1936 - Anmerkungen zu den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen

 

 

 

 

 

"Behandlung jüdischer Sportsleute in Deutschland" - Die Boykottbewegung

 

29.08.1934

Schreiben an Oberregierungsrat Dr. Mahlo im Reichspropagandaministerium

„Ich möchte Ihnen zur Kenntnis geben, dass dieser Tage ein Vertreter von Griebens Reiseführer bei mir weilte, der verschiedene Angaben über die Olympia-Sport-Anlagen haben wollte. Ich halte es nicht für zweckmäßig, dass Grieben einen Juden, Herrn Marcuse, mit solchen Aufgaben betraut."

Bundesarchiv Potsdam - 70 Or 1 G 147

 

14.05.1935

Ritter von Halt, Präsident des Organisationskomitees für die Olympischen Winterspiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen an Oberregierungsrat Ritter von Lex, Reichsministerium des Innern, und im gleichen Wortlaut an Staatssekretär Pfundtner

„Mein lieber Lex, da in einer der letzten Sitzungen des Organisations-Komitees für die Olympischen Winterspiele sowohl der Staatssekretär Pfundtner wie der Herr Reichssportführer zum Ausdruck gebracht haben, nichts mehr über die Judenfrage im Hinblick auf die Olympischen Spiele hören zu wollen, sehe ich mich veranlasst, Dir, lieber Lex, heute zu schreiben und Dir meine Sorgen mitzuteilen…

Mit wachsender Sorge beobachte ich in Garmisch-Partenkirchen und Umgebung eine planmäßig einsetzende antisemitische Propaganda. Wenn sie bis vor wenigen Monaten geschlummert hat und nur hin und wieder in Reden zum Durchbruch gekommen ist, so wird jetzt systematisch dazu übergegangen, die Juden in Garmisch-Partenkirchen zu vertreiben. Am 1. Mai hat der Kreisleiter Hartmann in seiner Rede dazu aufgefordert, alles Jüdische aus Garmisch-Partenkirchen zu entfernen. Ich war selbst Zeuge, wie derselbe Kreisleiter einen anscheinend jüdischen Gast aus der Garmischer Post entfernt hat. Ich sehe seit vergangenem Samstag an allen möglichen Stellen in Garmisch-Partenkirchen und vor allem auf der gesamten Landstraße von München nach Garmisch-Partenkirchen große Tafeln angebracht mit Inschrift "Juden sind hier unerwünscht". Der Leiter der Deutschen Arbeitsfront in Garmisch hat in einer Hotelier-Versammlung zum Ausdruck gebracht, dass jeder Gaststättenbesitzer aus der Partei ausgeschlossen würde, der einen Juden als Gast aufnehme. Sofern er nicht Parteigenosse wäre, würde mit anderen Mitteln gegen ihn vorgegangen werden.

Ich könnte diese Beispiele durch eine Unzahl von Episoden vervollständigen, die sich in G.-P. ereignet haben. Dabei scheint man zu vergessen, dass G.-P. 1936 der Schauplatz der Olympischen Winterspiele sein soll. Alle Nationen sind eingeladen und alle haben zugesagt. Exzellenz Lewald und ich einerseits und der Reichssportführer andererseits haben unter ausdrücklicher Billigung des Reichsinnenministeriums dem Internationalen Olympischen Komitee und verschiedenen Führern nationaler ausländischer Verbände (ich erinnere an die schriftlichen Zusagen, die Brundage gegeben wurden) das Versprechen gegeben, dass alles vermieden wird, was zu einer Störung anlässlich einer evtl. Teilnahme von jüdischen Sportlern anderer Nationen führen könnte.

Wenn die Propaganda in dieser Form weitergeführt wird, dann wird die Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen so aufgeputscht sein, dass sie wahllos jeden jüdisch Aussehenden angreift und verletzt. Dabei kann es passieren, dass Ausländer, die jüdisch aussehen und gar keine Juden sind, beleidigt werden. Es kann passieren, dass ein jüdisch aussehender Auslandspressevertreter angegriffen wird und dann sind die schlimmsten Konsequenzen zu befürchten. Das Olympia-Verkehrsamt weiß heute schon nicht mehr, wie es die Unterbringung vornehmen soll, wenn es sich um nichtarische Athleten handelt.

Wenn in Ga.-Pa. die geringste Störung passiert, dann – darüber sind wir uns doch alle im klaren – können die Olympischen Spiel in Berlin nicht durchgeführt werden, da alle Nationen ihre Meldung zurückziehen werden. Diesen Standpunkt haben mir gestern die Nationen, die bei der internationalen Tagung in Brüssel anwesend waren, eindeutig zum Ausdruck gebracht. Für uns Deutsche wäre das ein ungeheurer Prestigeverlust und der Führer würde die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen und ihnen eine verdiente Strafe erteilen, da sie nicht rechtzeitig auf die Konsequenzen der Tagung aufmerksam gemacht haben.

Herr Generaldirektor Döhlemann … empfindet mit mir die Zuspitzung, welche die Verhältnisse in obigem Zusammenhang genommen haben und die ohnedies bestehenden Schwierigkeiten noch erheblich vermehren. Herr Döhlemann hat sich infolgedessen veranlasst gesehen, Herrn Staatsminister Adolf Wagner in seiner Eigenschaft als Gauleiter von München-Oberbayern heute auf die Gefahren aufmerksam zu machen, welche zu befürchten sind…

Herr Staatsminister Wagner hat ... die Erklärung abgegeben, dass er sofort Weisung geben wird, dass in der Judenfrage im Garmisch-Partenkirchner Gebiet und seinem Umkreis auf die Abmachung des Reiches mit dem IOC Rücksichten zu nehmen sind.

Lieber Lex, Du kennst meine Auffassung, Du weißt auch ganz genau, dass ich diese meine Sorgen Dir nicht deshalb äußere, um den Juden zu helfen, es handelt sich ausschließlich um die olympische Idee und um die olympischen Spiele, denen ich seit Jahren meine ganze freie Zeit ehrenamtlich opfere."

Bundesarchiv Potsdam - 70 Or 1 G 147 - L 382846

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006