1933 - Der Beginn der nationalsozialistischen Diktatur in Garmisch-Partenkirchen

 

 

 

Nationale Feiern - Propagandarituale für die „Volksgemeinschaft"

Quellen

 

Der 21. März 1933 - Der Tag von Potsdam

Die erste Gelegenheit für ein großes Tamtam gab der 21. März 1933. Hitler ließ vor und in der Garnisonskirche von Potsdam eine Show inszenieren: Die Deutschen sollten ihn als bürgerlichen Friedenskanzler erleben – Gottesdienst, Reichswehr, preußische Traditionsfahnen, der „Volkskanzler" in feierlich-dunklem Zivil ehrfurchtsvoll sich vor der Heldengestalt des greisen Präsidenten verneigend.

In Garmisch und in Partenkirchen sollte die Bevölkerung gleichfalls mit einem Spektakel belohnt und geködert werden. Es orientierte sich in seinem Ablauf ganz an den traditionellen Anlässen – in der Weise hatte man schon Kaiser und König hoch leben lassen: Böllerschießen und musikalischer Weckruf, dann Standmusik am Marienplatz, alle Straßen und Plätze schwarz-weiß-roter Hakenkreuzbeflaggung, am Vorabend Fackeln und Bergfeuer.

Die Aufmarschordnung für den feierlich-dumpfen Zug vom Bahnhofsplatz zum Marktplatz in Garmisch: Vorneweg die schulische Jugend mit ihrer Lehrerschaft, dann SA und SA-Reserve, hinter ihr – auch in der politischen Wertigkeit - der „Stahlhelm" und schließlich die übrigen Vereine.

Das Programm der Feier begann mit dem „Bayerischen Defiliermarsch" – ein letztes Zugeständnis an das bayerische Sonderbewusstsein, später wurde er zunehmend von Hitlers Lieblingsmarsch, dem „Badenweiler", verdrängt. Es folgte das Horst-Wessel-Lied, die Nazi-Parteihymne. Richard Wagners Meistersinger-Ouvertüre bildete den Auftakt für die verschiedenen Ansprachen, an die sich das Deutschlandlied anschloss. Mit einem Konzert im Gasthof „Lamm" endete die Zeremonie.

Schon am 20. März hatte der Gemeinderat Garmisch beschlossen, die Wettersteinstraße in „Straße des 21. März" umzubenennen. Der Wetterstein konnte sich nicht wehren.

 

Der 1. Mai 1933 – „Tag der nationalen Arbeit"

Hitler ließ den 1. Mai, diesen traditionellen Demonstrationstag der Arbeiterbewegung, zum „Tag der nationalen Arbeit" erklären und erhob ihn gleichzeitig zum gesetzlichen Feiertag. Die Arbeiter und Gewerkschaftsmitglieder, die sich bisher bei den Wahlen der NSDAP verweigert hatten, sollten damit gewonnen werden.

Das Amtsblatt des Bezirks Garmisch verkündete diese Entscheidung schon am 26. April – der 1. Mai sollte seinen Charakter als weltweite Solidaritätsaktion der internationalen Arbeiterschaft verlieren und statt dessen ein „Auftakt sein für ein sich immer mehr vertiefendes Zusammenstreben aller, denen es mit der Zukunft Deutschlands ernst ist."

Zwei Tage später machte das Amtsblatt des Bezirks auch noch deutlich, dass man sich nicht mehr wie bisher frei entscheiden konnte, ob und wie man am 1. Mai teilnahm – jetzt wurden die „Herren Beamten und Beamtinnen (sic!) des Amtes ersucht, sich an den Veranstaltungen des 1. Mai in Garmisch-Partenkirchen zu beteiligen (Umzug, Sportplatz Gudiberg usw.)." Der Platz wurde gleich zugewiesen: „Die bezirksamtlichen Teilnehmer werden hinter der Gruppe der NSBO (Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation) eingeordnet." Jeder wurde erfasst, alles klar geregelt – Widerspruch schwer möglich.

Dies galt nicht nur für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bezirksamtes, auch viele große Vereine und Betriebe verordneten ihren Mitgliedern und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Teilnahme. Am 28. und 29. April 1933 waren die Lokalzeitungen gefüllt mit Aufrufen zum 1. Mai:

  • Die Kriegervereine wurden von Bezirksobmann Angerer aufgefordert, sich „sofort in Ausführung der Anweisung des Ministeriums für Propaganda an den Kundgebungen des Feiertages der nationalen Arbeit zu beteiligen."

  • Der 1. Fußballklub Garmisch stellte sich in seinem Aufruf zum 1. Mai, der den Charakter eines politischen Manifestes hatte, hinter „den genialen Führer Adolf Hitler", bedauerte, „dass die der Schule entwachsenen jungen Menschen leider durch die Beseitigung der allgemeinen Wehrpflicht in dem Schmachfrieden von Versailles nicht mehr die Gelegenheit haben, die Hauptcharaktereigenschaften des Soldaten wie Gehorsam, Disziplin und Kameradschaftsgeist auf ihren ferneren Lebensweg mitzunehmen" und forderte die „restlose Beteiligung aller Mitglieder" am Programm der NSDAP für den 1. Mai in Garmisch-Partenkirchen.

  • Die Kolonnenführung der Freiwilligen Sanitätskolonne Partenkirchen verpflichtete „sämtliche Kolonnenmitglieder", sich in Uniform zu beteiligen. Der Turnrat des Turnvereins Partenkirchen bat „die aktiven und passiven Mitglieder, sich recht zahlreich einzufinden." Der Ausschuss des Volkstrachtenvereins „Werdenfelser Heimat" teilte mit, dass sich der Verein am Festzug anlässlich des „Tages der nationalen Arbeit" beteiligt. Der Veteranen- und Kriegerverein Partenkirchen beteiligte sich ebenfalls 1. Mai bei der Feier des „Tages der nationalen Arbeit" und „wird um zahlreiche Beteiligung von Seiten der Mitglieder ersucht. Der Ausschuss"

  • Die Führung der Bayerischen Zugspitzbahn rief am Vorabend des 1. Mai dazu auf, im Verein mit SA und SA-Reserve „auf Deutschlands höchstem Gipfel, der Zugspitze, die Farben der nationalen Erhebung zu hissen" und dadurch „deutsche Arbeit im Sinne des neuen Deutschland zu ehren."

Die Feier anlässlich des „Tages der deutschen Arbeit" wurde zu einer Propagandaschau ähnlich der am 21. März mit dem Marsch aller NS-Organisationen vom Jungvolk bis zum SA-Motorsturm vom Marienplatz in Garmisch bis zum Gudiberg. Dem Feldgottesdienst schloss sich die Übertragung der Rede von Reichspropagandaminister Goebbels durch Lautsprecher an. Am Abend wurde die Rede Hitlers auf die Marktplätze in Garmisch und Partenkirchen übertragen.

Die Erwartung der Gewerkschaften, dass die Arbeiterbewegung von der NS-Bewegung weiter geduldet werden könnte, wurde schon am 2. Mai 1933 enttäuscht – SA-Verbände besetzten die Gewerkschaftshäuser, verhafteten die Gewerkschaftssekretäre und beschlagnahmten das Vermögen der Arbeiterorganisationen. Die „Deutsche Arbeitsfront" (DAF) wurde zur Zwangsorganisation für die Arbeiterschaft der freien wie der christlichen Gewerkschaftsmitglieder und für die große Zahl der bisher nicht organisierten Arbeitnehmer.

 

26. Mai 1933 - „Schlageter-Gedächtnis" auf der Zugspitze

Am 7. April 1923 wurde Albert Leo Schlageter, Mitglied der NSDAP seit 1922, von der französischen Militärpolizei verhaftet. Er war Kopf einer Widerstandsgruppe, die Sabotageakte gegen die alliierten Besatzungstruppen im Ruhrgebiet verübt hatte. Der 28-jährige ehemalige Offizier wurde vor ein Militärgericht gestellt und am 26. Mai 1923 in Düsseldorf standrechtlich erschossen. Für die Nationalsozialisten wurde Schlageter zum ersten Märtyrer ihrer Bewegung.

Knapp vier Monate später, am 9. September 1923, wurde am Ostgipfel der Zugspitze eine Gedenktafel für Schlageter angebracht. Initiator war die Ortsgruppe Garmisch-Partenkirchen des Bundes Oberland. Ihr gehörten an: Eugen Maier, Georg Pfefferl, Kaplan Pichler, Baron von Le Fort, Oberlehrer Baader, Engelbrecht und Max Pracher. Ausgeführt wurde die Tafel von Bildhauer Georg Falk. Der Garmischer Pfarrer Mencke weihte das Denkmal. Bezirksamtmann von Stengel und ein Vorstandsmitglied von Bund Oberland hielten Gedenkreden.

Am 22. März 1933 wählten 15 Funktionäre der Garmisch-Partenkirchner NSDAP – unter ihnen NS-Kreisleiter Hans Hartmann, Georg Völkl, Max Werneck, Karl Betz, Josef Dillis und Ludwig Nußbaumer – die Zugspitze als „politischen Höhepunkt" und hissten auf dem höchsten Berg Deutschlands demonstrativ die Hakenkreuzfahne.

Zehn Jahre nach der Hinrichtung Schlageters, am 26. Mai 1933, wurde auf der Zugspitze erneut eine Gedenkfeier veranstaltet. Die NSDAP inszenierte eine „deutsche Heldenehrung" mit Bergfeuern und Beethoven-Symphonie. Innenminister und Gauleiter Adolf Wagner hielt die Gedenkrede, die Bürgermeister Scheck und Thomma sorgten für die Teilnahme der Schulen, der Wehrverbände und vieler Vereine. Im Mittelpunkt stand die Enthüllung einer neuen aus Marmor geschaffene Erinnerungstafel für Schlageter. Drei Sonderzüge brachten die Teilnehmer zur Bergstation. SA- und SS-Mitglieder sowie Offiziere des 3. Gebirgsjägerbataillons umrahmten die pseudosakrale Aufführung.

Adolf Wagner, nach ihm wurde bald schon der Garmischer Marienplatz benannt, sprach bei dieser Gedenkveranstaltung mit der für ihn charakteristischen unverhohlenen Rohheit: „Wir, die Nationalsozialisten, hätten das Recht, alle zu vernichten, die gegen uns waren, die uns verfolgt haben. Wir tun es nicht, denn es muss die Zeit kommen, in der wir alle gemeinsam marschieren. Heute weiß wieder jeder, dass uns Deutschland allein unser Vaterland ist. Wir brauchen nichts Fremdes. Darum wollen wir nicht ruhen, bis all das ausgerottet ist, was nicht zu unserem Deutschtum gehört."

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006