Alois Schwarzmüller
Beiträge zur Geschichte des Marktes Garmisch-Partenkirchen im 20. Jahrhundert

 

 

 

 

"Berge, Feuer, Fahnen" - HJ in Garmisch-Partenkirchen

 

HJ und Schule – „Stählung des Charakters“ 

 

Schulen waren für die Nationalsozialisten und vor allem für die HJ von besonderem Wert bei der „Unterwerfung“ von Kindern und Jugendlichen. Im ersten Jahr nach der Machtergreifung regelte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus die Beziehungen zwischen Schule, Hitlerjugend und ähnlichen Verbänden mit einer offiziellen Bekanntmachung.[1]

Danach kam der HJ die Aufgabe zu, „die Erziehungsarbeit der Schule durch Stählung des Charakters, Förderung der Selbstzucht und körperliche Schulung zu ergänzen“. Der Zugang bzw. die Mitgliedschaft in der HJ bedurfte keiner Genehmigung durch die Schule. Schülern über 18 Jahre wurde sogar erlaubt, „ausnahmsweise auch in die SA (SS) einzutreten.“

Mit der kultusministeriellen Regelung wurden auch Uniform und Gruß reglementiert: „Schüler und Schülerinnen, die der Hitlerjugend einschließlich des Jungvolks, der SA, SS oder dem Bund Deutscher Mädel einschließlich der Jungmädel angehören, dürfen deren Uniformen und Abzeichen auch in der Schule und bei Veranstaltungen der Schule tragen…. Lehrer (einschließlich der Religionslehrer) und Schüler (Schülerinnen) erweisen einander innerhalb und außerhalb der Schule den deutschen Gruß (Hitlergruß). Der Lehrer tritt zu Beginn jeder Unterrichtsstunde vor die stehende Klasse und grüßt als erster, indem er den rechten Arm erhebt und dabei die Worte „Heil Hitler“ spricht. Die Klasse erwidert den Gruß in der gleichen Weise.“[2]

Mit dem „Gesetz über die Hitlerjugend vom 1. Dezember 1936“ wurde die Rolle der Staatsjugend zusammengefasst:[3] „Von der Jugend hängt die Zukunft des Deutschen Volkes ab. Die Gesamte Deutsche Jugend muss deshalb auf ihre Pflichten vorbereitet werden. Die Reichsregierung hat daher das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird.“

Die gesamte Jugend innerhalb des Reichsgebietes wurde jetzt in der HJ zusammengefasst. Neben Elternhaus und Schule erhielt die HJ die Erziehungsgewalt, die Jugend „körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen.“

Vor Ort übernahmen lokale „Führer“ die Aufgabe, die Jugend in der HJ zusammenzufassen und zu organisieren. Im August 1934 wandte sich der HJ-Führer Bernhard Roth an den Garmischer 1. Bürgermeister Thomma mit der Anweisung, „die Hitler-Jugend Gebiet 19 Hochland benötigt von sämtlichen Orten ihres Bereiches eine genaue Aufstellung aller in dem betreffenden Ort ansässigen Jugendlichen, um nachprüfen zu können, in wieweit die Jugend bisher durch die HJ erfasst wurde.“ Und Thomma meldete für Garmisch: 150 Jugendliche beim Jungvolk (6 bis 10 Jahre) und 127 Jugendliche bei der HJ (10 bis 14 Jahre).[4]

 
Wortlaut des Gesetzes über die Hitlerjugend 1936 (Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 10.12.1936)
Staatliche Realschule Garmisch-Partenkirchen 1903-1950

 

In der Oberrealschule Garmisch-Partenkirchen waren 1938 bereits 98,7% aller Schüler in der HJ. Die Schule stellte der HJ Räume zur Verfügung. Es gab aber auch Klagen des Schulleiters über häufigen Unterrichtsausfall, der eine Aussprache des Schulleiters mit den zuständigen HJ-Führern zur Folge hatte.[5]

Dass Schulausfall wegen HJ-Veranstaltungen trotz ausdrücklicher Regelung durch das Ministerium keine Seltenheit war, das zeigte auch eine Anweisung von Kultusminister und NS-Gauleiter Adolf Wagner. Er kritisierte: „Wiederholt wenden sich die Schulleiter und Direktoren beschwerdeführend an das Ministerium wegen Fernbleibens einzelner oder mehrerer Schüler vom Unterricht ohne vorherige Benachrichtigung der Schulleitung durch die HJ.“ Um Überschneidungen zwischen Schuldienst und HJ-Dienst zu vermeiden, schlug er vor, „dass sich die Schulleitungen um die örtlichen Dienstzeiten der HJ kümmern, wie überhaupt allein das gegenseitige Einvernehmen zwischen HJ-Führung und Schulführung eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Erziehungsmächten gewährleistet.“[6] Wagner ließ also die Schulleitungen im Stich.

Schulrat Thoma aus Weilheim führte im September 1943 im Auftrag der Regierung von Oberbayern eine „Leistungswoche der Hitlerjugend des Gebietes Oberland“ einen „Schulappell“ durch. Darin hieß es: „Er soll vor allem dazu dienen, die Jungen und Mädel dahin aufzuklären, dass auch ihre Leistung in der Schule Kriegseinsatz ist. Die Leistungswoche der Hitlerjugend steht unter dem Leitsatz: „Auch die Jugend hilft mit zum Sieg“. Der Appell ist in der Woche „zwischen 27.9. und 2.10. 1943 oder in der folgenden Woche abzuhalten, er ist in straffer, bei Jungen in soldatischer Form an allen Volks- und höheren Schulen durchzuführen. Im Anschluss an den Appell findet Unterricht statt.“

Der Ablauf dieses Appells war militärisch exakt vorgegeben: „Meldung an den Schulleiter, Sprecher: Gedicht von B.v.Schirach: „Töte in dir den Toren und den Tand und sage dann zu Volk und Vaterland: Ich bin bereit!“, Lied: Ein junges Volk steht auf, Ansprache des Schulleiters, Sprecher: Gelöbnis an den Führer – Text von Gerhard Schumann: „Wir stehen wie Mauern um dich her in Treue und Geduld. Kein Opfer ist so groß und schwer, wir sind in deiner Schuld“, Gruß an den Führer, Lied: „Vorwärts, Vorwärts.“[7]

 



[1] Bekanntmachung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7.3.1934 Nr. VIII 6917 (Bayerische Staatszeitung 10.03.1934) über die Beziehungen zwischen Schule, Hitlerjugend und ähnlichen Verbände
[2] Ebd.
[3] Gesetz über die Hitlerjugend vom 1. Dezember 1936. Reichsgesetzblatt S.1 - Berlin , den 1. Dezember 1936 - Der Führer und Reichskanzler - Der Staatsvertreter und Chef der Reichskanzlei.
[4] Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen – I/3/22 – Hitlerjugend - 06.08.1934
[5] Jahresbericht Oberrealschule 1938 - „NS-Kreisleiter Hausböck, ranghöchster nationalsozialistischer Funktionär im Bezirk Garmisch, lobte die Schule, die inzwischen fest in das politische Netzwerk integriert war. Die Zusammenarbeit mit den NS-Jugendverbänden funktio­nierte „reibungslos“ und im „allerbesten Einvernehmen“: „Schule und HJ-Füh­rung standen miteinander in ständiger Fühlung. Die Schule war unterrichtet über die Befehlsausgabe der HJ. Etwa auftauchende Schwierigkeiten wurden durch gegenseitige Rücksichtnahme rasch aus dem Wege geräumt. Freimütige Aussprachen zwischen dem Bannführer ... und dem Leiter der Anstalt dienten dem Wohl der Jugend.“[34] Verdeckte die blumige Sprache vielleicht doch Differenzen zwischen politischer und schulischer Führung?“
Aus: www.alois.schwarzmueller/wg_chronik_texte/12_1937_1938.htm

[6] LRA 199063 Garmisch-Partenkirchen – HJ 1934-1945 - Bayer. Staatsministerium des Innern / Wagner - 18.08.1939
[7] LRA 199063 Garmisch-Partenkirchen – HJ 1934-1945 - RegPräsObb an alle Schulämter – 22.09.1943

 

 

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