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IV. Olympische Winterspiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen Die Kehrseite der Medaille Eine Ausstellung im Olympia-Skistadion
Texte und Materialien für die Leseecke |
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13 Die internationale Boykottbewegung
Der Makkabi-Weltverband beschloss
im September 1935, kurz nachdem die sogenannten "Nürnberger Gesetze" verkündet
worden waren, nicht an den Olympischen Spielen 1936 teilzunehmen.
Von Boykott war namentlich
nicht die Rede, jedoch
hieß es in einem Schreiben an IOC-Präsident
Baillet-Latour: Olympische Spiele 1936 - Der jüdische Sport als Politikum - http://www.s-port.de/david/ns/hist_04.html
Die verschiedenen Befürworter eines Boykotts der Olympischen Spiele 1936 rekrutierten sich in Europa vorwiegend aus Kreisen der politischen Linken, der deutschsprachigen Emigration - vor allem in Amsterdam und Paris -, sowie der Katholiken und Juden. Keine dieser Gruppen hatte jemals die Chance, die Meinung nationaler Sportverbände oder gar der Nationalen Olympischen Komitees, geschweige denn des IOC positiv zugunsten einer politisch motivierten Absage der Olympiateilnahme zu beeinflussen. Olympische Spiele 1936 - Der jüdische Sport als Politikum - http://www.s-port.de/david/ns/hist_04.html
Die - vermutlich - einzige reelle Chance, die Durchführung der Olympischen Spiele von Garmisch-Partenkirchen und Berlin entscheidend zu beeinträchtigen oder sogar zum Scheitern zu bringen, ging von amerikanischem Boden aus. Seit Beginn des Jahres 1933 war der amerikanische Amateursport in zwei Lager gespalten. Der Konflikt konnte gedeihen, weil zwei der Spitzenfunktionäre des US-Sports entgegen der Erwartungen und 'Gepflogenheiten' sich als Befürworter des Olympiaboykotts herausstellten. Dies war, zum einen, mit Commodore Ernest Lee Jahncke das einzige IOC-Mitglied überhaupt, das einem Boykott zustimmte; zum anderen handelte es sich um Jeremiah T. Mahoney, den Präsidenten der AAU. Insbesondere Mahoney nahm die Berichte über die täglichen Ereignisse in Deutschland beim Wort und verhielt sich dementsprechend. Olympische Spiele 1936 - Der jüdische Sport als Politikum - http://www.s-port.de/david/ns/hist_04.html
21.11.1933 - Theodor Lewald an den Staatssekretär im Reichsministerium des Innern Pfundtner:
„Der von Herrn Halt und mir befürchtete Beschluss der
Amerikanischen Amateur Athletik Union, die, wie ich bemerke, nahezu alle
Sportzweige, die für die Olympischen Spiele in Betracht kommen,… umfasst, ist
nach Zeitungsberichten nunmehr erfolgt. Wir drei deutschen Mitglieder des
Internationalen Olympischen Komitees, Herzog Friedrich zu Mecklenburg, Dr.
Ritter von Halt und ich haben daraufhin an die Amerikanische Olympische
Association das in Abschrift beigefügte Telegramm gerichtet, damit Klarheit
darüber besteht, dass seit der Wiener Beschlussfassung in der Behandlung
jüdischer Sportsleute in Deutschland sich nichts geändert hat…. Bundesarchiv Potsdam - 70 Or 1 G 147
21.11.1933 - Theodor Lewald, der Herzog zu Mecklenburg und Ritter von Halt an die American Olympic Association (Telegramm): „Bezugnehmend auf den gestrigen Schluss der „Amerikanischen Amateur Athletik Union" erklären wir feierlich, dass das in Wien durch die Deutsche Regierung und das Deutsche Olympische Komitee abgegebene und von Garland und Sherrill als befriedigend angenommene Versprechen, betreffend Beteiligung der deutschen Juden an den Spielen, genau eingehalten werden wird, und dass seit Wien weder Regierung noch Olympisches Komitee irgend einen Erlass oder Befehl herausgegeben haben, der die deutschen jüdischen Wettkämpfer diskriminiert." Bundesarchiv - 70 Or 1 G 147
14.12.1933 - Aus dem Vortrag von Dr. Theodor Lewald, Präsident des Deutschen Olympischen Komitees, bei Reichskanzler Hitler, Innenminister Frick, Propagandaminister Goebbels, Staatssekretär Pfundtner und Reichssportführer von Tschammer und Osten: „Der Kanzler fragte mich, ob die Schwierigkeiten mit Amerika behoben seien. Ich bemerkte, dass, wenn die neueren Bestimmunen des Reichssportführers wegen der Trainingsmöglichkeiten für jüdische Sportler durchgeführt würden, ich keine Besorgnisse hege. Hieran knüpfte sich eine kurze Erörterung, die das Festhalten an der grundsätzlichen Auffassung nachdrücklich bestätigte…" Bundesarchiv - 70 Or 1 G 147
13.01.1934 - Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Graf Baillet-Latour, an Theodor Lewald:
„Glücklicherweise spielt hier (in Belgien), wie auch in
Frankreich und Italien, die Judenfrage keine Rolle. Die öffentliche Meinung
widersetzt sich zwar sehr einem sportlichen Ausschuss aus Gründen der
Rassenfrage, da ein solcher nicht mit der inbezug auf Religion, Sprache oder
politische Anschauung olympischen Neutralität in Einklang zu bringen wäre, aber
wir haben keine aktiven Elemente. In anderen Ländern, besonders in Amerika und
England, liegt die Sache anders… Bundesarchiv - 70 Or 1 G 147
1934 - Erklärung des Deutschen Olympischen Komitees im Einverständnis mit dem Reichsinnenministerium für die Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees in Athen 1934:
„1. „Deutschland wird die in Wien 1933 eingegangenen
Verpflichtungen, nicht arische deutsche Sportsleute bei entsprechender Leistung
in die deutsche Olympiamannschaft einzureihen selbstverständlich sorgfältig
beachten und allen hierfür aussichtsreichen Sportsleuten Gelegenheit zur
Vorbereitung geben. Bundesarchiv - 70 Or 1 G 147
18.05.1934 - Aus dem Sitzungsprotokoll des Internationalen Olympischen Komitees in Athen:
"Lord Aberdare:
Bedenken seines Komitees wegen der deutschen Juden. In politischer Hinsicht
seien Schwierigkeiten verstärkt, statt vermindert… Es seien Besorgnisse wegen
Demonstrationen gegen Juden bei Wettkämpfen im Stadion laut geworden. Bundesarchiv - 70 Or 1 G 147
Als 1934 der Präsident des AOC, Avery Brundage, seinen Kollegen im Ausschuss die amerikanische Olympiateilnahme mit der Begründung nahelegte, dass an den deutschen Zusicherungen von Wien und Athen nichts auszusetzen sei, entgegnete Jeremy T. Mahoney: ”The Nazis trampled upon the fundamental Olympic principles of fairness and equality” - und - ”that the U.S.’s absence from Berlin would prevent American athletes from sacrificing these principles and provide a clear message to the German population that its government’s policies were viewed with disdain”. Olympische Spiele 1936 - Der jüdische Sport als Politikum - http://www.s-port.de/david/ns/hist_04.html
1934 reiste Avery Brundage im Auftrag des American Olympic Committee nach Berlin. Er begegnete im Hotel Kaiserhof in Anwesenheit von Tschammer und Ostens Stellvertreter Arno Breitmeyer und Sigfrid Edström, Vizepräsident des IOC, drei Vertretern jüdischer Sportorganisationen in Deutschland, um sich über die Lage der jüdischen Sportler in Deutschland zu informieren. Robert Atlasz, einer der Beteiligten, erinnerte sich: „Mr. Brundage kam mit einem dicken Aktenpaket zu dieser Sitzung, in dem Berichte über alle möglichen Vorfälle enthalten waren, die sich in den früheren Monaten gegen jüdische Sportler und Organisationen ereignet hatten. Und seine Fragen waren zum Teil recht gut fundiert. ... Unsere Vertreter konnten verschiedene Fragen und Tatsachen nicht frei und wahrheitsgemäß beantworten, da sie die scharfe Einstellung von Breitmeyer kannten. Wir mussten zugeben, dass man uns einen allgemeinen Sportbetrieb interner Art erlaubte, trotz mancher Zwischenfälle und Schikanen, aber das Wesentlichste der ganzen Unterredung, die deutlich Brundages Absichten und seine Einstellung charakterisierten, war seine Frage an uns: 'Können Juden Mitglieder in einem deutschen Sportverein sein?' (Und dies, nachdem ihm das ganze Material in seinem Aktenstück bekannt war). Als unsere Vertreter und der Naziführer das verneinten, sagte Brundage ganz trocken: 'In my club in Chicago Jews are not permitted either'. Dies zeigte uns ganz klar, in welche Richtung er steuerte.” Olympische Spiele 1936 - Der jüdische Sport als Politikum - http://www.s-port.de/david/ns/hist_04.html
24.08.1935 - Aufzeichnung über den Empfang des amerikanischen Botschafters a.D. Charles H. Sherrill durch Hitler in München:
„Sherrill kam dann auf die Judenfrage zu sprechen. Für Amerika
sei sie ein sehr ernstes Problem. Von den 5 Millionen Juden, die in den
Vereinigten Staaten lebten, seien im Staats New York allein 2 ½ Millionen
gegenüber einer Gesamtbevölkerung von ungefähr 7 Millionen ansässig… Bundesarchiv Potsdam - 70 Or 1 G 147
01.09.1935 - Bayerische Politische Polizei an alle Polizeidirektionen:
„Nach Mitteilung des Herrn Reichssportführers ist die den jüdischen
Sportorganisationen zur Vorbereitung der Teilnahme an der Olympiade 1936
zugesicherte Sportausübung und Austragung von Wettkämpfen in Bayern dadurch
behindert, dass dort der Reichsausschuss jüdischer Sportverbände nicht anerkannt
und lediglich der Landesausschuss jüdischer Sportverbände für Bayern zuglassen
ist, in dem Assimilanten und Zionisten zusammengefasst ist… Bundesarchiv - 70 Or 1 G 147
20.10.1935 - Der Präsident der amerikanischen Amateur Athletic Union (AAU), der Richter am Obersten New Yorker Gericht Jeremiah T. Mahoney, begründet am 20. Oktober 1935 in einem sehr persönlichen Brief an Theodor Lewald, den Vorsitzenden des Deutschen Olympischen Ausschusses, warum der größte Sportbund der USA die Teilnahme an den Olympischen Spiele 1936 in Deutschland ablehnt:
"Sehr geehrter Herr Lewald! Ihre unglückliche Position als nomineller
Vorsitzender des Deutschen Olympischen Ausschusses zwingt mich, Ihre kürzlichen
entschuldigenden Auslassungen über den Sport in Deutschland und die Teilnahme
Amerikas an den Olympischen Spielen unter die Lupe zu nehmen. Ich tue das mit
um so größerem Bedauern, als ich Sie einst als einen Sportsmann angesehen habe,
der sich den besten Überlieferungen und den höchsten Idealen des Sports
widmete, und weil ich weiß, wie schwierig Ihre Lage als Mitglied der großen
Gruppe nicht-arischer Christen ist, die ihre Regierung in barbarischer Weise und
zusammen mit den Juden zu dem Stand von Parias in ihrem Heimatland
herabgedrückt hat. Bundesarchiv - 70 Or 1 G 147
14.12.1935 - Schweizer Olympisches Komitee an Ritter von Halt: „Sicherlich wissen Sie dass man hier in der Schweiz jeden Tag Propagandamaterial gegen die Feier der Olympischen Spiele in Garmisch-Partenkirchen und Berlin erhält. Ich bemühe mich meinerseits sehr um die Wirkung dieser Propaganda in der Schweiz zu ersticken…“ Bundesarchiv - 70 Or 1 G 147
Dezember 1935: Auf der Jahreshauptversammlung der amerikanischen "Amateur Athletic Union" über die Olympiateilnahme der USA entschieden. Als Avery Brundage, der Vorsitzende des amerikanischen NOK und entschiedener Befürworter einer Teilnahme, "sah, daß er die Abstimmung verlieren würde, verzögerte er mit Geschäftsordnungstricks die Entscheidung um einen Tag. Über Nacht zitierte er per Telegramm weitere, ihm gewogene stimmberechtigte Delegierte ... herbei". Die Befürworter setzten sich mit 58:56 Stimmen durch. Arndt Krüger, Die Olympischen Spiele 1936 und die Weltmeinung (München 1975) S. 71
30.12.1935 - Botschafter a.D. Charles H. Sherrill an Generalsekretär le Fort mit der dringenden Bitte, „alle antijüdischen Tafeln in Garmisch-Partenkirchen entfernen zu lassen, ehe die amerikanische Mannschaft dort eintrifft. Sollte dies nicht geschehen. So ist ernstlich damit zu rechnen, dass viele der amerikanischen Mannschaft sofort wieder abreisen und dann auch nicht nach Berlin kommen werden. Berlin wird dafür Garmisch die Schuld geben.“ Bundesarchiv - 70 Or 1 G 147
21.01.1936 - Anweisung der Bayerischen Politischen Polizei: „Juden als Hotel-, Gaststätten- oder Pensionsinhaber dürfen die deutsche Flagge nicht zeigen…“ Staatsarchiv München - LRA 61971
27.01.1936 - Bayerische Politische Polizei an das Bezirksamt Garmisch: „Überwachung der Ausländer während der Winterolympiade 1936: Nach einer im Auszug wiedergegebenen Meldung sollen sich in einer amerikanischen Stadt Mitglieder des „Comitee on fair play in sports", des sogenannten deutschen Kulturverbandes getroffen haben… Es soll vereinbart worden sein, die Boykotthetze-Ausschüsse nach Möglichkeit weiter bestehen zu lassen. Im Laufe der Besprechung soll ferner die Bemerkung gefallen sein: „Wir müssen hoffen, dass während der Winterolympiade ein Zwischenfall passiert, der gegen Deutschland ausgewertet werden kann. Zweckmäßig wäre, wenn in den bayerischen Alpen ein amerikanischer Sportler erdolcht aufgefunden worden wäre."" Staatsarchiv München - LRA 61939
29.01.1936 - Rudolf Heß an die NS-Gauleiter: „Ich bitte darauf zu achten, dass nur solche Tafeln und Schilder angebracht werden, die ohne besondere Gehässigkeit zum Ausdruck bringen, dass Juden unerwünscht sind…“ Bundesarchiv Potsdam - 70 Or 1 G 27
06.02.1936 - Deutsches Nachrichtenbüro: „Die ‚Morning Post‘ veröffentlichte einen unfreundlichen Bericht aus Garmisch-Partenkirchen über die Eröffnung der Winterspiele. Die Naziregierung habe einige der Unannehmlichkeiten des Dritten Reiches beseitigt. Garmisch-Partenkirchen sei offiziell frei von allen antisemitischen Zeichen, von den Stürmer-Kästen usw. befreit worden. Auf den Straßen von München nach Nürnberg und nach Augsburg sehe man jedoch immer noch viele der judenfeindlichen Schlagworte…“ Bundesarchiv - 70 Or 1 G 27
Jüdische Sportler reagierten auf die Diskriminierung - nicht nur durch Boykott, sondern auch durch eigene Wettbewerbe: 1936 fanden in der slowakischen Stadt Banska Bystrica am Fuße der Niederen Tatra die „II. Maccabi-Winterspiele“ statt - als erste Internationale Jüdische Olympische Winterspiele und zugleich als Alternative zu den Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen. Wettkämpfer aus 15 Ländern nahmen daran teil.
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