„… Juden sind hier nicht mehr aufhältlich.“
Die Ausgrenzung jüdischer Kurgäste in Garmisch-Partenkirchen
1937/38

 

 

1937 - „Regelung der Judenfrage“

Konnte man von den antijüdischen Maßnahmen im Garmisch-Partenkirchner Fremdenverkehr bis zu den Olympischen Winterspielen den Eindruck gewinnen, als seien sie weitgehend von lokalen Kräften der NSDAP im bayerischen Oberland gesteuert worden, so gewann im Frühjahr 1937 eine Kampagne an Fahrt, die eindeutig von Berliner Behörden und NS-Institutionen initiiert wurde. Angesichts der Vorgeschichte verwundert es aber nicht, dass die Aktion des Jahres 1937 auf willfährige, ja begeisterte Zustimmung der lokalen Fremdenverkehrsinstitutionen traf.

Es begann im April 1937 mit einer Initiative des Reichsfremdenverkehrsausschusses. In einem vertraulichen Schreiben an die Landesverbände wollten die Berliner Funktionäre Einzelheiten über den jüdischen Tourismus in Deutschland in Erfahrung bringen: Von der Bettenkapazität bis zu den Übernachtungszahlen musste berichtet werden. Ein Beherbergungs- oder Gaststättenbetrieb galt dann als meldepflichtig, „wenn ein jüdischer Betriebsführer und jüdische Angestellte zur Bedienung der Gäste vorhanden sind.“ Auch „Zweifelsfälle und Grenzfälle“ mussten angegeben werden. Darüber hinaus wollte man wissen, ob es bereits ein „Judenverbot“ gab bzw. ob man „besondere Erfahrungen zur Regelung der Judenfrage“ gemacht habe. Das Bayerische Wirtschaftsministerium drängte in diesem Zusammenhang darauf, „Sonderregelungen für einzelne Gebiete nicht zu treffen“. Für die Behandlung der jüdischen Gäste in den deutschen Kur- und Fremdenverkehrsgemeinden wurde eine reichseinheitliche Verordnung angestrebt. „Unter allen Umständen“ sollten Einzelgänge vermieden werden. Ordnung musste sein! Quelle 11

 

 

 

Oben links:
"Führerstellvertreter" Rudolf Hess fordert, "darauf zu achten, dass nur solche Tafeln und Schilder angebracht werden, die ohne besondere Gehässigkeit zum Ausdruck bringen, dass Juden unerwünscht sind." (29.01.1936)

Oben rechts:

Der Reichsfremdenverkehrsausschuss teilt der Kurverwaltung Garmisch-Partenkirchen mit, "dass gegen die Aufstellung von Ortsschildern in Garmisch-Partenkirchen, die auf das Unerwünschtsein von Juden im Ort aufmerksam machen, keine Bedenken bestehen." (12.08.1937)

Unten rechts:

Hinter den fröhlichen Badegästen im Partenkirchner Kainzenbad wird über dem Wegweiser zum Eingang darauf hingewiesen "Juden haben keinen Zutritt". (1938)

 

Im Juli 1937 erreichte diese Aktion auch Garmisch-Partenkirchen. Das Verkehrsamt des Marktes wurde von NS-Kreisleiter Hausböck dazu aufgefordert, festzustellen „wie viele Nichtarier sich zur Zeit in Garmisch-Partenkirchen aufhalten und in welchen Hotels und Pensionen sie hauptsächlich Unterkunft gefunden haben.“ 12 Hotels, 13 Gasthöfe und 24 Pensionen wurden befragt. In diesen 49 Häusern waren 33 ausländische und deutsche Juden gemeldet. Das Ergebnis zeigt: Jüdische Gäste wagten sich kaum noch in den Olympiaort.

Ungeachtet dieser Zahlen erließ der „Reichsausschuss für Fremdenverkehr“ im August 1937 detaillierte Richtlinien für die Behandlung jüdischer Kurgäste: Zugelassen wurden sie nur noch in den wenigen Kur- und Beherbergungsbetrieben, die noch in jüdischem Besitz waren. „Deutschblütiges weibliches Personal unter 45 Jahren“ durfte in diesen Betrieben nicht arbeiten - die Nürnberger Gesetze waren damit auch im Tourismus angekommen. In Garmisch-Partenkirchen, wo es zu diesem Zeitpunkt keinen einzigen Betrieb mit jüdischen Eigentümern oder Pächtern gab, wurden die wenigen jüdischen Gäste durch Parkbänke mit der Aufschrift „Nur für Arier“ vom Besuch des Kurparks ausgeschlossen.

Im Herbst 1937 erinnerte man sich in einer ganzen Reihe von Gemeinden im Bezirk Garmisch und darüber hinaus an die antisemitischen Schilder und Tafeln, die in den vorolympischen Monaten für so viel Unruhe gesorgt hatten.

  • Der Kurbad- und Verkehrsverein Murnau wusste von diesen Tafeln mit der Aufschrift „Juden sind in Murnau nicht erwünscht“, die „mit Rücksicht auf die vielen Ausländer“ bis zum Beginn der Winterspiele verschwunden waren. Quelle 12

  • Der NS-Bürgermeister der Gemeinde Kohlgrub, Wilhelm Diehl, wollte vom Garmisch-Partenkirchner Kurdirektor Reitinger, zugleich „Beauftragten für den Kameradschaftskreis Werdenfels“, wissen, „ob die Schilder ‚Juden unerwünscht‘ wieder angebracht werden müssen“. Diehl hatte zur gleichen Zeit mit - wie er es nannte - „einer persönlichen dauernden Belehrung über die Judenfrage“ dafür gesorgt, dass „sämtliche Privatvermieter und Pensionen überhaupt keine Juden aufnehmen.“ Nur das Kohlgruber Kurhaus hatte sich seinen „Belehrungen“ entzogen.Quelle 13

  • In Oberammergau hing seit der Sommersaison 1937 am Eingang des Alpenbades im Kassenraum ein Schild mit der Aufschrift „Juden haben keinen Zutritt“. 12 Zentimeter waren die Buchstaben hoch. NS-Bürgermeister Raimund Lang hatte den Eindruck, „dass man nur auf solche Weise den Ort einigermaßen judenfrei halten kann.“ Das Oberammergauer Kurhaus „Osterbichl“ nannte sich „Judenfreies Haus“. Quelle 14

  • Das Verkehrsamt des Marktes Mittenwald versicherte in einem Schreiben an den Garmisch-Partenkirchner Kurdirektor Anton Reitinger, zugleich „Beauftragter für den Kameradschaftskreis Werdenfels“, man werde die Tafeln, die bis zur Olympiade mit der Aufschrift „Juden sind in Mittenwald unerwünscht“ in Bahnhofsnähe und an den Ortseingängen hingen, wieder anbringen. Die Methode, mit deren Hilfe das Verkehrsamt jüdische Gäste fernhielt, glich der des Kohlgruber Bürgermeisters. Die Vermieter wurden durch das Verkehrsamt „belehrt“: „In den meisten Fällen, in denen wir von der Vermietung an Juden erfahren haben, haben wir den Vermieter in geeigneter Weise auf seine staatsbürgerlichen Pflichten hingewiesen. In vielen Fällen hat dies genützt.“ Wenigstens einen unerschrockenen Hotelier, der sich von diesen „Belehrungen“ nicht beeindrucken ließ, gab es in Mittenwald. Er hieß Ehrhardt Erdt, war der Besitzer des Alpenhotels Erdt und nahm trotz aller Drohungen und Schikanen jüdische Gäste in seinem Haus auf.  Quelle 15

  • Der Markt Garmisch-Partenkirchen, dessen Kurdirektor Hans Reitinger die antisemitischen Aktionen im „Kameradenkreis Werdenfels“ federführend organisiert hatte, ließ sich im August 1937 vom „Reichsausschuss für Fremdenverkehr“ bestätigen, „dass gegen die Aufstellung von Ortsschildern in Garmisch-Partenkirchen, die auf das Unerwünschtsein von Juden im Orte aufmerksam machen, keine Bedenken bestehen.“ Kurze Zeit später wies NS-Kreisleiter Hausböck die Gemeinden seines Bezirks offiziell an, die antijüdischen Tafeln, die sein Amt zur Verfügung stellte, „an den Ortsein- und -ausgängen deutlich sichtbar anzubringen“.Quelle 16

 

Oben links:

"Judenabwehrschild" in der Nähe des Mittenwalder Bahnhofs

Oben mitte:

Einladungsplakat der NSDAP für eine Versammlung am 5. März 1938 in Linderhof mit dem Zusatz "Juden haben keinen Zutritt"

Oben rechts:

Urlauberfoto am Ortsschild des Marktes Garmisch-Partenkirchen mit einem "Judenabwehrschild"

Unten links:

Im Mittenwalder "Alpenhotel Erdt" wurden jüdische Gäste aufge-nommen

Unten rechts:

Das Oberammergauer "Kurhaus Osterbichl" nannte sich "Judenfreies Haus"

 

© Alois Schwarzmüller 2009