Der Wehrmachtsstandort Garmisch-Partenkirchen

 

 

 

Standortlazarett des Heeres - Garmisch, Lazarettstraße 2

 

Die Grundstücksfrage

Nach dem Einzug der Gebirgsjäger und der Gebirgsartillerie in die neuen großen Kasernenbauten des Standorts Garmisch-Partenkirchen  fasste die Wehrkreis-Verwaltung VII München die Errichtung eines Lazarettgebäudes ins Auge.

 

 

  Lageplan für das Standortlazarett 1937

Blick auf das Standortlazarett gegen den Wank

 

Einige der Grundstücke, die zur Verwirklichung dieser Pläne notwendig waren, befanden sich im Besitz der Katholischen Pfarrpfründestiftung St. Martin Garmisch. Schon am 2. November 1937 sah sich Pfarrer Hermann Mencke mit der Drohung der Militärbehörde konfrontiert, „die benötigte Teilfäche zu enteignen". Mencke bestand auf einem Preis von 450.- RM pro Dezimal für seine Grundstücke in bester Lage, die Wehrkreisverwaltung bot 320.- RM. Er setzte sich am 16. November 1937 zur Wehr: „Trotz wiederholten Verlangens ist mir von der Wehrkreisverwaltung niemals ein Schriftstück ausgehändigt worden, aus welchem zu ersehen gewesen wäre, welche Grundstücke und zu welchen Bedingungen von der Wehrkreisverwaltung erworben werden wollen." Er habe seine Forderungen telefonisch und „aus dem Handgelenk heraus" stellen müssen. Die Auseinandersetzung zog sich bis in den Februar 1938 hinein. Am 21. Februar 1938 stellte die Wehrkreisverwaltung - mit Abdruck an das Oberkommando des Heeres in Berlin - fest: „Der Inhaber der Pfarrpfründestiftung geht von seiner Preisforderung nicht ab. Weitere Verhandlungen sind aussichtslos." Nun wurde nach dem „Gesetz über die Enteignung zur Beschaffung von Arbeitsgelegenheit" vom 1. August 1933 das Enteignungsverfahren eingeleitet. Das Oberkommando des Heeres erteilte seine Zustimmung. Der Antrag auf Enteignung wurde am gleichen Tag beim Bezirksamt Garmisch-Partenkirchen gestellt. Am 1. April 1938 wurde das Bezirksamt Garmisch-Partenkirchen in seiner Funktion als „Überwachungsstelle für Grundstückspreise nach der Preisstopverordnung" von Amts wegen in die Grundstücksverhandlungen eingeschaltet. Es drückte den Preis auf 250.-RM pro Dezimale und die Wehrkreisverwaltung erklärte sich bereit, zu diesen Bedingungen zu erwerben und den Antrag auf Enteignung zurückzuziehen. Die Beurkundung für das Grundstück der Pfarrkirchenstiftung St. Martin am Standortlazarett sollte am 20. März 1939 erfolgen. Mencke wollte bis dahin noch folgende Klausel aufgenommen wissen: „Die Bestimmung des Kaufpreises bleibt dem behördlichen Schätzungsverfahren gemäß dem Ausführungssgesetz zur Zivilprozessordnung vor dem Landrat Garmisch-Partenkirchen vorbehalten." Die Beurkundung scheiterte, Notar Daimer stellte am 24. März 1939 dem Pfründeinhaber Pfarrer Hermann Mencke 11.30 RM in Rechnung für „Erfolglose Verhandlung - Grundabtretung Pfarrpfründestiftung Garmisch mit Markt Ga.-Pa.". Zur neuerlichen Schätzungsverhandlung kam es am 12. Juli 1939 im Gebäude des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen.

Der Ausgang dieser Verhandlungen ist den Quellen nicht zu entnehmen.


 

  Eingangsbereich

Bettenhäuser

 

 

Empfangshalle

Treppenhaus

 

Bau und Funktion

Die Bauarbeiten am Lazarettgebäude wurden 1938 begonnen. Die Planung lag in den Händen der Heeresbauverwaltung München zusammen mit dem Architekten Theo Lechner und seinem Mitarbeiter Egwin Kaup. Der Operationstrakt und die Krankenstationen wurden von der Sanitätsabteilung 41 der 1. Gebirgsdivision bis 1942 bezogen. Später unterstand es der Sanitätsabteilung Augsburg. Während des Zweiten Weltkrieges war im Standortlazarett Garmisch-Partenkirchen die Gebirgssanitätsschule untergebracht.

 

Beschreibung

„Das Gebäude diente als Vorzeigeobjekt der Militärarchitektur und wurde dementsprechend ausführlich veröffentlicht. Sämtliche Bauformen entsprachen den Forderungen einer Heimatschutzarchitektur und wurden mit Bildvergleichen aus dem Garmischer Ortsbild legitimiert: das auskragende, flachgeneigte Dach kopiert den Werdenfelser Typus, das geschindelte Türmchen und die durchgehenden Holzbalkone finden sich bei den großen Einzelhöfen der Umgebung, Höhe und Form der Umfassungsmauer orientieren sich am benachbarten Friedhof. Die Verwendung bodenständiger Materialien war eine Forderung der Wehrkreisverwaltung: Lärchen- und Fichtenholz, weißverputzte Wände, Werdenfelser Kalkstein gebrochen und behauen, als Mauerstein oder Tür- und Fenstersturz. Blieb ausnahmsweise eine Betondecke sichtbar, wurde diese mit dem Stockeisen optisch auf »Werdenfels« getrimmt. Die Sechs-Bett-Zimmer entsprachen den Sechs-Mann-Stuben der Kasernen. Alle Krankenzimmer öffneten sich mit bodentiefen Fenstern auf Sonnenterrassen oder Balkone. Mobiliar und Ausstattung bebilderten eine Musterschau »alpenländischer Volkskunst«: handgeschmiedete Lampen, gedrechselte Tisch- und Stuhlbeine, farbig gefasste Täfelungen und Türen, Balkone »in Lärche natur« und Balken »in Fichte geschroppt« oder rustikal mit dem Beil behauen. Dagegen schlug die künstlerische Ausgestaltung schrillere Töne an: Kunstmaler Erich Schilling gab der Eingangshalle »die Weihe durch sein Freskobild des gesunden Menschen«, eine Turnerlandschaft kraftstrotzender Arier Breekerscher Brutalität, »jene Jugend, die wir im Felde siegreich sehen«, und als Gegenstück »vom selben Künstler das Bild der helfenden Frau, Schwester und Samariterin. Ein Heldenlied männlicher Schönheit und weiblicher Hilfsbereitschaft« (Bm 1941). Weitere Ausstattungsstücke lieferten Karl Gries (Sgraffito am Eingangsbau), Paul Bürck (Fresko im Tagesraum), Erich Erler und Annemarie Naegelsbach (Treppenhausbilder). Die Bildhauerarbeiten stammten vom Oberammergauer Andreas Lang, der ortsansässige Kunstmaler Heinrich Bickel bemalte die Schränke und Holztäfelungen. Für die Gartenplanung entwickelte Alwin Seifert ein Programm alpenländischer Heilpflanzen. Das Garmischer Lazarett blieb ein Einzelfall. Der dort betriebene Aufwand war nach Kriegsbeginn undenkbar und auch vorher nur durch das besondere Elitedenken der Sondereinheit »Gebirgsjäger« und die Verwendung des Gebäudes als propagandistisches Vorzeigeobjekt zu erklären."

Aus: Winfried Nerdinger (Hrsg.), Bauen im Nationalsozialismus. Bayern 1933-1945 (München 1993) S. 489

 

 

 

Zufahrt zum Standortlazarett

Kapelle des Standortlazaretts

     

Lazarett und Teillazarette in Garmisch-Partenkirchen und Umgebung bis 1945

  • Standortlazarett - 200 Betten - schwerverletzte Soldaten

  • Artilleriekaserne - 1500 Betten

  • Divisionsstabsgebäude - seit 1944 (Ostflügel)

  • Gerl-Klinik

  • Haus Partenkirchen - SS-Lazarett

  • Hotel Alpenhof - 150 Betten

  • Hotel Badersee

  • Hotel Drei Mohren in Garmisch - 105 Betten

  • Hotel Eibsee

  • Hotel Garmischer Hof - Malariaerkrankungen

  • Hotel Gibson - SS-Lazarett seit 1944

  • Hotel Husar - 50 Betten

  • Hotel Neuwerdenfels - 112 Betten

  • Hotel Riessersee

  • Hotel Roter Hahn - 145 Betten

  • Hotel Schönblick - 150, Offiziere

  • Hotel Sonnenbichl - 173 Betten - SS-Lazarett, Kopfverletzungen, psychische Erkrankungen

  • Hotel Vierjahreszeiten

  • Hotel Wittelsbacher Hof - SS-Lazarett

  • Mädchenoberschule (Lyceum) - 300 Betten, ab 15.10.1944

  • Offizierheim der Wehrmacht - seit 1944

  • Pension Förtsch

  • Pension Witting

  • Schwesternheim St. Hildegard  - 134 Betten, TBC-Kranke

  • Volksschule Partenkirchen - 188 Betten, ab 08.12.1944

  • Wiggers Kurheim - 485 Betten, Marinesoldaten

  • Hotel Badersee

  • Hotel Eibsee

  • Schloss Elmau - 400 und 100 Notbetten

  • Teillazarette in Ettal, Grainau, Mittenwald (125 B.) und Oberammergau (250 B.)
     



Aus der Autobiographie von Lina Haag

Garmisch, im Mai 1944, Hotel Riessersee

„Ich bin seit kurzem hier, Heilgymnastin im Lazarett. Das Hotel ist jetzt Lazarett, musst du wissen. Unsere Berliner Wohnung ist ausgebombt, sonst würden sie mich nicht versetzt haben. Kätle habe ich zu den Eltern getan. Von dir weiß ich immer noch nichts.

Das schreibe ich dir jetzt wohl schon ein dutzend Mal. Auch wenn es sinnlos ist, es hilft ein wenig, wenn ich dir schreibe. Untertags geht es noch, da hat man Arbeit. Schlimm sind die Abende.

War nicht Garmisch immer unser Traum? Sollte nicht auch unsere Hochzeitsreise über Garmisch gehen, die seit siebzehn Jahren geplante Hochzeitsreise? Befiehl du deine Wege! Sonderbare Wege. Was soll man davon halten. Warum trifft es denn gerade uns so schwer? Siehst du, so fängt die Nacht an, mit solchen Fragen, die schlaflose, endlose Nacht. Wenn ich den Kopf hebe, sehe ich über einem weißen Gipfel den ersten Stern. Wildbäche rauschen ins Tal. Garmisch im Mai. Das haut hin, sagen unsere Landser, wenn sie kommen. Ja, das haut hin.

Heute sind wieder dreißig fort, an die Front. Unausgeheilt, aber kv. Dafür kann der tüchtige Stabsarzt wieder eine Weile bleiben. Der Wundertäter, der durch Handauflegen heilt wie im Alten Testament oder im Neuen: Und ich sage dir, mein Sohn, steh auf und geh! Ich habe ihm Röntgenbilder vorgelegt von denen, die heute fort sind. Gehorsamst, ohne viel Worte. Die Bilder waren deutlich genug. Trotzdem nützte es nichts. Kein einziger Marschbefehl wurde zurückgenommen. Die Lieferung musste weg. Die Front braucht Helden. Es war nichts zu machen. Im Gegenteil. Wahrscheinlich hat ihn nur mein Aussehen etwas irritiert, sonst hätte er mich bestimmt angepfiffen. So blieb es bei dem üblichen Hinweis auf den Endsieg. Dass es hier auch im Mai 44 immer noch schöner ist als in einem Feldlazarett bei Tarnopol, sagte er nicht. Dafür sagte er: »Für den Endsieg ist kein Opfer zu groß!« Ich habe die Röntgenbilder in eine Ecke geworfen und bin in meine Mansarde hinaufgegangen. Ich muss das niederschreiben, sonst platze ich. Sonst schreie ich doch noch einmal alles hemmungslos heraus. So weit bin ich jetzt. Völlig fertig."

Aus: Lina Haag, Eine Handvoll Staub. Widerstand einer Frau 1933-1945 (München 2005) S. 5f

 


 

© Alois Schwarzmüller 2009