1933 - Der Beginn der nationalsozialistischen Diktatur in Garmisch-Partenkirchen

 

 

 

Die Willkür- und Terrorherrschaft beginnt

Quellen

 

„SA marschiert"

Ende März 1933 erklärte der Führer der NSDAP Ortsgruppe Partenkirchen, dass es notwendig sei, sämtliche Hotels, Pensionen und Gasthöfe in Partenkirchen „nach Devisenschiebern und politisch zweifelhaften Personen" zu kontrollieren – und zwar mit Hilfspolizisten der SA und des Stahlhelms. SA und SS waren bereit, sozusagen die Exekutive zu übernehmen. Das wurde auch deutlich bei der Durchsuchungen vieler Häuser und Wohnungen im Bezirk Garmisch. Die Polizei war bei diesen Aktionen im März 1933 meist nur in der Rolle des Zuschauers dabei.

 

Suche nach Waffen zur Einschüchterung möglicher Gegner der NSDAP

In Mittenwald wurde eine Durchsuchung bei dem kranken – „kann sich nur schwer mit dem Stock fortbewegen, so dass von ihm nichts zu befürchten ist" - und pensionierten Bahnarbeiter Ludwig Meier, Mitglied der SPD und des Reichsbanners, mit Hilfe von SS-Angehörigen durchgeführt. Gefunden wurde nichts. Der Verdacht, dass Georg Neuner, 2. Bürgermeister von Mittenwald und Mitglied der „Bayernwacht", zwei Maschinengewehre versteckt halte, bestätigte sich nicht. Im Rathaus fand die Gendarmerie - „unter Zuziehung von sechs SS-Männern" - eine Reihe von Infanteriegewehren.

Glasermeister Johann Mauerer aus Partenkirchen gab bei der Gendarmeriestation Partenkirchen ein leichtes MG, einen Munitionskasten und sechs Infanteriegewehre ab: „Waffen und Munition stammen von der seinerzeitigen Einwohnerwehr."

Die Eschenloher SA-Führer Josef Samm und Karl Schuster suchten in Oberau bei dem SPD-Mitglied und Gemeinderat Josef Roith und in Schwaigen bei dem Steinbrucharbeiter Vinzenz Rauch nach Waffen und „Beweismaterial für ihre Zugehörigkeit zu den einzelnen linksradikalen Parteien." Nur Flugblätter und Druckschriften wurden gefunden.

In Obergrainau durchsuchte SA im „bezirksamtlichen Auftrag" das Heim des Einheitsverbandes Deutscher Eisenbahner in Hammersbach. Das Eibsee-Hotel wurde von Angehörigen der NSDAP im Auftrag des Ns-Kreisleiters Karl Hartmann kontrolliert. Der Grainauer Gastwirt August Herein wurde von Hartmann und dem SA-Truppführer Dillis „zur Herausgabe der bei diesem vermutlich verwahrten Waffen aufgefordert." Herein bestritt den unrechtmäßigen Besitz von Waffen.

In Garmisch wurden auf Anordnung der NSDAP von der SA und „unter Zuziehung der Gendarmerie" (!) Durchsuchungen nach Waffen vorgenommen und zwar „bei Personen, die als Angehörige der KPD verdächtig waren … ohne Erfolg."

In Partenkirchen fanden „Waffensuchungen und zugleich Suchungen nach Kommunistischen Flugschriften am 11.3.33 bei einer Reihe von Kommunisten unter Beiziehung eines größeren Aufgebots von SA- und Stahlhelmleuten statt. Waffen wurden nicht gefunden."

In Farchant wurde „im Beisein von SA-Leuten, darunter auch Herr Sonderkommissar und Kreisleiter Hartmann, in der Wohnung des Eisenbahnsekretärs Fritz Wandel nach Waffen gesucht … nichts gefunden."

 

Hans Schramek wehrt sich

Der Maschinensetzer Hans Schramek, Partenkirchen, Dreitorspitzstraße 9, protestierte beim Bezirksamt Garmisch schriftlich gegen die am 11. März vorgenommene Hausdurchsuchung und gegen seine Verhaftung, da er parteilos sei und sich politisch überhaupt nicht betätigt habe. Zugleich forderte er das Bezirksamt auf, „die Beamten der politischen Polizei anzuweisen, Anschuldigungen auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen, bevor gegen harmlose Mitbürger vorgegangen wird."

Veranlasst hatte diese Aktion gegen Schramek der Partenkirchner SA-Führer Heinz Schuster. Er beschuldigte Schramek, Kommunist zu sein und im Café „Mauxion" in Garmisch in dort aufliegenden Zeitungen kommunistische Flugblätter eingeschmuggelt zu haben.

Das Bezirksamt rügte nun nicht etwa die Eigenmächtigkeit von Schuster, sondern ließ Schramek wissen, „dass auf Grund Ihrer Tätigkeit in der KPD zu beiden Maßnahmen, auch nach Auffassung des unterfertigten Amtes, genügend Anlass bestand." Ende des Rechtstaates.

 

Baron August von Fink soll in „Schutzhaft"

Am 27. März 1933 wurde das Mittenwalder Jagdhaus („Fereinsalm") des Privatbankiers August von Finck (1898-1980) früh am Morgen von der Gendarmerie Mittenwald durchsucht Veranlasst wurde die Aktion durch den Münchner NS-Stadtrat Christian Weber, angeordnet durch NS-Sonderkommissar Karl Hartmann aus Garmisch-Partenkirchen, durchgeführt von zwei Mittenwalder Polizisten und den SS-Truppführern Karl Heilmann und Lohr. Fink sollte in Schutzhaft genommen werden.

Staatsminister und NS-Gauleiter Adolf Wagner verlangte am 28. März einen Bericht über die Aktion gegen Fink und erfuhr, dass Stadtrat Christian Weber, „Pferdeknecht aus Polsingen, ‚Alter Kämpfer’ und Duzfreund Adolf Hitlers", mit dem Auto nach Krün gekommen sei und dem SS-Obertruppführer Lohr den Auftrag erteilt habe, von Fink wegen angeblicher Devisenvergehen in Schutzhaft zu nehmen.

Bezirksamtmann von Merz ließ Staatsminister Wagner daraufhin wissen, dass „diese Erhebungen tiefer in innere Polizeiangelegenheiten geführt hätten als dem Bezirksamt im Augenblick angenehm sein kann." Die Gründe für seine Bedenken teilte der Bezirksamtmann dem NS-Minister nicht mit.

Immerhin hielt er es für angezeigt zu kritisieren, dass sich „bei den Suchungen dieser Woche die Tätigkeit der Gendarmerie nach den gemachten Wahrnehmungen mehr auf passive Assistenz als auf Leitung erstreckt." Soweit die Polizei also noch nach rechtsstaatlichen Maßstäben handeln wollte, wurde sie von SA und SS ausgeschaltet oder an den Rand gedrängt.

 

Baron August von Fink profitierte unter dem Nationalsozialismus von der Unterstützung Adolf Hitlers, indem er sein Bankhaus in Familienbesitz "Merck, Finck & Co." durch die so genannte "Arisierung" jüdischer Bankhäuser wie "J. Dreyfus & Co." und "Rothschild" beträchtlich ausbauen konnte.

 

Schutzhaft und Konzentrationslager Dachau

Am 16. Mai 1933 berichtete das Bezirksamt Garmisch, dass „außer den in Dachau befindlichen Schutzhäftlingen aus dem Bezirk Garmisch (z. Zt. noch 5)" noch vier Personen in Schutzhaft seien, davon zwei seit dem 10. März, zwei erst seit einigen Tagen. Sechs Wochen später waren noch 6 Personen in Schutzhaft, „meistens wegen beleidigender Äußerungen über die Regierung."

Ende August wurde - mit Hilfe von SA-Mannschaften - eine Razzia in Partenkirchen durchgeführt, bei der zwanzig arbeitslose Männer im Alter von 18 bis 26 Jahren festgenommen und in Schutzhaft genommen wurden. Der Nachfolger von Bezirksamtmann von Merz, Landrat Dr. Fux, kommentierte diesen Vorgang mit den Worten „Ich hoffe, dass ein großer Teil dieser Tagdiebe nach Lager Dachau zur weiteren Verwahrung übernommen wird." Ende des Rechtsstaates!

Menschen, die im Bezirk Garmisch in Schutzhaft genommen und in das KZ-Dachau gebracht wurden:

Bierling, Heinrich - 20. Juni 1933 bis 20. Dezember 1933

Cavael, Rolf  - 6. Dezember 1936 bis 2. April 1937

Christoph, Karl  - April 1933 – unbekannt wie lange

Gmeinwieser, Max - April 1933 – unbekannt wie lange

Haas, Josef - acht Monate 1933/34

Huber, Martin - 28. August 1933 bis 9. April 1934

Kreuzer, Georg - 26. April 1936 bis 16. April 1937

Maier, Sebastian - April 1933 – unbekannt wie lange

Mayr, Josef 1935 – unbekannt wie lange

Murr, Otto - 23. September 1935 bis 31. Juli 1936

Piethold, Anton - März 1933 – unbekannt wie lange

Rauh, Hans Karl - 7. August 1937 bis 20. April 1939

Richter, Hubert - 4. August 1934 bis 12. Februar 1936

Roith, Josef - 20. August 1933 bis 26. März 1934

Sailer, Andreas - 1. Juli 1936 bis 20. Juli 1937

Sam, Josef - 16. September 1933 bis 30. August 1934

Specht-Fey, Walter - unbekannt wie lange

Speer, Augustin - 18. Januar 1938 bis zu seinem Tod am 26. März 1940

Stadler, Josef - 23. September 1935 – unbekannt wie lange

Staudinger, Ludwig - 12. Januar 1937 bis 18. Juli 1939

Tauschinger, Ludwig - 17. Dezember 1936 bis 20. April 1939

Triest, Anton - 20. August 1933 bis 15. März 1935

Unger, Max - 10. März 1933 1935

Wehr, Heinz - 29. Juli 1936 bis 10. Dezember 1938

Weitere Informationen: www.gapgeschichte.de

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006

 

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