Alois Schwarzmüller
Beiträge zur Geschichte des Marktes Garmisch-Partenkirchen im 20. Jahrhundert

 

 

 

 

 

"Berge, Feuer, Fahnen" - HJ in Garmisch-Partenkirchen

 

Mit der HJ für den "Führer"

 

Propaganda ist für jedwede Diktatur der "Saft des Lebens" - der "Führer" wird verherrlicht, die "Volksgemeinschaft" besungen, die "Stärke" nach außen beschworen. in Garmisch-Partenkirchen war das nicht anders. Hier bedienten die Nazis sich ganz eigener, lokaler Bilder. So spielten die Berge eine ganz besonders wichtige Rolle und die Tracht stand nicht selten im Mittelpunkt derartiger Kundgebungen.

Ein ausdrucksvoll choreografierter Auftritt einer HJ-Kapelle auf dem Wank zeigt das ebenso wie der Einsatz Garmisch-Partenkirchner "Pimpfe" in Tracht während einer  Zusammenkunft vor dem "Deutschen Haus des Sports" in Berlin 1938.

HJ auf der Zugspitze 1937 - HJ-Bann 326
Foto Lorenz Sonderer (Murnau)

HJ-Bläser auf der Zugspitze - HJ-Bann 326
Foto Lorenz Sonderer (Murnau)

Garmischer Pimpfe vor dem Deutschen Haus des Sports in Berlin - Foto HJ-Zeitung 1938 Bannpressestelle

Eine zentrale Rolle spielte natürlich das politische Plakat für die Propaganda, mit dessen Einsatz in bunten Farben für "Führer, Volk und Vaterland" geworben wurde. Der "Marsch zum Führer" setzte einen strahlenden jungen Helden in den Mittelpunkt des Plakats für einen NS-Parteitag in Nürnberg. Und Liederbücher dienten als Sammlung schmissiger Texte wie

Das HJ-Liederbuch "Uns geht die Sonne nicht unter" - erschien 1934 in Köln .

HJ-Plakat "Der Marsch zum Führer" - Parteitag 1935 - Im Hintergrund die Burg von Nürnberg

1934 wurde sogar ein „Scheiterhaufen auch für die Musik“ gefordert, vergleichbar mit der Bücherverbrennung 1933 - zudem wurde der Begriff „Kampfgenosse Musik“ erfunden.  Schritt für Schritt wurde die gesamte Kultur „als Kampfmittel und Waffe im Ringen um die deutsche Seele“ entdeckt, das Singen von Liedern galt als „besonderes Kennzeichen der nationalsozialistischen Bewegung“. Die „HJ-Singschule“ sah die Hauptaufgabe des Liedersingens in der „Durchdringung der politischen Gegenwart." Vorbei war es mit dem individuellen, vogelfreien Vergnügen des Singens. An seiner Stelle wurde das Absingen vorgegebener Lieder erzwungen. Sie galten als eines der wichtigsten Mittel weltanschaulicher und vormilitärischen Schulung. Das war zwar den Jugendlichen nicht immer bewusst, diente aber dem schleichenden Transport politischer Grundeinstellungen und unterstützte die Begeisterung. Kampfbereitschaft und Wehrhaftigkeit waren starke Motive vieler HJ-Lieder, denn mit dem alten Volkslied und dem modernen Schlager war für die Absichten der HJ nichts zu erreichen. Mit Kampf und weltanschaulicher Geschlossenheit sollte das neue Lied Gemeinschaft erzeugen. Zum neuen Liedgut des NS-Staates gehörte natürlich auch ein "rassereines" Repertoire.

Während im BdM die Mädchen und jungen Frauen noch mit Wiegen- und Kinderliedern auf ihre Rollen als Ehefrauen und Mütter ("Soldaten für den Führer") vorbereitet wurden, stand bei Jungvolk und HJ die konkrete Wehrerziehung im Mittelpunkt mit Geländeübung und Marschtritt. Von den 162 Liedern des offiziellen Hitlerjugend-Liederbuchs wiesen 72 Stücke ein kriegerisches Tötungsmotiv und mehr als 70 glorifizierten den Heldentod.

Propagandamärsche der Werdenfelser HJ

Was hält die HJ-Jugend zusammen? Gemeinschaftlicher Gesang im dauerhaften Marschtritt ohne jeden Zweifel. Das Propagandalied, die Fanfaren, die das lauteste Lied der HJ schmetternd begleiteten: "Uns´re Fahne flattert uns voran ... " - Text von Reichsjugendführer Baldur von Schirach, komponiert von Hans Otto Borgmann.

Hitler und Schirach hatten von der Bedeutung des gemeinschaftlichen Singens für die Idee des Nationalsozialismus ganz eigene Begriffe. Adolf Hitler legte den Schwerpunkt auf die Wirkung innerhalb und außerhalb Deutschlands: "Unsere Lieder sind der Ausdruck jener schöpferischen Kraft nicht nur innerhalb des Reiches, sondern weit darüber hinaus. Sie werden mit einer gläubigen Inbrunst  gesungen, denn in ihnen lebt die Hoffnung und die Sehnsucht aller Deutschen."  Baldur von Schirach nannte diese Lieder den "Ausdruck jener schöpferischen Kraft, die unserer Nation das Recht gibt, auf ihre Jugend stolz zu sein."

Beide wussten um die Wirkung dieser Lieder, dass sie dem Führerkult dienten, der Lebensraumideologie, dem antisemitischen Rassismus und Sozialdarwinismus mit seiner Rangordnung von Rassen und Völkern. Viele dieser Lieder waren den Nationalsozialisten ein willkommenes Indoktrinationsmittel für die Massen - bis hin zur Vergöttlichung Hitlers. Im Singen fühlten die Jugendlichen sich vereint – und sie waren es. Wenn die Jungen von der HJ oder die Mädchen vom BdM am Lagerfeuer saßen, dann sangen sie, wenn sie so genannte Heimabende hatten, dann sangen sie ihre rassistischen und antisemitischen Lieder - in der Masse ohne schlechtes Gewissen.

Carola Stern (Jahrgang 1925, Journalistin und Autorin) blickte auf ihre Jugendzeit zurück: Die NS-Zeit, während der sie eine überzeugte BdM-Führerin war, stellt sich in ihrer Erinnerung als regelrechte „Singediktatur“ dar: „Es wurde ständig gesungen. Beim Ummarsch im Dorf, im Zeltlager, beim Lagerfeuer, bei Morgenfeiern.“

 

"Es dröhnet der Marsch der Kolonne
Der Tambour schlägt das Fell
Es leuchtet vor uns die Sonne
Sie leuchtet so klar und so hell
Und keiner ist da, der feige verzagt
Der müde nach dem Weg uns fragt
Den uns der Trommler schlägt"

Text und Musik:
Herbert
Napiersky (1904-1987)

 

Herbert Napiersky war ab 1938 Lehrer am Helene-Lange-Gymnasium Düsseldorf, wo er nach erfolgter „Ent-Nazifizierung“ und der Umbenennung der Schule in das Geschwister-Scholl-Gymnasium (!)  bis 1978 Lehrer für Musik, Deutsch und Englisch war. Die Schulleitung hielt es nicht für nötig, die Tätigkeit von „Nappes“ , so sein Spitzname, als Verfasser von NS-Propagandaliedern zu thematisieren. Die Schulleitung hatte 2016 auch keine Probleme damit, der AFD die Schule für ihren Parteitag zur Verfügung zu stellen!  Herbert Napiersky  war nicht Hans Baumann, aber sein Lied von dröhnendem Marsch der Kolonne findet sich in unzähligen Liederbüchern des „Dritten Reichs“ – und danach – , so z.B. in:

Junge gefolgschaft, 2. folge, (1936)  — Die Silberlanze – neue jungenlieder (1934) — Werkleute singen (1939) — Sturm und Kampflieder (1941) — Uns geht die Sonne nicht unter (1936) — Liederbuch der NSDAP (1938) — Die weiße Trommel (1933) — Unser Liederbuch – Lieder der HJ (1939) — Deutsche Volkslieder (1943) — Lieder für die Landjugend (1936) — Das neue Soldatenliederbuch, Heft 3 — Liederbuch der NSDAP (1936) — Singend wollen wir marschieren – Liederbuch des RAD — SS Liederbuch, 9. Auflage — Lied über Deutschland (1936) — Lieder unseres Volkes (1938) — Junge Gefolgschaft, 2. Folge (1936) — Soldaten singen — Die Garbe – aus der Ernte deutscher Volkslieder (1941) — Lobet das Land – 2. Teil (1940) — Nerother Liederschatz, Band 3 (2000) — Die Singstunde — Horch auf, Kamerad – neue marschlieder — Morgen marschieren wir (1941) — Liederbuch der fränkischen Hitler-Jugend — Kameradschaft im Lied – Chorbuch für Front und Heimat (1944) — Singend wollen wir marschieren — Kunterbunte Akkordeon-Musik in der Tasche — Lieder des Volkes  — Erbe und Aussaat (1936) — Uns geht die sonne nicht unter (1934) — Liederbuch für Volksschulen – Ernte und Aussaat – teil 2 oberstufe (1940) — Liederbuch für den Deutschen Wanderer (1941) — Liederblatt der Hitlerjugend — Bremer Liederbuch, teil 2 – Mttelstufe (1938) — Unser Kriegs-liederbuch — Musikbuch für die Jugend im Elsaß – 2. teil (1942) — Der helle klang — Liederbuch für die Mittelschule (1942) — Wulibu – stamm graf luckner, dpb mosaik (2002) — Liederbuch für Volksschulen – Westmark (Pfalz und Lothringen) (1942) — Liederbuch für das Genzland Schleswig (1939) — Unser Lied, teil 2 – Zum Singen und Spielen für die Jugend  — Liederbuch der Fallschirmjäger (2009) — Fahrten- und Feierlieder 2 (2007) — Sonnenlauf ll – In Lied und Spruch (1941) — Junge Gefolgschaft – Gesamtband, (1937) — Morgen marschieren wir – Liederbuch der deutschen Soldaten (1939) — Lliederblatt der Hitlerjugend 1. jahresband (1935) — Die Singstunde (heft 1-100) (1937) — Unsere Lieder (1938) — Musikblätter der Hitlerjugend — Frisch gesungen im neuen Deutschland (1936) — Wandervogel-Liederbuch (2007) — Lieder, die wir einst sangen (1976) —

 

Aus: https://www.volksliederarchiv.de/lexikon/napiersky/

 

© Alois Schwarzmüller 2018