Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1919-1932 - Die Realschule in der Weimarer Republik

 

 

 

1926/27 - 171 Schüler – Josef Höllerer, Max Egolf, Dr. Hubert Schinnerl, Georg Hagendorn

Studiendirektor Josef Höllerer, Mathematiker und Physiker, wurde vom Staats­mi­nis­te­rium zum 01.09.1926 als erster Schulleiter nach der Ver­staatlichung mit der Füh­rung der Schule beauftragt. Als „Zugspitzmeteo­rologe“ hatte er sich so­wohl im Wer­denfelser Land wie auch in der Wis­senschaft bereits einen Josef Höllerervorzügli­chen Ruf erworben. Höllerer stammte aus München, hatte am Max-Gymnasium die Hochschulreife erhalten und war erst 39 Jahre alt. 1910, gleich nach dem Abschluss des Studiums der Mathematik, Physik und der Meteorologie wurde er Assi­stent an der Baye­rischen Landeswetterwarte München, seit 1912 hatte er die Stelle des wissenschaftlichen Beobachters der meteorologischen Hochsta­tion auf der Zugspitze inne. Bis 1915 war er als Oberlehrer für Mathematik und Physik am bekannten und renommierten Deutschen Landerziehungsheim Haubinda in Thüringen tätig. Hier ar­beitete er sehr eng mit dem Gründer der Deutschen Landerzie­hungsheime Her­mann Lietz zusammen, der seine spätere Lehr­tätigkeit entscheidend prägen sollte. Während des Ersten Weltkrieges war Höllerer Soldat in einem Luftschif­ferbataillon und im Feldwetterdienst. Seit 1919 unterrichtete er wieder als Gym­nasialleh­rer und zwar am Gymnasium Aschaffenburg.

Mit der Verstaatlichung der Schule kam nicht nur ein neuer und dynami­scher Schulleiter an die Realschule Garmisch-Partenkirchen, auch im Kollegium der Lehrer waren die Veränderungen gravierend. Von den zehn hauptamtli­chen Lehrkräften war nur eine einzige länger als ein Jahr an der Schule. Den Schülern und den Leh­rern fiel es nicht leicht, sich auf die neue Situation ein­zustellen. Im „Schlussbericht über das Schuljahr 1926/27“ ist zu lesen: „Einzelne Lehrer, die von großen, reich ausgestat­teten Schulen kamen, konnten sich nur sehr lang­sam in den Betrieb der kleinen, erst in der Entwicklung stehenden Anstalt fin­den.“[1] Im Zuge der Verstaatlichung kam es wohl auch zu Misshelligkeiten im Ver­hältnis zwi­schen Schule und Öffentlichkeit. „Vereinzelt“, so fährt der „Schlussbe­richt“ fort, „waren Lehrer der Anstalt in ihren Äußerungen über die Schule, ihre Einrichtungen, das Schülermaterial etc. nicht vorsichtig genug und fällten im Unterricht oder in der Öffent­lichkeit übertriebene Urteile, die zwar dem Ansehen der Anstalt in der Öffentlichkeit kei­nen Abbruch tun könnten, aber doch bei der ehrgeizigen, selbstbewussten einheimi­schen Bevölkerung verletzend wirkten.“[2] Sehr bald aber schon fand auch die neue staatli­che Form der Real­schule die Unterstützung und die Anerken­nung durch die Volks­schulen, den Kreisschulrat, die Geistlichkeit beider Konfessionen und die Gemeinden.

Höllerers Bericht kommt aber noch auf ein anderes Thema zu sprechen, das noch lange auf der Tagesordnung stehen wird: Die Raumnot war schon 1926 unerträglich. Entwurf für ein neues Schulgebäude von Architekt Hans Lwowski - 1928Kurio­serweise befanden sich im Schulgebäude an der Hinden­burgstraße 38 nicht weniger als vier Dienstwohnungen, so dass die eigentlichen Unterrichtsräume viel zu klein waren. „Durchgrei­fende Besserung kann hier nur ein Neubau bringen“, lautete die Schluss­folge­rung des Schulleiters.[3] Die Klas­sen mussten nicht selten aus räumli­chen Gründen ge­teilt unterrichtet werden, da weder für Physik und Che­mie noch für den Kunstunterricht Platz für eine ganze Klasse war. Zwar wurde der Bestand an Kartenmaterial für Erd­kunde und Ge­schichte als ausreichend empfunden, insgesamt aber kam der erste Be­richt des neuen Schulleiters an das Kultusministerium zu einem vernichtenden Urteil: „Wichtig, zum Teil von ausschlaggebender Bedeutung für die Durchfüh­rung und Aus­gestaltung des Unterrichtes waren die äußerst beschei­dene, um nicht zu sagen primi­tive Ausstattung und Einrichtung der Schule mit Entwurf von J. OstlerLehrmitteln.“[4] So musste etwa mit der Ein­richtung einer physikali­schen und chemischen Lehrmit­telsammlung überhaupt erst begonnen werden. Die Schülerbücherei befand sich in einem desolaten Zustand, die Lehrerbücherei wurde als „dürftig“ bezeichnet: „Fast in allen Disziplinen fehlen die Stan­dardwerke. Für Mathematik ist bei­spielsweise außer zwei Büchern aus der Sammlung Göschen nichts vorhanden, für Physik über­haupt nichts.“[5]

Einen großen Teil der Mängel, da war sich der Schulleiter sicher, werde man erst durch einen Neubau aus der Welt schaffen können. Josef Hölle­rer hatte seine Fühler schon bald ausgestreckt und festgestellt, dass „die Stimmung des zu­ständigen Bezirkstages und der beiden Marktgemeinden für einen Neubau ... nicht ungünstig“ war. Erst musste aber noch der Staat für dieses Unterfangen gewonnen werden, denn ohne staatliche Förde­rung waren die kommunalen In­stitutionen zu diesem finanziellen Kraftakt nicht be­reEntwurf von Josef Zwergerit. Die Gemeinden und der Bezirk stellten sich auf den Stand­punkt, „solange der Staat gegen das jetzige Schulgebäude keine Einwen­dungen erhebt und keinen Druck auf uns ausübt, lassen wir es beim Al­ten.“[6] Die „junge, aufstrebende Anstalt“[7] sollte sich noch lange mit unzurei­chenden Räumlich-keiten zufrieden geben müssen.

Kopfzerbrechen bereitete erstaunlicher Weise auch der Schulgottes­dienst für die ka­tholischen Schüler. „Der Einrichtung eines besonderen Schulgottesdiens­tes für die ka­tholischen Schüler stehen verschiedene Hindernisse entgegen,“ heißt es im „Schlussbe­richt“. Die Geistlichen wollten nicht zweimal zelebrieren, an den „von altersher üblichen Zeiten des Pfarrgottesdienstes soll bei der kon­servativen Bevölkerung“ fest­gehalten werden, die übrigen Gottesdienste waren „den Ankunftszeiten der Fremdenverkehrs­züge“ so angepasst, dass für die Be­dürfnisse der Realschule kein Raum blieb. Nach der Aufzählung dieser und weiterer Gründe kam der Schulleiter dann aber doch zu einem ganz anderen Er­gebnis: „Der Hauptgrund – für den Nichteinheimischen übrigens nahezu unver­ständlich – ist die jedem Eingeweihten sattsam bekannte Rivalität der Gemein­den Garmisch und Partenkirchen, von der auch die kirchlichen Kreise sich nicht ganz frei halten können. Zweifellos würden verschiedene Partenkirchner Eltern es als ganz un­zulässig ansehen, wenn man ihre Kinder zwingen würde, nicht in die Kirche ihrer eige­nen Pfarrei, sondern nach Garmisch zu gehen. Die Garmi­scher Eltern würden natürlich das gleiche sagen, falls der Schulgottesdienst nach Partenkirchen verlegt würde.“ Re­signation macht sich breit beim Schullei­ter, man müsse „eben mit der überkonservativen, starrköpfigen Bevölkerung“ rechnen. Die Ver­sicherung, dass die Beschreibung der reli­giösen Verhältnisse in Garmisch und in Partenkirchen „bestimmt nicht nur in der Einbil­dung“ bestehe und der Seufzer, dass man – immerhin -  „das Problem in Fluss gebracht“ habe und dass es sich „vielleicht in absehbarer Zeit“ lösen lassen werde, been­den den „Schlussbericht“ in diesem Punkt.[8]

Die Eltern kamen nicht gut weg im ersten Bericht der jetzt staatlichen Schule. Umso besser wurden die Schülerinnen und Schüler beurteilt. Sie sind „fast ausnahmslos an­ständig und gesittet, höchstens etwas un­gehobelt.“ Als gutmütig und leicht zu behandeln wurden sie geschildert, jedenfalls „viel leichter als in größeren Städten.“ Besonderen Eindruck machte das „einwandfreie Verhältnis der beiden Geschlechter“ –  die Mädchen stellten etwa ein Drittel des „Schüler­materials“. „Frei, unge­zwungen, harmlos, ohne die gebotene Zurückhaltung ver­missen zu las­sen, bewegen sich die Jungen neben den Mädchen in und außerhalb der Schule,“ stellt der Schulleiter im Kapitel „Schulzucht“ zufrieden fest.[9]

Mit solch wohlerzogenen Schülerinnen und Schülern konnten die Sport­lehrer mühelos monatliche Wanderungen unternehmen. Bei „ausgie­bigster Pflege des Schneeschuh­laufs“[10] und beim Schlittschuhlaufen auf dem Eibsee, mit Skitouren und -wanderungen wur­den auch im Winter die sportlichen Talente gefördert.

Um für die vielen Schüler, die von auswärts kamen und teilweise bei ihren Leh­rern oder einheimischen Gastfamilien logierten und für die zahlreichen Fahr­schüler eine bessere Lösung zu finden, wurde an die Errichtung ei­nes Schü­lerheims gedacht. Die Bemü­hungen blieben jedoch zunächst erfolglos.

An die Spitze des Elternbeirats der neuen Staatlichen Realschule wurde der Haupt­leh­rer Kappelmayer gewählt. Weitere Mitglieder waren Frau Dr. Neu, der Arzt Dr. Friedrich und der Hotelier Hener vom Hotel „Neu-Wer­denfels“.

Auch für den Besuch der staatlichen Schule musste Schulgeld bezahlt werden und zwar jährlich in Höhe von 45.- Mark. Das waren etwa 60 Stundenlöhne eines Hand­wer­kers. Ausnahmen gab es: „Unbemittelten braven und fleißigen Schülern kann es auf An­suchen ganz oder teilweise erlassen werden.“ Zum Schulgeld kamen Gebühren für die Benützung der Schülerlesebücherei in Höhe von jähr­lich 2,10 Mark. Das Sommer- und Winterzeugnis kostete je -.80 Mark und das Schlusszeugnis 1.- Mark. Für die Schüler­übungen in den Fächern Physik und Chemie waren 4.20 Mark beizusteuern. Angeboten wurden auch eine staatliche Unfallversicherung und eine Schülerkrankenkasse für einen Jahresbeitrag von 15.- Mark.

 


[1] Schlussbericht über das Schuljahr 1926/27 S. 1

[2] Schlussbericht über das Schuljahr 1926/27 S. 1

[3] Schlussbericht über das Schuljahr 1926/27 S. 1

[4] Schlussbericht über das Schuljahr 1926/27 S. 2

[5] Schlussbericht über das Schuljahr 1926/27 S. 2

[6] Schlussbericht über das Schuljahr 1926/27 S. 3

[7] Schlussbericht über das Schuljahr 1926/27 S. 4

[8] alle Schlussbericht über das Schuljahr 1926/27 S. 5

[9]Schlussbericht 1926/27 S. 5

[10] Schlussbericht 1926/27

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006