1933 - Der Beginn der nationalsozialistischen Diktatur in Garmisch-Partenkirchen

 

 

 

Die christlichen Kirchen

Quellen

 

Katholische Kirche

In der Garmischer Pfarrei St. Martin amtierte mit Pfarrer Hermann Mencke ein Priester, der das „ungeheure Anwachsen" der Nazi-Bewegung und ihre „Irrtümer" als bedrohlich empfand und das deutlich aussprach. Diese Haltung war wohl auch der Grund dafür, dass er in der Mitte der dreißiger Jahre auf Betreiben der NS-Kreisleitung als Standortpfarrer abgelehnt wurde. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er von der NS-Justiz wegen „Abhörens von Feindsendern" zu schwerer Zuchthausstrafe verurteilt.

Sein Partenkirchner Amtsbruder Isidor Sutor, seit 1905 Pfarrer der katholischen Pfarrgemeinde Maria Himmelfahrt, starb im Mai 1933. Der „Werdenfelser Anzeiger" beschrieb einen imposanten Trauerzug: „Die gesamten katholischen Vereine mit ihren schmucken Fahnen und Bannern, die Sanitätskolonne, … die weltlichen Ortsvereine mit ihren geweihten Fahnen, die Leiber- und die Artillerie-Vereinigung, die Studentenverbindung Rhätia, Vertreter der Reichs-, Staats- und Schulbehörden, die Evangelische Kirchenverwaltung" gingen hinter dem Sarg des verstorbenen Pfarrherrn von Partenkirchen – und ganz selbstverständlich war auch „eine Abordnung von Stahlhelm und SA" dabei. Neben Pfarrer Mencke, Pfarrer Lipffert, Oberregierungsrat von Merz rühmte auch der seit kurzem amtierende Partenkirchner Nazi-Bürgermeister Jakob Scheck den verstorbenen Seelenhirten und fand, wie der „Werdenfelser Anzeiger" lobend betonte, „herrliche Worte der Würdigung der Verdienste des Verblichenen."

Damit sind zwei Muster der Begegnung zwischen Kirche und NS-Bewegung beschrieben - Mencke war stets auf kritischer und gefährlicher Distanz, Sutor wurde von den Nazis noch im Tod instrumentalisiert.

Am 20. Juli 1933 wurde das Konkordat zwischen der Katholischen Kirche und dem Hitler-Staat abgeschlossen. Es war der erste große außenpolitische Erfolg des NS-Regimes. Die Kirche glaubte, damit die öffentliche Ausübung des Bekenntnisses, den Fortbestand katholischer Schulen und den Religionsunterricht in den staatlichen Schulen als Pflichtfach schützen zu können. Sie stimmte dem Verbot jeglicher politischer Tätigkeit ihrer Geistlichen und damit de facto der Auflösung der Zentrumspartei und der Bayerischen Volkspartei zu – ein schöner politischer Gewinn für die Nazis. Wenige Tage nach der Unterschrift unter das Konkordat wurde das bereits vom Bezirksamt Garmisch so gesehen. Der Abschluss des Konkordats habe „eine wesentlich günstigere Stellung der Geistlichkeit gegenüber der neuen Regierung zur Folge" gehabt. Als Pfarrer Karl Lorenzer im Juli 1933 die Nachfolge von Isidor Sutor in der Pfarrei Partenkirchen antrat, sei es gar „zu einem erhebenden und erfreulichen politischen Einheitsbekenntnis" gekommen. Dass alles nur ein grandioses Täuschungsmanöver war, wurde auf örtlicher Ebene schon drei Monate später bei der Schließung der Katholischen Volksbücherei Garmisch durch NS-Bürgermeister Thomma offenkundig.

In diese Zeit der Täuschung und Selbsttäuschung passte auch gut der Fastenhirtenbrief des Münchner Erzbischofs Michael Kardinal Faulhaber, der Anfang März im „Werdenfelser Anzeiger" veröffentlicht wurde. Darin rechnete der reaktionäre Kirchenfürst noch einmal mit der demokratischen Revolution von 1918 ab („ein Verbrechen"), untersagte den Katholiken, die mit Hitler nicht einverstanden waren, den Staatstreich, legitimierte die NS-Herrschaft als „Obrigkeit von Gott" und verurteilte den Grundsatz der Republik - „Die Staatsgewalt geht vom Volke aus" - als Irrlehre.

 

Evangelische Kirche

In der evangelischen Kirche führte die Auseinandersetzung mit Hitler und dem Nationalsozialismus zu einer innerkirchlichen Spaltung. Ein Teil der Gemeinden und ihrer Pfarrer verband sich mit den von den Nationalsozialisten geförderten Deutschen Christen, und ihrem Verständnis von „artgemäßem Christenglauben", Rassereinheit und „völkischer Sendung". Gegen diese Bewegung bildete sich die „Bekennende Kirche", die den Antisemitismus, die Zerstörung des Rechtsstaates und die Vergötzung Hitlers verurteilte.

Pfarrer Ernst Lipffert, 1919 zum Pfarrer der protestantischen Kirchgemeinde Garmisch-Partenkirchen bestellt, soll nach einer Einschätzung des Bezirksamts Garmisch aus dem Jahre 1934 „1923 völkisch, vor dem Umschwung im vergangenen Jahr deutschnational eingestellt" gewesen sein. Nach der Spaltung der Evangelischen Kirchen wurde er Mitglied der „bekenntnistreuen bayerischen Pfarrbruderschaft" und hatte dabei, wieder nach Aussage des Bezirksamtes, die Mehrheit der kirchlich interessierten evangelischen Gemeindemitglieder, „auch soweit sie der NSDAP angehören", hinter sich.

Wie stark und einflussreich die nationalsozialistische „deutsch-christliche" Konkurrenzkirche in Garmisch-Partenkirchen war, ist kaum noch zu erfassen. Es gab immerhin eine öffentlich agierende Ortsgruppe Werdenfels des „Deutsch-Evangelischen Frauenbundes", deren Äußerungen vom Denken der Deutschen Christen beeinflusst sind. Im April 1933 wurde „das Wiedererwachen einer starken nationalen Bewegung im Vaterlande" mit großer Freude begrüßt. Man sprach vom „Verwurzeltsein im Evangelium einerseits, im deutschen Volkstum andererseits als der Grundlage für alles Wirken" – diese Verknüpfung führt direkt zum „germanischen Messias" der Deutschen Christen.

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006