"Im Großen und Ganzen willig und brauchbar"
Zwangsarbeit in Garmisch-Partenkirchen 1940-1945

 

 

 

Aus den Monatsberichten des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen

Die ersten Zivilarbeiter, die nach Beginn des Zweiten Weltkrieges in Garmisch-Partenkirchen eintra­fen, waren 35 Polen. Sie kamen im April 1940 und wurden in der Landwirtschaft eingesetzt. Kurze Zeit später steht im Polizeibericht: „Ein Teil (ist) vor der Aufnahme der Arbeit wieder geflüchtet“.[1] Ein Be­weis für die Freiwilligkeit ihres Arbeitseinsatzes, von der NS-Propaganda stets betont, war das nicht.

Im Juni 1940 wurden 20 Männer aus dem „Protektorat“ und 72 aus Polen zum Arbeitseinsatz in Gar­misch-Partenkirchen und Umgebung gebracht. Fast alle waren in einem Lager der Deutschen Reichs­bahn am Schlachthof Garmisch-Partenkirchen un­tergebracht.[2]

Im September 1940 waren es 40 französische Kriegsgefangene im Skistadion und 30 im Eisstadion, die zu Sicherungs- und Instandsetzungsarbeiten an den neuen oder erweiterten olympischen Sport­stätten eingesetzt wurden. Im Oktober wurden weitere 157 polnische und tschechische Arbeitskräfte im Kreisgebiet verteilt, 40 von ihnen arbeiteten im Ortsbereich Garmisch-Partenkirchen.[3] Weitere Kriegs­gefangene waren mit Entladetätigkeiten am Bahnhof Garmisch-Partenkirchen beschäftigt.

Ende Juni 1941 gab die Gendarmerie Garmisch-Partenkirchen einen Überblick über die aktuellen Zahlen: „Im Ortsbereich Garmisch sind 50 Zivilarbeiter polni­schen Volkstums tätig und wohnhaft. Weitere 22 Zivilarbeiter polnischen Volkstums sind von der Reichsbahn hier als Bahnarbeiter einge­setzt und im Arbeiter-Gemeinschaftslager am Kreisschlachthof untergebracht. 60 französische Kriegs­gefangene und 36 tschechische Legionäre sind für dringende öffentliche Arbeiten im Ortsgebiet ein­gesetzt.“[4]  Außerdem waren 21 belgische und niederländische Hausgehilfinnen im Ortsbereich Gar­misch-Partenkirchen untergebracht. Im September 1941 wurden weitere 20 tschechische Zivilarbeiter im Olympia-Skistadion beschäftigt. Zusammen waren das in Garmisch-Partenkirchen 232 ausländische Ar­beitskräfte.

 

 

Auch in den Garmisch-Partenkirchner Kohlenhandlungen Biersack, Lievert, Ostler und Schott wurden Zwangsarbeiter aus osteuropäischen Ländern eingesetzt. Auf dem Bild sind vier Beschäftigte der Kohlenhandlung Lievert am Kohlenhof in Bahnhofsnähe zu sehen.
Bei den Personen handelt es sich (v.l.n.r.) um Antonius Pronowski aus Polen, Nikolaus Swery (geb. 1916 in Stanislau, Ukraine, seit 6. Juli 1942 in Garmisch-Partenkirchen), Iwan Goldemdice (geb. 1919 in Kosow, Kreis Czortkow, Ukraine, seit 5. November 1943 in Garmisch-Partenkirchen) und
Ignaz Prystacz (geb. 1914, aus Stefkova, Kreis Lesko, Ukraine, seit 30. Oktober 1941 in Garmisch-Partenkirchen). Untergebracht waren sie zeitweise in einem mit einem Ofen ausgestatteten Verschlag im Kohlenlager.
Antonius Pronowski kehrte nach dem Krieg nicht mehr in seine Heimat zurück. Ignaz Prystacz war Sprecher der Gruppe. Das Nachkriegsschicksal der drei Ukrainer ist nicht bekannt.              Foto: Hansjörg Lievert

 

 

Im Dezember 1941, ein halbes Jahr nach dem Überfall auf die Sowjetunion, notierte die Schutzpolizei Garmisch-Partenkirchen: „Zur Fertigstellung der im Bau begriffenen Olympiabauten stehen dem Bür­germeister des Marktes Garmisch-Partenkirchen 170 russische Kriegsgefangene zur Verfügung. 101 sind im Eisstadion und 69 im Skistadion beschäf­tigt und untergebracht. Weitere 40 russische Kriegs­gefangene, die dem Heeresbauamt Garmisch-Partenkirchen zur Verfügung stehen, sind im Bara­ckenlager am Kreisschlachthof in Garmisch-Parten­kir­chen untergebracht… 21 männliche Ukrainer sind im hiesigen Kohlenhandel tätig und 14 weibliche Ukrainer finden als Küchenpersonal im hiesigen Hotelgewerbe Verwendung.“[5] Dazu kamen wenige Tage später noch 20 tschechische Zivilarbeiter im Eisstadion und 20 ukrainische Hilfskräfte für den Kohlenhandel. Insgesamt lebten und arbeiteten zu diesem Zeitpunkt rund 350 „Zivilarbeiter“, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Garmisch-Parten­kirchen. In den nächsten 18 Monaten blieb es bei dieser Stärke.

Ein neuer Höchststand wurde im September 1943 erreicht: Für Garmisch-Partenkirchen waren jetzt 493 ausländische Arbeiter gemeldet, unter ihnen 72 „polnische Zivilarbeiter“, 162 „altrussische Gefan­gene“, 32 Ukrainer und 138 „aus dem Protektorat“.[6] Ende November waren es bereits 195 Arbeiter aus der UdSSR, dazu kamen 85 Franzosen und 60 Holländer als Zivilarbeiter.[7]

Ende 1943 stieg die Zahl der Arbeitskräfte aus der UdSSR auf 223, im Januar 1944 auf 277. Im März 1944 wurde die Gesamtzahl aller ausländischen Arbeitskräfte in Garmisch-Partenkir­chen mit 690 an­gegeben.[8] Im Oktober 1944 – es war die letzte Meldung vor Kriegsende – hielten sich 255 „Ostarbei­ter“ und 49 italienische, 90 französische, 57 holländische, 80 polnische und 111 tschechische „Zivilar­beiter“ in Garmisch-Partenkirchen auf.[9]

 

   
 

Im Oktober 1942 veröffentlichte die Zeitschrift "Arbeitseinsatz im Deutschen Reich" diese Angaben über den Beitrag der ausländischen Arbeiter (ohne Kriegsgefangene und ohne KZ-Sklaven) für die deutsche Kriegswirtschaft

 
 

[1] StA München - LRA 61617 – Monatsberichte 1940 / 22.04.1940

[2] StA München - LRA 61617 – Monatsberichte 1940 / 27.06.1940

[3] StA München - LRA 61617 – Monatsberichte 1940 / 02.10.1940

[4] StA München - LRA 61618 – Monatsberichte 1940 / 30.06.1941

[5] StA München - LRA 61618 – Monatsberichte 1941 / 25.11.1941 und 26.12.1941

[6] StA München - LRA 61619 – Monatsberichte 1942-1944 / 27.09.1943

[7] StA München - LRA 61619 – Monatsberichte 1942-1944 / 27.11.1943

[8] StA München - LRA 99028 – Kriegsgefangene 1940-1945 / 10.03.1944

[9] StA München - LRA 61619 – Monatsberichte 1942-1944 / 25.01.1944 und 25.10.1944

 

 

© Alois Schwarzmüller 2012