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Garmisch-Partenkirchen 1945-1949 - Die ersten Jahre nach Diktatur und Krieg |
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Entnazifizierung - Selbstreinigung oder Selbstbetrug? Maxi Herber, verh. Baier (* 8. Oktober 1920 in München; † 20. Oktober 2006 in Garmisch-Partenkirchen), war deutsche Eiskunstläuferin im Einzellauf und im Paarlauf. Überaus erfolgreicher war sie im Paarlauf mit Ernst Baier (*1905 Zittau, +2001 Garmisch-Partenkirchen). Von 1934 bis 1936 und von 1938 bis 1941 wurden sie deutsche Meister. Bei den Olympischen Spielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen gewannen sie die Goldmedaille. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten sie 1951 die Eisrevue „Eisballett Maxi und Ernst Baier“.
06.04.1946 "Wir sind enttäuscht" - Maxi und Ernst Baier vor der Spruchkammer „Allerdings nicht über die Amerikaner, wie es ein nicht allzu schreibgewandter Anonymus — oder eine Anonyma? —-, den Lesern des Hochlandboten in der Nr. 22 weismachen möchte! Aber kann man es uns verargen, dass wir es nicht gerade loben, zur Zeit nicht auftreten zu dürfen? Gibt es Künstler von Rang, die froh wären, zur Untätigkeit verurteilt zu sein? Indessen fassen wir uns in Geduld, zumal wir hoffen, dass eine endgültige Entscheidung so ausfällt, dass der Schreiber jener unfreundlichen Zeilen über „Die Enttäuschten" selbst zu den Enttäuschten zählen wird. Nein, nicht über die Amerikaner, deren objektive Einstellung uns gegenüber wir seit unserem Aufenthalt in USA. in den Jahren 1932 und 1935 in schönster Erinnerung haben, sind wir enttäuscht, sondern über gewisse Deutsche, denen demokratische Pressefreiheit für wahrheitswidrige Verunglimpfung gut genug ist. Oder wird es derjenige auch fernerhin richtig finden, uns „Günstlinge des Dritten Reiches" zu nennen, der folgende Tatsachen kennt: 1. Wir waren zu keiner Zeit Mitglied der Partei oder einer ihrer Gliederungen. 2. Seit 1941 „diffamierte" uns die Reichsjugendführung, indem sie es allen Angehörigen der HJ verbot, mit uns zusammen aufzutreten. 3. Wegen unserer im „Dritten Reich" suspekten internationalen Einstellung und infolge des Verdachtes der Emigrationsabsicht wurde uns 1943 und 1944, ohne Rücksicht auf die Einladungen durch den Internat. Schlittschuhclub Davos und die Kurverwaltung Arosa und trotz vorliegender Einreisebewilligung seitens der Schweiz die Ausreise durch die Reichssportführung und das Propagandaministerium verboten. 4. Im Zusammenhang mit dem Ausreiseverbot im Jahre 1943 wurde uns sogar, wie sicher noch vielen unserer hiesigen Freunde erinnerlich sein wird, das Auftreten in Garmisch-Partenkirchen durch die Reichssportführung untersagt, obwohl die Öffentlichkeit bereits auf unser Erscheinen hingewiesen worden war. 5. Im Übrigen nehmen wir wegen unserer nicht erst nach Kriegsende dokumentierten antinationalsozialistischen Haltung auf eine Erklärung des Herrn Flüchtlingskommissars Gmeinwieser Bezug, die dieser vor einer amerikanischen Dienststelle zu Protokoll gab. Außerdem fragen wir: Machten uns die Nazis oder die Schiedsrichter aller Nationen und Erdteile zu Weltmeistern und Olympiasiegern? Besonders groß ist unsere Enttäuschung indessen nicht, denn der Kreis derartig Übelwollender ist klein. Wir erhielten inzwischen Beweise genug dafür, dass das Publikum objektiver denkt. Ihm überlassen wir auch gerne die Entscheidung darüber, ob einer von uns „seine Altersgrenze" schon erreicht hat, oder ob möglicherweise das Bemühen, unser Können noch weiter zu steigern, nicht ganz erfolglos blieb. Der uns anlässlich des letzten Auftretens zu Weihnachten und am Neujahrstage gespendete Beifall scheint uns eher für das letztere zu sprechen. Maxi und Ernst Baier." Hochland-Bote 06.04.1946
20.06.1947 Weltmeisterpaar Baier „nicht betroffen“ "Es ist genau 11/2Jahre her, dass den Baiers das öffentliche Auftreten verboten wurde. Die Leitung der Eisschau, die Ernst Baier im Auftrage amerikanischer Behörden in Garmisch aufgebaut hatte, wurde ihm nach den ersten, sehr erfolgreichen Vorstellungen wieder entzogen. Zuerst wurde Ernst Baier kaltgestellt, bald darauf auch Maxi. In der Presse fand man ein paar knappe Andeutungen' über „Nutznießung" und „hohe Jahreseinkommen". Die Reaktion in der Allgemeinheit war verschieden. Die wirklichen Sportler bedauerten es. Die Konkurrenten waren hoch erfreut. Die mächtigen Eisveranstalter machten ein süßsaures Gesicht, denn schließlich füllten die Baiers die Kassen. Die Eisschau ging dann in amerikanische Leitung über, doch ohne die Baiers musste sie notwendigerweise ein anderes Gesicht bekommen. Wir haben das heikle Thema in unserer einheimischen Presse deshalb bis heute vor der öffentlichen Diskussion zurückgehalten, nicht, weil wir fürchteten, in den falschen Verdacht zu kommen, einen eventuellen „Nutznießer" zu verteidigen, sondern weil man den Schaden durch eine zu frühe Erörterung nur vergrößert. Zudem wollten wir natürlich In Ruhe abwarten, wie sich die, zuständigen Behörden zu der Verteidigung Baiers stellen würden. Bedauerlicherweise erfolgte aber von dieser Seite bisher noch nichts. Inzwischen ging die zweite Wintersaison vorüber, aber von den Baiers hörte und sah man nichts. Die Parallelfälle im Eislauf — Weltmeister Schäfer und die Geschwister Pausin — oder auf anderen Sportgebieten: Max Schmeling — und auf den Gebieten der Kunst: Knappertsbusch, Furtwängler und Gieseking — wurden längst geklärt. Es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn man feststellt, dass sie alle problematischer waren, als der „Fall Baier". Die Baiers haben zwei Jahre verloren, aber auch alle am Eissport Interessierten haben diesen Verlust mitgetragen. Ich meine, es ist eine ;ganz schöne Buße für einen Sportler des Jahrganges 1905, wenn er 11/2 Jahre aussetzen musste, zumal man ihm zeitweise sogar nicht einmal das private Training erlaubte. Ernst Baier war weder in der NSDAP noch in einer ihrer Gliederungen, Maxi war nicht einmal beim BDM, was bei der exponierten Stellung beider immerhin erstaunlich und beachtlich war. Es ist wahr, nach ihrem Übertritt zum Berufssport haben sie als Künstler und Veranstalter gut verdient. Es war aber falsch, sie deshalb Nutznießer zu nennen, denn was sie verdienten, verdankten sie nicht den Nazis, sondern einzig und allein ihrem großen, selbsterarbeiteten Können, das Tausende begeisterte. Nicht durch Nazi-Protektion waren sie groß geworden, sondern durch ihre von internationalen Schiedsrichtern anerkannten Leistungen. Die Baiers wurden in der Welt nicht als Nazis bewertet, sondern als sportliche Weltmeister. Der von ihnen geschaffene Paarlaufstil hat sich bezeichnenderweise in der ganzen Welt durchgesetzt. Ihn nationalsozialistisch zu nennen, wäre grotesk. Es gab noch viele andere deutsche Eisläufer, die ins Ausland fuhren und schon längst wieder Auftrittserlaubnis haben. Wir wollen nicht untersuchen, wer von ihnen mehr oder weniger den deutschen Gruß zelebriert hat. Wir wollen es vergessen, wie sie es selbst vergessen haben, aber man sollte nicht mit verschiedenem Maß messen. Fast zwei Jahre haben die Baiers einen bisher vergeblichen Kampf um ihre Sache geführt. „Nicht betroffen" lautet der nüchterne Spruchkammerentscheid. Betroffen sind sie nur durch einen großen wirtschaftlichen Verlust und eine noch größere Einbuße an Prestige. Maxi hat inzwischen (hätte sie etwas Gescheiteres tun können?) einem kleinen zukünftigen Weltmeister das Leben geschenkt, der sie über manche bittere Enttäuschung getröstet haben mag. Sache der Sportwelt ist es nun, das ihrige zu tun.- Dr. C. A. Scheel." Hochland-Bote 20.06.1947
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