1936 - Anmerkungen zu den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen

 

 

 

 

 

Chronik der Bewerbung

 

Text 31

18.01.1933

Bezirksamtmann Carl von Merz an Staatsrat Fritz Schäffer

„…Eine Rücksprache, die ich aus Anlass Ihres gestern erhaltenen Briefes mit einem der ruhigsten und sachlichsten Herren von der Spitze in Garmisch hatte, gab mir außerdem sehr erwünschte weitere Einblick hinter die Kulissen.

Richtig ist, dass die Herren Ostler und Döllgast, ganz besonders der erstere – Herr Döllgast ist überhaupt weit ruhiger, sachlicher und weniger impulsiv , nach der Audienz, die sie vor 14 Tagen bei Euer Hochwohlgeboren hatten, sehr niedergeschlagen und unbefriedigt zurückgekommen sind…

Als von den Herren Lewald, Diem und v. Halt in der ersten spontanen Begeisterung Garmisch-Partenkirchen als Ort der olympischen Spiele 1936 erkürt worden war, wurde hier ein fürs erste vorbereitender engerer Ausschuss gebildet, dem die 2 Bürgermeister von Garmisch und Partenkirchen und ich angehören. Wir warteten das Ergebnis der Sitzung des deutschen olympischen Komitees am 11. November ab, das nicht ganz im Sinne und nach den Hoffnungen der hiesigen Kreise ausfiel… Ein gewisser Schrecken über die in dieser Sitzung vom 11. November geforderte Besichtigung auch der hiesigen Sportanlagen durch ein aus aktiven Sportlern zusammengesetzte Kommission führte aber bei allen hiesigen Fachleuten und den 2 Gemeinden zu der Gewissheit, dass bis zum Kommen der Kommmission die Anlagen gut ausgebaut sein müssten, da die Kommission sonst einen sehr wertvollen Trumpf gegen Garmisch-Partenkirchen in die Hand bekäme. Der schwächste Punkt hier ist dabei die Bob-Anlage, deren Ausbau auch unmittelbar darauf vom einschlägigen Sportklub beschlossen wurde, wobei es für die einheimischen Kreise selbstverständlich war, dass die Gemeinde die Kosten tragen müsse. Diese Kosten waren zunächst mit rund 20.000 RM veranschlagt, sie gehen aber nahe an das doppelte heran…

In dieser Zeit begann die Geldfrage für die so unversehens hereingebrochenen Arbeiten an den Sportanlagen für die Gemeinde eine besondere Sorge zu werden…Immerhin wurde ich , besonders von Garmisch aus, gedrängt, auf irgend eine außerordentliche Beschaffung von Geld für die Sache mithinzuwirken und so kam es dazu, dass ich mich entschloss, mit den 2 Bürgermeistern an einem uns von Direktor Doehlemann, dem besonderen finanziellen Betreuer von Partenkirchen, bestimmten Tag nach München zu fahren, um uns bei ihm unverbindlich Rat zu holen… Fest und steif glaubten die 2 Herren Bürgermeister, besonders wieder Ostler, dass der Staat in der Lage sein müsste, einen Zuschuss von 20 oder 25.000 RM irgendwo flüssig zu machen für den außerordentlichen Anlass, der hier vorliege. Mir persönlich war ja von Anfang an klar, wie schwer es halten würde, einen solchen Zuschuss zu erreichen. Hier in Garmisch-Partenkirchen liefen aber damals Gerüchte um, dass Herr Staatsrat bei der letzten Wahlversammlung Anfang November hier am Biertisch die Hergabe eines beträchtlichen Zuschusses garantiert hätten…Als sich nichts rührte, wurde gebieterisch eine neue Audienz bei Ihnen, sehr geehrter Herr Staatsrat, verlangt. Ich sollte unbedingt dabei sein. Ich hielt es aber nicht für erforderlich und nicht für ganz tunlich, wieder dabei zu sein; glaubte ich doch, dass die beiden Herren Bürgermeister vielleicht noch freier von der Leber weg sprechen, wenn sie ohne mich seien….

Nun scheinen mir die beiden Herren in der Besprechung bei Herrn Staatsrat, besonders vielleicht Ostler, die Dinge etwas zu grobschlächtig und zu verzeichnet vorgebracht zu haben. Ich entnehme dies daraus, dass ich fast noch in der Stunde der Audienz von Ministerialrat Kollmann antelefoniert wurde und so etwas wie eine Rüge bekam, dass ich etwas staatsaufsichtlich zugelassen hätte, was ich nicht durfte… Tatsächlich hat die Gemeinde Garmisch die rund 40.000 RM auch ohne Inanspruchnahme staatsaufsichtlicher Genehmigung flüssig gemacht bzw. bereit gestellt.

An Tage nach der Audienz hörte ich von Bürgermeister Ostler, wie negativ der Besuch ausgefallen sei, wie wenig entgegenkommend Herr Staatsrat gewesen sei und dass Herr Staatsrat überhaupt nichts gewusst hätten; alles schon ein wenig in dem Sinne, als ob Herr Staatsrat sich nicht genügend um die Sache annähme…

Tatsache ist nun, dass vor wenigen Tagen in einer von mir veranlassten Abendbesprechung in ganz kleinem Kreise über den Stand der Vorarbeiten für die Spiele 1936 auch wieder von dieser misslungenen Audienz gesprochen wurde und davon, dass der Staat für die Sache kein Geld übrig habe. Es wurde die Meinung geäußert, Herr Staatsrat könnte beleidigt gewesen sein, dass wir nicht von Anfang an zu Ihnen als der einzig wirklich maßgebenden Stelle gegangen seien…

Hinten herum habe ich aber erfahren, dass namentlich von Garmischer Seite her alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, die Staatsregierung und das Parlament aktiver für das Interesse von Garmisch-Partenkirchen an den olympischen Winterspielen 1936 einzuspannen. Mir sind 3 oder 4 Abgeordnete genannt worden, mit denen man sich von hier aus unmittelbar in Verbindung gesetzt und die man wahrscheinlich auf Sie, sehr geehrter Herr Staatsrat, losgelassen hat. Selbst der der SPD angehörige Stadtrat Schilling, der öfter hier weilt, ohne sich eines übertrieben großen Ansehens zu erfreuen, wurde eingespannt. All diese Treibereien sind m.E. Auswirkungen der sogen. „Marktplatz-Politik" in Garmisch. Darunter versteht man und verstehe ich das enge Zusammenspiel zwischen dem Besitzer des Hotel Post in Garmisch, Gewerberat Clausing und dem von Clausing weitgehend gegängelten Bürgermeister Ostler. Ich glaube bestimmt, dass sehr viel von den Treibereien und von der Hetzerei darauf zurückgeht. Noch eines ist mir erst seit gestern klar geworden. Ich wusste bis gestern nicht, dass Bürgermeister Ostler mit dem Gedanken eines Landtagsabgeordneten für den hiesigen Bezirk gespielt hat…

Ich bitte, aus meinen selbstverständlich vertraulich gemachten Darlegungen zu verstehen, warum ich Euer Hochwohlgeboren immer wieder einen Besuch und eine Aussprache hier an Ort und Stelle in Kreisen Ihres besonderen Vertrauens nahelegen wollte… Ich bedauere, dass es mir infolge der Notwendigkeit, mich geldlich auf das alleräußerste beschränken zu müssen, nicht mehr so wie früher möglich ist, unter Menschen zu kommen und herum zu hören. Ich war früher viel mehr in der Lage, in die Bevölkerung hineinzuhorchen…"

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61936

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006