1936 - Anmerkungen zu den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen

 

 

 

 

 

„.. den Ring der Gräuelpropaganda sprengen…“ –

Die Winterspiele 1936 als Instrument der NS-Propaganda

 

Aus den Deutschlandberichten der Sopade:

„Der nachfolgende Bericht schildert besonders anschaulich den Propagandarummel, den die Nationalsozialisten mit der Winterolympiade entfaltet hatten.

München, die „Hauptstadt der Bewegung“ stand den ganzen Monat Januar im Zeichen der be­vorstehenden Winterolympiade in Garmisch-Partenkirchen.  Plakate  in den Schaufenstern und Straßenbahnwagen, Transparente über den Straßen, Ankündigungen der Reichsbahn über billige Sonderzüge. Reportagen in den Zeitungen, belegt  mit Photos über die zu erwartenden ausländischen Mannschaften, waren das äußere Bild. Das ganze Um und Auf der Werbung konnte den Eindruck erwecken, als wenn die ganze Welt teilhabe an dieser internationalen Veranstaltung und niemals Differenzen bestanden hatten zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland als Gastland und dem an der Olympiade teilnehmenden übrigen Ausland. Die im Vorjahr auch der großen Masse fühlbare Isolierung schien aufgehoben zu sein durch den inter­nationalen Charakter der Veranstaltung. Überall wurde diskutiert, hauptsächlich von jüngeren Leuten der Mittelschichten über die Erfolg­saussichten der ausländischen und der heimischen Kämpfer und die früher so oft gehörten gehässigen Bemerkungen über die Franzosen und die falschen Italiener wichen sportlichen Wertungen dieser Mannschaf­ten. Der Großteil der Bevöl­kerung aber, die Arbeiter vor allem, zeigte sich desinteressiert an dieser Veranstaltung und man konnte nicht selten den Ausspruch hören: „Nichts wie Olympiade, was wird dies wieder für Unmasse Geld kosten."

Kraft durch Freude rüstete sich für die Sonderfahrten nach Gar­misch, die alle ausverkauft wa­ren wegen der billigen Fahrtgelegenheit. Im Fahrpreis von 4,70 Mk. war inbegriffen die Ein­trittskarte für das Eisstadion und das Mittagessen. Nicht das sportliche Ereignis war der Hauptanlass dieser starken Beteiligung, sondern mehr die günstige Gelegenheit, einen äußerst billigen Sonntagsausflug machen zu können. Die von der KdF erbaute Festhalle in Garmisch, in der allabendlich bayerisches Volkstum gezeigt wurde, kam mehr den interessierten Auslän­dern zugute als den KdF-Fahrern, die mehr oder weniger nur die Staffage für die Gesamtver­anstaltung bildeten. Das Eisstadion war täglich ausverkauft und es wurden sehr hohe Über­preise bezahlt. Die Bonzokratie und die Schwerverdiener des neuen Deutschlands waren dort zu sehen. Dauerkarten für alle Veranstaltungen der Olympiade kosteten 170,- Mk. Welcher Arbeiter oder Angestellte konnte sich eine solche Ausgabe leisten? Wohl waren bei der Abschlussfeier 10 000 herbeigekommen, die alle mehr oder weniger begeistert von der Aufma­chung des ganzen Abends nach Hause fuhren.

In der Öffentlichkeit hört man sehr viel über die ungeheuren Kosten der Organisation (besonders Umbauten der Reichsbahn, Sendeanlagen usw.), die die Gesamtheit als Steuer­zahler zu tragen hat. Nicht ver­schweigen darf man das große Interesse der Jugend, auch aus Arbeiterkreisen. Arbeitersportler, mit denen ich sprach, erklärten mir auf mei­nen Einwand, ob man nicht doch die Olympiade boykottieren sollte, dies wäre nicht möglich, da in diesem Falle das sportliche Interesse weit über das politische gehe.“

Aus: Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade) 1934-1940 - Dritter Jahrgang 1936 - (Frankfurt am Main 1980) S. 163 f.

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006