Die Kreisleiter der NSDAP in Garmisch-Partenkirchen
 – „Politische Frontoffiziere der Bewegung“

 

 

 

 

Heinrich Schiede: „Erziehung der Willigen, Ausschaltung der Abseitigen“

 

Nachspiel – Frau Meyer-Kredell und Heinrich Schiede

Otto Meyer-Kredell (geb. 28.02.1887), Studienrat an einer höheren Schule in Preußen,[1] war im Dezember 1937 mit seiner jüdischen Ehefrau Bettina (geb. 12.04.1885) aus Geisenheim nach Garmisch-Partenkirchen in die Schlageterstr. (Achenfeldstr.) 23 gezogen. Augenzeugen berichteten 1945 von der „Judenaktion“ 1938 auf dem Adolf-Wagner-Platz (Marienplatz) und auch davon, dass Otto Meyer-Kredell, wohl deshalb, weil seine Frau Jüdin war, an diesem Tag gewaltsam attackiert wurde. Es heißt dort: G.S. „zog Herrn Meyer-Kredell (Frau Jüdin) mit dem Säbel eins über.“[2] Im Schutz ihres „arischen“ Ehemanns konnte Frau Meyer-Kredell bis kurz vor Kriegsende in Garmisch-Partenkirchen leben. Kaum jemand wusste, dass sie Jüdin war.

Irgendwer aber doch. Eines Tages war an der Haustüre ein Schild befestigt mit dem Hinweis, dass sie „Sarah“ Meyer-Kredell heiße. Es dauerte nicht lange, bis sie im Dezember 1944 verhaf­tet und ins Konzentrationslager Dachau gebracht wurde. Im Konzentrationslager starb Bettina Meyer-Kredell. Ihr Mann beschuldigte Heinrich Schiede. Das Verfahren ge­gen ihn verlief zunächst im Sand.[3]

1952 wurde dann aber doch vor dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen verhandelt. Die Aussagen des ehemaligen Kriminalinspektors Sebastian Reiser über die Verhaftung von Bettina Meyer-Kredell geben die Ereignisse aus Sicht der Polizei wieder. Reiser sagte, vermutlich sei es Kreisleiter Schiede gewesen, der ihm mitgeteilt habe, dass Frau Meyer-Kredell Jüdin sei. Daraufhin habe er das Ehepaar vorgeladen und vernommen. Frau Meyer-Kredell habe bestätigt, dass sie jüdischer Herkunft sei. Der „Vorgang“ sei dann an die Gestapoleitstelle München weitergeleitet worden. Von dort sei der Auftrag gekommen, Frau Meyer-Kredell nach München zu transportieren. Dieser Auftrag sei von der Schutzpolizei ausgeführt worden. Er wisse nicht, wohin Frau Meyer-Kredell von München aus gebracht worden sei. Später habe er „privat gehört, dass sie gestorben ist.“[4]

Staatsanwalt Knirsch setzte Otto Meyer-Kredell vom Ergebnis seiner Untersu­chungen in Kenntnis. Er habe auf Grund der Ermittlungen festgestellt, dass der Beschuldigte Schiede „nicht von sich aus die Verhaftung Ihrer Ehefrau veranlasst“ habe, dass er sogar mit der Verhaftung unmittelbar nichts zu tun gehabt habe. Schiede habe ausgesagt, ihm sei von verschiedenen Seiten gemeldet worden, Frau Meyer-Kredell veranstalte Tanzun­terhaltungen, an denen halb­wüchsige Mädchen teilnähmen. Er habe daraufhin die Angelegen­heit der Polizei übergeben und erst später durch den ehemaligen Polizeibeamten Reiser erfahren, dass Frau Meyer-Kredell Jüdin sei. Mit der Einlieferung in das KZ habe er nichts zu tun gehabt. Reiser habe bestätigt, dass die Einweisung in das KZ durch die zuständige Polizeidienststelle erfolgt sei. Aus staatsanwaltlicher Sicht sei zwar „der Verdacht nicht ganz von der Hand zu weisen ist, dass Schiede irgendwie daran beteiligt gewesen“ sei, es bestehe jedoch keine Gelegenheit gegen ihn einzuschreiten, da die letzten schlüssigen Beweise fehlten. Knirsch bedauerte schließlich, dass er „nicht veranlasst (sei), gegen Schiede einzuschreiten.“[5]

Bettina Meyer-Kredell verschwand im Dezember 1944 unter den Augen des Kreisleiters im Konzentrati­onslager und kehrte nicht mehr zurück. Sie starb am 21. Dezember 1944 im Konzentrationslager Dachau.[6] „Widerstandshandlungen“ Schiedes, die sich gegen diese Verletzung von „Recht und Gerechtigkeit“ richteten, wurden nicht bekannt.

Heinrich Schiede ist am 11. Mai 1996 in München gestorben.

 


[1] Bibliothek für bildungsgeschichtliche Forschung http://bbf.dipf.de/kataloge/archivdatenbank - aufgerufen am 13.08.2012

[2] Bericht der CIC Garmisch-Partenkirchen – o.D. (Kopie im Archiv des Autors)

[3] StA München Spruchkammern – Karton 1603 Heinrich Schiede / Meyer-Kredell 10.12.1951

[4] StA München Spruchkammern – Karton 1603 Heinrich Schiede / Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen: Verfahren gegen Heinrich Schiede und Marie Linck 30.06.1952

[5] StA München Spruchkammern – Karton 1603 Heinrich Schiede / Berufungskammer München an Studienrat a.D. Otto Meyer-Kredell, Garmisch-Partenkirchen, Achen­feldstr. 23/III 03.07.1952

[6] Vgl. Meldekarte des Marktes Garmisch-Partenkirchen zu Otto Meyer-Kredell

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2012