaterland so wichtigen Umgestaltungen (seien) bei der Lage des Fal­les zu berücksichtigen... Heil Hitler!“[14]

In einer weiteren Streitfall zwischen Schule und HJ ging es um eine Auseinanderset­zung zwischen einem Hitler-Jungen und einem Mitglied eines katholischen Jugendver­eins. Der Fall von Haller / Rode wurde in der Lehreratssitzung am 31. Mai 1935 ausführ­lich besprochen. Der Schüler von Haller hatte dem Schüler Rode ein katholisches Ver­einsabzeichen aus der Hand gerissen, es auf den Boden geworfen und mit den Füßen in den Sand getreten, wobei er die Be­merkung fallen ließ: „Das ist ein Abzeichen des katholischen Jugendver­eins.“ Kaplan Dick beschrieb die Konkurrenz zwischen der HJ und der katholi­schen Jugendbewegung und sagte, „die HJ sei auf die katholischen Jugendverbände scharf.“ Vikar Schmerl erklärte, er habe die Erfahrung gemacht, „dass in der HJ das katholische Abzeichen wie ein rotes Tuch wirke.“ Kaplan Kronast nannte die Handlungsweise aus dem Grund ver­werflich, dass „die Schüler damit öffentlich eine Organisation angreifen, die von unserem Führer und Reichskanzler durch einen Vertrag gesetzlich geschützt ist... Die Volksgemeinschaft werde so nicht ge­fördert. Er verwerfe die Beein­flussung der Jugend durch ihre Führer, die gegen die katholischen Verbände auf­hetzen. Beweis dafür sei ihm, dass bei einer persönlichen Aus­sprache mit dem Gauführer der HJ, dem Gemeinde­ratsmitglied Bern­hard Roth, dieser ihm gegenüber geäußert hat, er könne nicht mehr dafür garantieren, dass keine Übergriffe der HJ auf die katholische Jugend erfolgten, wenn er, Kaplan Kronast, nicht den katholischen Jugendverein auflöse und in die HJ eingliedere.“ Der Schulleiter, Studiendirektor Höllerer, betonte, es müsse in  jedem Fall verhindert werden, dass die religiösen Gefühle von Andersgläubi­gen verletzt würden. Mit deutlicher Kritik an der HJ schloss er den Fall ab:  „Auch im drit­ten Reich dürfe man seine Meinung sagen, und er fühle sich voll­kommen gedeckt, wenn er sie dahin zusammenfasse, dass der Staat kein Interesse an religiösen Wirren haben könne.“[15]

Das Schulgeld lag noch immer bei 200.- RM jährlich. Für 74 Schüler gab es eine Ermä­ßigung. Der Bezirk und einige Gemeinden gewährten 550.- RM Erzie­hungs­beihilfen, von staatlicher Seite kamen dagegen nur 50.- RM.


[12] Jahresbericht 1934/35 S.18

[13] Jahresbericht 1934/35

[14] Schreiben von Johann M. vom 25.04.1935 und des HJ-Bannführers des Bannes 26/Murnau vom 24.04.1935

[15] Niederschrift der Lehrerratssitzung am 31.05.1935

 


 

© Alois Schwarzmüller 2006