Garmisch-Partenkirchen 1945-1949 - Die ersten Jahre nach Diktatur und Krieg

 

 

 

Camp 8 - US-Internierungslager in Garmisch-Partenkirchen 1945-1947

 

21.05.1945
Vertraulicher Bericht: Displaced Persons Center Report as of 1700 hrs 21 May 1945

- Lage: Jäger-Kaserne in Garmisch
- Aufnahmekapazität: 3000 - 4900
- Nationalitäten:  2054 Italiener, 912 Russen, 504 Ungarn, 343 Polen, 190 Yugoslawen, 144 Tschechen, 134 Rumänen

Nach der Auflösung des Lagers für Displaced Persons (ehemalige Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene etc.) folgte im Juli 1945 die Errichtung eines Lagers für deutsche und ausländische Internierte (Zivilisten, Soldaten, Politiker, Beamte u.a). Dieses Interniertenlager trug den Namen "Camp 8".

 

 

 

Links:  US-Internierungslager Camp 8 in Garmisch-Partenkirchen an der Gernackerstraße (bis 1939 Gebirgsjägerkaserne der 1. Gebirgsdivision, heute Quartier des Marshall Centers Garmisch-Partenkirchen)
Rechts
: Umschlag des Buches "M-AA 509 - Elf Monate Kommandant eines Internierungslagers" von Karl Vogel (Memmingen, 1951 im Selbstverlag)

 

 

Das "Camp for Civil Internees Nr. 8" wurde im Juli 1945 in der Jägerkaserne errichtet. Es war eines von 32 Lagern dieser Art in der US-Besatzungszone. Zur gleichen Zeit wurde in der ehemaligen Artilleriekaserne das Lazarett des Internierungslagers eingerichtet.

Insgesamt zwölf amerikanische Lagerkommandanten führten die Internierungslager bis zur Auflösung des Lagers im Juni 1946. Der erste namentlich bekannte US-Offizier war Major S.D. Perrin. Deutscher Lagerkommandant wurde Karl Vogel am 2. August 1945. Die Internierten genossen eine beschränkte Selbstverwaltung. Das Lager war nach militärischen Einheiten gegliedert - wie ein Regiment mit vier Bataillonen zu acht Kompanien. Ein kleineres Frauenlager war angeschlossen.

Der Bezug des Lagers erfolgte am 16. Juli 1945. Insgesamt waren bis zur Schließung des Lagers mehr als 4000 Häftlinge interniert. Die erste Lagerordnung datiert vom 6. August 1945.

Die Auflösung des Lagers erfolgte am 16. Juni 1947. Die letzten Internierten wurden in die Lager nach Regensburg, Augsburg, Nürnberg-Langwasser, Ludwigsburg und München verlegt.

 

07.09.1945
Landrat an die Bürgermeister: Internierungslager Garmisch-Partenkirchen

„Im Auftrag der Militärregierung weise ich darauf hin, dass es gegenwärtig völlig zwecklos ist, Eingaben um Entlassung oder Bewährungsfrist von Insassen des Internierungslagers (frühere Jägerkaserne) in Ga.-Pa. an das Lager oder eine andere Dienststelle zu richten. In etwas 2 Wochen ist mit der Bildung eines Ausschusses zu rechnen, der solche Anträge prüfen wird. Bis dahin ist jedoch keinerlei Verbindung mit den Internierten möglich. Bittgesuche sind zwecklos.“

Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen - Schachtel 39 - Akt 50 Polizei

 

Die Internierten wurden mit folgenden Abkürzungen gekennzeichnet:

M oder F

für Mann oder Frau

 

AA

für Automatic Arrest

 

ST

für Security Threat

 

BL

für Black List

 

Misc.

für Miscellaneous

 

WC

für War Crime

 

Literatur:

Karl Vogel, M-AA 509 (Memmingen, 1951)

"Karl Vogel wurde 1911 in  einem schwäbisch-württembergischen Dorf als Sohn  eines Bauern geboren. Seine Berufsausbildung erfolgte im Zeitungs- und Verlagsgewerbe. Heute ist er als technischer Industrie-Kauf­mann tätig.

Während des zweiten Weltkrieges leistete er als Offizier vom ersten bis zum letzten Kriegstage Frontdienst, davon etwa drei Jahre als dienstleistender Generalstabs-Offizier bei der Hochgebirgstruppe und bei der Panzerwaffe. 1945, wenige Tage vor Zusammenbruch, geriet er während der entscheidungbringenden Oderschlacht in russische Gefangenschaft. Er floh unter abenteuerlichen Verhältnissen, wurde zum zweiten Male gefangen — und floh neuerdings.

Als ehemaliger Angehöriger der Allgemei­nen SS wanderte er in der Heimat ins Ge­fängnis. Während er dann im „Automati­schen Arrest" im Internierungslager Gar­misch-Partenkirchen, dem Camp 8, als Deut­scher Lagerkommandant fungierte, wurde seine Familie aus Österreich, wo er seit 1938 beruflich tätig war, ausgewiesen. Karl Vogel ist auch der Autor zweier Wer­ke, teilweise kriegsgeschichtlichen Inhaltes, die während des zweiten Weltkrieges erschienen."

Karl Vogels "M-AA 509" wurde aus höchst subjektiver Perspektive eines überzeugten NS-Anhängers geschrieben. Es ist das einzige dem Autor bekannt gewordene Werk über das Internierungslager Camp 8 in Garmisch-Partenkirchen.

 

Schriftenreihe „Camp 8 - Heft Nr. 1 1945/46 - „Herz hinter Stacheldraht“ - Gedichte (40 Seiten)

Schriftenreihe „Camp 8 - Heft Nr. 2 1945/46 - „Ich helfe dir“ - Ratgeber (60 Seiten)

Herausgeber Deutsche Lager-Kommandantur, Abt. Nachrichtendienst - Als Manuskript gedruckt

 

„Der Camp-Kurier“ - Heft Nr. 1 bis 15 von März 1946 bis August 1946, Auflage zwischen 400 und 600 Exemplaren

Herausgegeben mit Genehmigung des amerikanischen Lagerkommandanten des
Zivil-Internierungslagers 8, Garmisch - Schriftleitung: Lagerkommandant Karl Vogel (Namensnennung bis Heft Nr. 6), Abtl. Nachrichtenwesen

 

 

Karl Vogel, deutscher Lagerleiter, und seine Berichte

 

Camp 8

„Die deutsche Lagerleitung ist mit Pflichten erfüllt: freiwillig über­nommenen, und solchen, die sich aus der Zwangslage ergeben.

Die Kommandantur ist doppelt mit Stacheldraht gesichert. Die Wohnblocks, fünf an der Zahl, sind ebenfalls mit Stacheldraht an etwa drei Meter hohen Palisaden eingezäunt. Zwischen den einzelnen Ge­bäuden sind weitere Stacheldrahtzäune errichtet, verstärkt durch K-Rollen.

Stacheldraht, soweit und wohin der Blick reicht.

Im Lager bestehen einundzwanzig Durchgänge durch Stacheldraht­zäune. An jedem Durchgang steht ein bewaffneter Posten. Neun Po­stentürme mit schussbereiten Maschinengewehren umrahmen das Lager. Auf der Umfassungsmauer und beiderseits derselben: Stacheldraht.

Sogar die schöne Laubbaum-Allee an der Zugspitzstraße fällt der „Sicherheit" zum Opfer.

Jeeps mit zwei oder drei, manchmal auch vier bewaffneten Posten besetzt, patroullieren bei Tag und bei Nacht um das Lager.“

Aus: Karl Vogel, M-AA 509 – Elf Monate Kommandant eines Internierungslagers (Selbstverlag Mem­mingen 1951, 257 S.) S.41

 

Tages- und Diensteinteilung

a) Zeitplan

Der Tagesablauf und die Diensteinteilung erfolgen nach einem fest­gesetzten Zeitplan, der Bestandteil der Lagerordnung ist. Zur Zeit gilt folgende Regelung:

6.15 Uhr Wecken.

6.30 Uhr Abholen des Frühstücks und anschließende Ausgabe.

7.40 Uhr Zählungsappell durch die Kompanieführer und den Re­gimentskommandeur. Zum Zählungs­appell treten die Kompanien in Blöcken zu je 50 Mann an (fünf Reihen nebeneinander, je zehn Män­ner hintereinander).

8.00 Uhr Antreten des eingeteilten Arbeitsdienstes, Außenkomman­dos in Doppelreihen mit ausrei­chendem Abstand zwischen den einzelnen Kommandos.

8.00—11.00 Uhr Arbeitsdienst der eingeteilten Arbeitskommandos. 12.00 Uhr Essenausgabe für Ar­beitsdienst und dauernd Arbeitsun­fähige.

13.00 Uhr Antreten des Außenarbeitsdienstes. Anschließend Antre­ten des Innenarbeitsdienstes, Zeitpunkt nach Kompaniebefehl.

13.00—16.30 Uhr Arbeitsdienst der eingeteilten Arbeitskommandos. 17.00 Uhr Abend-Zählappell  durch  einen  amerikanischen  Offizier

oder Unteroffizier und den Regimentskommandeur. 17.15 Uhr Essenempfang und anschließende Ausgabe. 21.00 Uhr Räumung des Hofes. 21.30 Uhr Allgemeine Lagerruhe.

b) Arbeitsdienst

An Werktagen wird eine Anzahl Internierter zum Arbeitsdienst ein­geteilt. Sie empfangen hierfür die dritte Mahlzeit. Die Kom­panieführer sind für eine gleichmäßige und gerechte Einteilung der Internier­ten zum Arbeitsdienst verantwortlich. Sie sorgen auch für ein geordnetes Bereitstehen der Arbeits­kommandos. Bis zur Beendi­gung des Abrufs der Außen-Arbeitskommandos haben von jedem Batail­lon je ein Kompanieführer der einen Kompanie und ein Haupt­feldwebel der anderen Kompanie zuge­gen zu sein. Bei schlechter Wit­terung stehen die Kommandos so abrufbereit, dass sie auf Zeichen so­fort zur Verfügung stehen.

Die Einteilung des Innen-Arbeitsdienstes hat gemäß den Erforder­nissen der Kompanie in zweckent­sprechender Weise durch die Kom­panieführer zu erfolgen. Sie sorgen für Einteilung einer entsprechen­den Aufsicht. Es ist untersagt, sich während des Arbeitsdienstes ohne Erlaubnis des Aufsichtshabenden von der Arbeitsstelle zu entfernen. Die zum Außen-Arbeitsdienst eingeteilten Internierten haben die ihnen zugeteilte Arbeit gemäß den Weisungen des amerikanischen Aufsichts­habenden oder eines von ihm Beauftragten pflichtgemäß aus­zuführen.

Während des Antretens des Arbeitsdienstes haben die anderen Kom­panieangehörigen den Innenhof zu räumen.

Zur Ergänzung der technischen Einrichtungen des Lagers sowie zum Ausbessern der Bekleidung und Ausrüstung der Internierten ist ein Technischer Zug aufgestellt. Dieser wird nach Weisung der amerika­nischen Lagerkommandantur und des deutschen Regiments-Komman­deurs eingesetzt. Zum Technischen Zug werden ausgewählte Fachleute aller lebensnotwendigen Berufsgruppen versetzt."

Aus: Karl Vogel, M-AA 509 – Elf Monate Kommandant eines Internierungslagers (Selbstverlag Mem­mingen 1951, 257 S.) S.58f

 

Innere Organisation des Interniertenlagers

a) Amerikanische Lagerkommandantur

Lagerkommandant: Gesamtverwaltung

Provost Marshall: Stellvertreter des Lagerkommandanten, verantwortlich für äußere Lagerbewachung, zuständig auch für Unterbringung, Ernährung und Bekleidung der In­ternierten

Sicherheits-Offizier: Sachbearbeiter für  Überwachung  der  Internierten  zur  Verhinderung von Spionage, Sabotage, Auf­ruhr und Flucht, auch verantwortlich für Verwahrung des abgenommenen Eigentums der Internierten

Lagerarzt: Vorgesetzter des zivilen oder Internierten-Lagerarztes, verantwortlich für den gesamten Sanitäts­dienst.

b) CIC (Counter Intelligence Corps)

(unabhängig von der Lagerkommandantur, Zweigstelle der regionalen CIC-Behörde)

Leitender CIC-Offizier: auf Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Lagerkommandanten an­gewiesen,

Dienststellenleiter, verantwortlich für Nachrichten- und Aufklärungsdienst,

Stellvertretender CIC-Offizier: Leiter des Personel-Office: verantwortlich für Verwaltung des Aktenmaterials,

Vernehmungskommissare

Die Lagerbelegung beträgt jetzt rund 3600 Personen. Um weitere Zugänge unterbringen zu können, werden bauliche Veränderungen notwendig.

Aus: Karl Vogel, M-AA 509 – Elf Monate Kommandant eines Internierungslagers (Selbstverlag Mem­mingen 1951, 257 S.) S.62f

 

Die Arbeit

"Zu persönlichen Dienstleistungen zählen Kommandos zum Ent­laden von Kohle am Bahnhof Gar­misch-Partenkirchen; Kommandos zum Schneeräumen, sei es auf Straßen, auf Plätzen vor Dienst­stellen der Besatzungsmacht, im Eisstadion, im Skistadion oder an der Olympia-Bobbahn. Zu solchen persönlichen Dienstleistungen zählen die Kommandos zum Bau und zur Instandhaltung von Sport­plätzen und -anlagen ebenso wie das alpine Trägerkommando. Auch die Kom­mandos für Schreibstu­ben, Lager- und Küchenhilfsdienste zählen dazu. Gleich, ob die Internierten in den Hotels in Gar­misch-Partenkirchen, in Murnau, in Oberammergau, auf dem Kreuzeck oder am Eibsee als Geschirr­wäscher oder als Lagerhilfsarbeiter tätig sind. Hierzu zählen ebenso die Kommandos zur Pflege und Instandhaltung von Fahr­zeugen, Bekleidung und Waffen (!) der Besatzungsangehörigen. Ebenso die Kommandos der Frauen in der amerikanischen Küche und im Kasino, in der Waschküche, in den Näh- und Bügelstuben.

Als Arbeit in der Verwaltung können die Kommandos der Holz­fäller, der etwa dreißig technischen Werkstätten und Betriebe des Lagers, des Camp Hospitals, der Schreibstuben der deutschen Lager­kommandantur usw. bewertet werden. In diese Gruppe fallen auch die zwölf Bäcker, die täglich für uns in Garmisch-Partenkirchen arbeiten.

Ihnen allen, den Angehörigen unserer Verwaltung und der sani­tären Versorgung, steht laut Befehl der Besatzungsmacht auch die Mittagsmahlzeit zu, während die Nichtarbeitenden lediglich Früh­stück (Kaffee und Brot) sowie Abendessen (vorwiegend Suppe) er­halten.

Dienste zur Erzeugung und zur Pflege kultureller Werte scheinen in ihrer Bewertung umstritten zu sein. Sie bilden aber einen geradezu entscheidenden Faktor zur Erhaltung der geistigen und morali­schen Kräfte des einzelnen und somit auch unserer Zwangsgemeinschaft.

Die Besatzungsmacht sieht sich außerstande, für die Tätigkeit unseres evangelischen Lagergeistli­chen, unserer Professoren und Spezialisten, die als Lehrer im Rahmen der Fürsorge und des Unter­richtswesens tätig sind, täglich einen „Mittagschlag", etwa einen halben Liter Suppe, zu genehmigen.

Der Wert der Arbeit im Internierungslager liegt tatsächlich am allerwenigstens im materiellen Nutzen. Ihr Lohn ist die geistige Befruchtung, die sie in diesem apathischen Dahinvegetieren und nutzlosen Warten vermittelt; selbst in der unscheinbarsten, der wertlosesten und lächer­lichsten Arbeit."

Aus: Karl Vogel, M-AA 509 – Elf Monate Kommandant eines Internierungslagers (Selbstverlag Mem­mingen 1951, 257 S.) S.126f

 

 

Lagerstatistik

Belegung des Lagers mit 4811 Internierten (Oktober 1945):

AA

4500

ST

243

BL

37

Misc.

23

WC

8

Allgemeine SS

306

Waffen-SS

149

SD

69

Gestapo

69

Polizei

169

Angehörige SS-Führung

6

Spezialfälle

27

Reichsleiter u. darunter

30

Gauleiter u. darunter

45

Ortsgruppenebene

1680

Zellenleiter

40

Blockleiter

87

Ortsbauernführer

10

Angestellte

11,7%

Arbeiter

2,5%

Beamte

35,9%

Juristen

4,7%

Studienräte

3,3%

Lehrer

6,5%

Höhere Beamte

7,2%

Fabrikanten, Unternehmer

1,8%

Freie Berufe

12,1%

Ärzte

3,8%

Rechtsanwälte

1,1%

Handwerker

11,9%

Kaufleute, Gastwirte

7,1%

Wehrmacht

3,1%

RAD-Führer

1,0%


Von den 4800 Internierten waren ca. 2300 Soldaten aller Dienstgrade

3600 waren in Arbeitskommandos tätig, 1200 nicht

 


262 mit ausländischer Staatsangehörigkeit - davon:

 

130 aus Österreich

12 aus Rumänien

19 aus Ungarn

6 aus Holland

4 aus Frankreich

8 aus Jugoslawien

 

Lagerbelegschaft am 15.01.1946 auf rund 5000 Menschen angestiegen: (Vogel S. 152, 156)

Altersgliederung:

Männer bis

18 Jahre

2

0,05%

18 bis

30

150

3,66%

31 bis

40

1066

26,01%

41 bis

50

1560

38,07%

51 bis

60

1012

24,69%

61 bis

65

216

5,27%

66 bis

70

75

1,83%

über

70

17

0,42%

Frauen bis

18 Jahre

1

0.37%

18 bis

30

79

29,48%

31 bis

40

59

22,01%

41 bis

50

66

24,63%

51 bis

60

50

18,66%

61 bis

65

10

3,73%

66 bis

70

3

1,12%

Von diesen sind in Haft:

im 9. Monat

2130

8. Monat

515

7. Monat

1

6. Monat

781

5. Monat

601

4. Monat

119

3. Monat

77

2. Monat

42

1. Monat

100

Davon waren

Politische Leiter der NSDAP

2067

Angehörige

der SS

730

des SD

92

der Gestapo

82

der SA

1292

des Generalstabes

3

des RSHA

40

der GFP

33

des RSD

28

der Gestapo/Sipo

78

der Kripo (Oberst und höher)

4

der Militärischen Abwehr

42

Ernährung: (ab 25.02.1945)

für Schwer- u. Schwerstarbeiter

2900 Kalorien

für Leichtarbeiter

2600 Kalorien

für Nichtarbeitende

1700 Kalorien

Tagesdurchschnitt Februar 1946

Arbeitende

2354 Kalorien

Nichtarbeitende

1566 Kalorien

Alle Daten aus: Karl Vogel

 

"Die Zugehörigkeit zu den oben genannten Gruppen überschneidet sich zum Teil. Keiner der genannten Organisationen gehörten 834 Internierte (sogenannte „Sonderliste") an. Diese sind vorwiegend höhere Beamte und ehemalige Angehörige des RAD und der HJ, des Deutschen Roten Kreuzes sowie Män­ner und Frauen, die infolge Namensverwechslung interniert wurden.

122 Lagerinsassen sind aus der Kriegsgefangenschaft heraus interniert worden, ohne inzwischen in Freiheit gewesen zu sein."

Aus: Karl Vogel, M-AA 509 – Elf Monate Kommandant eines Internierungslagers (Selbstverlag Mem­mingen 1951, 257 S.) S.181

 

„Die im Internierungslager Verstorbenen werden im gemeindlichen Friedhof in Garmisch beerdigt, welcher vergrößert werden musste, weil im Jahr 1945 über 500 in Garmisch-Partenkirchner Lazaret­ten verstorbene Soldaten dort beerdigt wurden. Da der alte Teil des Friedhofs überfüllt war, wurden auch die Internierten im neuen Teil des Friedhofs bestattet, jedoch nicht außerhalb der Einfriedung.“

Aus: Karl Vogel, M-AA 509 – Elf Monate Kommandant eines Internierungslagers (Selbstverlag Mem­mingen 1951, 257 S.) S. 200

 

Die Internierungslager in amerikanischer Regie

"Zur Unterbringung der Internierten benötigten die Amerikaner große Lager. Zur Ver­fügung standen ehemalige Konzentrationslager, Außenlager von Konzentrationsla­gern und ehemalige Kriegsgefange­nenlager. Erste Internierungslager in Bayern ent­standen in Dachau, Hersbruck, Garmisch-Partenkir­chen, Natternberg, Moosburg, Straubing, Plattling, Stephanskirchen und Altenstadt'5.

Die Zahl der Internierten stieg im Laufe des Jahres 1945 kontinuierlich an; Mitte Juli 1945 rechneten die Amerikaner mit ca. 70000 Internierten in der US-Zone'4. Zwei Monate später befanden sich bereits ungefähr 82000 Personen in den mittler­weile überfüllten Internierungslagern'*. Mit rund 100000 Per­sonen erreichte die Zahl der Internierten Ende 1943 ihren Höhepunkt. Die meisten Lager bestanden aus bau­fälligen Baracken; das Lager Darmstadt z.B. aus Zelten, die Unterbringung war ent­sprechend primitiv. Im Lager Moosburg mussten „in einer Baracke (...) 200 bis 300 Mann in meist dreistöckigen Betten" liegen. .Jeder Mann hat einen Strohsack und in der Regel drei Decken, Frauen und Kranke haben Anspruch auf vier Decken"16, so hieß es in einem zeitgenössischen Bericht In der ersten Zeit freilich mussten auch viele auf dem Erdboden schlafen, da „ein Mangel an Stroh und Decken"'7 be­stand. In den zugigen Räumen fehlte meist jegliche Möblierung, so dass die Internierten Tische, Stühle und Herde selbst herstellten. Arbeitskommandos setzten - soweit möglich -die Baracken in­stand und bemühten sich um die Versorgung der Lager. Essgeschirr war kaum vorhanden, man behalf sich vielfach mit amerikanischen Konservendosen'*.

Anhaltspunkte der sozialen Schichtung der Internierten lieferte der deutsche Lager­leiter des Internie­rungslagers Garmisch-Partenkirchen, Karl Vogel, in einer Übersicht Anhaltspunkte der sozialen Schichtung der Internierten lieferte der deutsche Lager­leiter des Internierungslagers Garmisch-Par­tenkirchen, Karl Vogel, in einer Übersicht der dortigen Lagerinsassen. Demnach waren 35,9 Prozent der Lagerinsassen Beamte, ihnen folgten freiberuflich Tätige mit 12,1 Prozent, Bauern und Landwirte mit 11,9 Prozent, Handwerker mit ebenfalls 11,9 Prozent und Angestellte mit 11,7 Prozent". Zu ähnli­chen Ergebnissen kam Eugen Kogon in einem Bericht über die Insassen des Darmstädter Lagers: 2751 Internierte waren früher als Staats- und Kommunalbeamte tätig gewesen, 1757 Angestellte im öffentlichen Dienst, 1249 Bauern und 1111 selb­ständige Kaufleute. Laut Vogels Bericht befanden sich am 15.10.1945 im Lager Gar­misch-Partenkirchen 2102 ehemalige Politische Leiter der NSDAP: Sie gliederten sich nach ihrer Rangstufe folgendermaßen auf:

Mitglieder der Stabsämter vom Reichsleiter der NSDAP

30

Mitglieder von Gauämtern der NSDAP

45

Mitglieder von Kreisämtern der NSDAP

210

Ortsgruppenleiter der NSDAP

841

Sonstige Amtsträger in Ortsgruppen der NSDAP

839

Zellenleiter

40

Blockleiter

87

Ortsbauernführer

10

2102

Die Funktionäre, die das NS-Regime auf der Orts- und Kreisebene repräsentiert hatten, machten rd. 90 Prozent der Internierten aus. Das lag wohl auch daran, dass viele prominente Reichs- und Gaulei­ter in den Wirren der letzten Kriegstage unterge­taucht waren, manch einer seinem Leben ein Ende gemacht hatte und nicht wenige als mutmaßliche Kriegsverbrecher in Speziallagern wie Dachau, Ludwigsburg oder im Nürnberger Gefängnis saßen und auf ihre Prozesse warteten."

Quelle: Martin Broszat, Klaus-Dietmar Henke, Hans Woller (Hrsg.), Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland - (München 1990) Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 26 - S. 304 ff

 

„Für das Lager Garmisch-Partenkirchen sind folgende Gerüchte bezeugt: Im Februar 1946 kam die Nachricht auf, dass „zwischen Amerika und Russland Krieg geführt" werde und „die Lagerinsassen in Arbeitskompanien an die Front geschickt" würden. Eine andere „Latrine" besagte: Das Lager werde gänzlich aufgelöst, weil Ostflüchtlinge in der Kaserne untergebracht werden müssten".

Aus: Martin Broszat, Klaus-Dietmar Henke, Hans Woller (Hrsg.), Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland (Mün­chen1990) S. 308

 

Otto Kirschmer (1898-1967)
Professor für Angewandte Hydraulik und Maschinenbau an der TH Dresden, ab 1943 Leiter der Ver­suchsanstalt für Wasserbau und Wasserkraft in Obernach am Walchensee

Die Internierung

"Am 22. Juni 1945 wurde ich in Wallgau »abgeholt« (picked up und ins vornehme internment camp 8 (Jägerkaserne Garmisch) gesteckt. Von da ab lief ich, wie ein Verbrecher, unter der Nummer: 8-2681 AA. Die beiden letzten Buchstaben bedeuten automatic arrest. Die Gesellschaft war gemischt: Es waren einige Parteigrößen darunter; in meinem Block waren es aber Diplomaten, Professoren, hohe Beamte und hohe Offi­ziere. Ich gestehe, noch selten in so guter Gesellschaft gewesen zu sein. Die Amerikaner führen an, dass es in Deutschland nach den aufgefun­denen Listen 13.199.778 Pgs gege­ben habe. Da sie gewohnt sind, alles statistisch zu erfassen, haben die Amerikaner folgende Eintei­lung vor­genommen:

 

hartgesottene Nazis

10%

gemäßigte, mit Vorbehalten

25%

 

unpolitische Deutsche

40%

 

passive Antinazis

15%

 

aktive Antinazis

10%

 

100%

Von den Deutschen, die unter den automatic arrest fielen, waren alle jene Beamte, die zur Gehalts­gruppe A 2 - C 2 und höher gehörten. Das waren u. a. alle Räte (Ministerialrat, Regierungsrat, Studien­rat, Finanzrat, Postrat, Forstrat, Polizeirat, Kirchenrat...). Der Ministerialrat wurde eingesperrt, der Mi­nisterialdirigent meist nicht. Wenn einer gesagt hätte, er habe ein Fahrrad, wäre er auch interniert worden. Außerdem wurde alles eingesperrt, was mit »Stab« zu tun hatte, sogar alle Stabsgefreiten (Gefreite des Großen Generalstabes!). Diese automatische Arrestierung trieb die sonderlichsten Blü­ten. Bei uns war ein »Bauer und Kreisbullenhalter«. Wegen des Kreisbullen kam er in die Gruppe der Kreisleiter. Ein anderer war Angestellter der Wach- und Schließgesellschaft und hatte zwei gekreuzte Schlüssel am Revers seines Rockes. Weil dieses Abzeichen in keinem Uniformbuch zu finden war, wurde der Mann vorsichtshalber ein Jahr lang in der Jägerkaserne ein­gesperrt. Ein Studienfreund von mir war »Gauhauptstellenleiter« im Amt für Technik. Die Amerikaner stuften ihn als "Gauleiter« ein und behielten ihn zwei Jahre unter »erschwerten Bedingungen«. Wir fragten natürlich, welchen Status wir hätten, ob wir z. B. den Schutz des Roten Kreuzes genießen u. a. Der amerikanische Komman­dant ließ verkünden: »Sie sind Internierte und Menschen ohne Recht«. Bei der Einlieferung ins Lager gab es ständig Misshandlungen. Neben mir stand Josef Tiso, Staatspräsident der Slowakei; er wurde halb zu Tode ge­prügelt. Für seinen Begleiter, einen Prälaten Murin, bat Tiso um Schonung, da er nur Geistlicher und kein Politiker sei. Darauf wurde er erst recht misshandelt. Die amerikanischen Scher­gen (anders kann man nicht sagen) fluchten dabei in einem fort. Ein ungarischer Diplomat sagte zu mir: »Was für ein armes Volk — sie haben nur drei Flüche, die sie ständig wiederholen. Wenn ein Ungar flucht, kann er eine halbe Stunde lang fluchen, ohne sich einmal zu wiederholen!«

Tiso, mit dem ich im Lagerblock viele Hungerspaziergänge machte und der mir immer wieder sagte, dass er am Protestantismus am meisten das Fehlen des schönen Madonnenglaubens vermisse, wurde am 16. Okto­ber 1945 an die Tschechen ausgeliefert und am 18. April 1947 in Preß­burg hinge­richtet. Er verabschiedete sich mit den Worten: „Ich weiß, dass ich in den Tod gehe, aber ich fürchte ihn nicht“. Im Lager musste man sich mit der amerikanischen Rechtsauffassung vertraut machen, die da lautet: Strafen — Bewähren — Versöhnen — Verzeihen. Der Amerikaner hielt sich aber nicht an zwei von den Römern übernommene und in allen Kulturstaaten anerkannte Rechtsauffassungen: 1. nulla poena sine lege, 2. in dubio pro reo.

Während sonst bei Gerichtsverfahren stets das Gericht die Beweispflicht hat, gingen die Amerikaner davon aus, dass jeder Internierte ein Schurke sei — wenn nicht, solle er es beweisen.

Sehr schnell wurden die Amerikaner unsicher: Sie konnten einfach nicht fassen, weshalb wir, die wir doch als Verbrecher galten, eine so tadellose Ordnung hielten. In ihren Tornisterführern, die sie uns zeigten, stand: Alle Deutschen sind verbrecherisch veranlagt; alle Deutschen lügen; auch Antinazis sind Deutsche; no fraternization. Als wir einmal in einem Gespräch mit amerikanischen Offizieren sagten, dass doch auch sie gegebene Befehle ausführen müssten, gaben sie zur Antwort: „Gewiss, aber in der US-Army sind unmoralische Befehle wie in Deutschland unmöglich.“ Ich denke in diesem Zusammenhang an Generalfeldmarschall Kesselring, der bei seiner Vernehmung sagte: „Sollte ich nochmals einen Krieg mitmachen müssen, so nehme ich einen Rechtsanwalt mit.“

Als Internierte hatten wir trotz aller hermetischen Absperrmaßnahmen schnell Verbindung mit der Au­ßenwelt. Unser Schutzengel war der evangelische Pfarrer von Mittenwald, Lic. theol. Detlef von Wal­ther. Er  sollte  Lagerverbot erhalten,  weil er Nachrichten hin- und herschmuggelte. Dem Lagerkom­mandanten sagte Herr von Walther mutig: »Solange diese Menschen so schlecht behandelt werden, ist es meine Pflicht als Christ und Mensch, ihnen zu helfen, wo ich kann.« Meine Aufgabe war es, die Lagerkartei zu führen, und dies machte ich zur Sicherheit gleich doppelt, denn eines Tages fehlten 200 Karten. Amerikaner, die sie entnommen hatten und nach Heidelberg bringen sollten, warfen sie im Suff aus dem Jeep. Diese Leute hätten später ge­fehlt, und erst bei Auflösung des Lagers hätte man gefragt: »Was tut Ihr noch hier?«

Am Sonntag, dem 1. September 1945, ging ich auf der Lagerstraße, als eine größere Gruppe von Jeeps angefahren kam. Aus dem ersten stieg ein Offizier mit vier Sternen am Stahlhelm und ging auf mich zu. Ich kannte die Rangabzeichen der US-Army nicht, ahnte aber, dass es ein hoher Offizier sein müsse. Es war General Patton. Er fragte mich nach den Zuständen im Lager und verlangte  10 Inter­nierte, die englisch sprechen würden. Ich holte sie, darunter zwei Ärzte. Patton war von dem Gehörten und Gesehenen entsetzt und befahl die sofortige Auf­lösung des Lagers. Besonders wütend war Pat­ton darüber, dass er in der Kommandantur keinen einzigen Offizier antraf: sie waren irgendwo beim Weekend. Nur ein Master-Sergeant, indianischer Abkunft, war anwesend, den Patton anbrüllte. Ebenso brüllend gab dieser zurück: „Was schreien Sie denn mich an, General, ich bin doch da.“ Die­ser Auf­tritt hat mir imponiert. — Am 14. September 1945 begannen die Ent­lassungen, und ich schrieb Tag und Nacht Entlassungspapiere. Aber schon vom 1. Oktober an mussten auf Befehl von Präsident Truman alle wieder eingefangen werden...

Abschließend muss ich hinzufügen, dass sich allmählich ein geistig und künstlerisch hochstehendes Lagerleben eingespielt hatte. Ich habe einen ganzen Band von im Lager entstandenen Gedichten gesammelt; wir hatten eine wissenschaftliche Akademie mit 81 Professoren und so schöne Theater­aufführungen unter der Regie von Hans-Hellmut Kirst, dass amerikanische Offiziere bis von Nürnberg kamen. Nachstehend sind zwei Gedichte aus dem Lager »Jägerkaserne« wieder­gegeben, von denen das erste das Missgeschick eines Internierten be­schreibt, den man im Außendienst vergessen hatte, während das zweite sich mit der Hungerperiode im Lager befasst.

Am 5. Februar 1946 wurde ich als einer der ersten entlassen. Ich hege keinerlei Groll gegen die Ame­rikaner und gedenke dankbar vieler schö­ner Stunden im Lager. Ebenso dankbar bin ich meiner Frau, die alles Erdenkliche in materieller, geistiger und seelischer Hinsicht tat, um mir das Leben hinter Sta­cheldraht zu erleichtern…“

Aus: Otto Kirschmer, Auch Professoren sind Menschen. Nachdenkliche und heitere Erinnerungen eines Hochschullehrers (1967) S. 122-130

 

"Tiger-Club"
Garmisch-Partenkirchen, 23. August 1945 - Bäckerkompanie und Panzer bewachen Hitler-Untertanen.

"Während die Welt eifrig auf die Verhöre der Nazi-Kriegsverbrecher wartet, die irgendwann im kom­menden Monat in Nürnberg beginnen werden, befinden sich hier im Gefangenenkomplex, angelehnt an die Berge dieser bayerischen Erholungsstadt, Schauplatz der Winterolympiade 1936, diejenigen, die warten, wägen und bedauern. Diese sind die Kriegsverbrecher, die jetzt der Bäckerkompanie 5), dem 54. schweren Inf.-Batl., überantwortet sind, die in Verbindung mit dem 21. Panzer-Batl., wesentli­chem Teil von Generalmajor Fay B. Pricketts berühmten 10. schweren „Tigern", wieder einmal eine ihnen übertragene schwere Aufgabe erfüllten. Indem sie eine Zweckeinheit entfalteten, welche den Vorstoß von Rundstedts vor den Toren von Bastogne aufhielten, sind diese Kriegsveteranen heute Bewacher von 3857 unfreiwilligen „Gästen".

Das Gefängnis selbst ist ein ungeheurer Komplex von einigen zwanzig Gebäuden, die eine Fläche von H/2 Quadratmeilen bedecken. Früher eine deutsche Kavallerieschule, die einmal von dem Dröh­nen der donnernden Hufe von Kavallerietruppen widerhallte; jetzt hallt der Komplex nur von dem überdrüssigen, schleppenden Schritt von Männern und Frauen wider, die mit der Eroberung der Welt spielten und verloren. Um­geben von doppelten schweren Stacheldrahtzäunen von zehn Fuß Höhe, führen die Gefangenen ein Leben, das in scharfem Gegensatz zu dem Leben steht, das deutsche Gefangene im Lager Dachau führten. Wachtürme, die sich einige 30 Fuß hoch erheben, decken jeden Fußbreit des Gefangenengeländes mit schweren Maschinengewehren, bemannt von harten Kriegern, die dem Deutschen im Gefecht begegneten und ihn kennen und verstehen, wie nur solche Männer ihn kennen und verstehen können.

Das Gefängnis, errichtet von Maj. S. D. Perrin aus Winchester, Mass., und dem 21. Panzer Batl., jetzt unter dem Befehl von Maj. Emmet H. McCrary, ebenfalls vom 21. Panzer Batl., ist ein Muster ameri­kanischer Leistungsfähigkeit und Entschlossenheit. Auf unserem Wege durch das Lager, geführt von Gend. (Provost-)Sgt. Edmond F. Waterman des 21. Panzer Batl. und Westbrook, Me., wurde uns er­laubt, die Unterkünfte, die Lebensbedingungen und alle anderen Erleichterungen, einschließlich der physischen Einrichtung des Gefängnisses, zu inspizieren.

„Bäckerkompanie" = „B"-Kompanie, 2.  Kompanie.  Diese  Deutung entspricht der amerikanischen Buchstabiertafel. Die Quartiere waren sauber und gut gehalten. Die Nahrung, obwohl einfach, war mehr als ausrei­chend, um eine gut ausgeglichene Kost auf­rechtzuerhalten. Erholungs-Erleichterungen waren auf den Exerzierplatz beschränkt.

Tatsächlich befinden sich wenige Kriegsverbrecher im Gefängnis. Die meisten Gefangenen werden aus Sicherheitsgründen festgehalten oder als Quellen von Informationen, welche wertvoll sein werden, um die Ver­folgung der Hauptkriegsverbrecher zu fördern. Der größte Teil ist be­gierig, diese Informa­tionen zu liefern.

Die als Kriegsverbrecher klassifizierten sind fast einmütig wegen Ver­übung von Abscheulichkeiten beschuldigt.

Die Verbrecher. Unter diesen befinden sich die frühere Haupt-bewachungsmannschaft von Dachau und ihre Untergebenen. Wachmannschaften von Buchenwald sind auch auf der Liste. Da ist eine un­bedeutende, brünette Frau im Komplex, beschuldigt 4000 Personen in den Tod geschickt zu haben. Äußerlich ist sie nicht verschieden von einer Durchschnitts-Amerikanerin, aber die Behörden haben sie hoch auf die Schuldliste gesetzt. Dann sind da auch Personen gefangen, die für die Tötung von über deut­schem Gebiet abgeschossenen alliierten Fliegern verantwortlich sind. Es befinden sich hier Verbrecher aller Typen. Meistens sind sie Mörder und Totschläger. Ihre Protokolle lesen sich wie Er­zählungen der spanischen Inquisition."

Aus: „Tiger Club" - Die 54er und 21er bewa­chen Kriegsverbrecher - Zeitung der 10. US-Panzerdivision 25.August 1945

 

Evangelische kirchliche Betreuung
Pfarrer Karl Steinbauer

„Im Sommer 1947 betritt zum ersten Mal auch Karl Steinbauer das Lager Moosburg. Der leidenschaft­liche fränkische Pfarrer hatte jedes Zugeständnis an die Hitlerdiktatur abgelehnt, wurde deswegen von Nazifunktionären verhört, gefangen gesetzt und schließlich »begnadigt« - zum Kampfeinsatz an der Front in Russland. 1947 macht die bayerische Landeskirche ausgerechnet ihn, den profilierten Mahner gegen den Nationalsozialismus und Kritiker Meisers, zum Seelsorger für die internierten Nationalso­zialisten in Moosburg, Regensburg, Nürnberg-Langwasser, Göggingen, Garmisch und Hammelburg. Sein Dienstsitz ist Moosburg.“

Quelle: http://www.sonntagsblatt-bayern.de/news/aktuell/2007_03_01_01.htm

 

Katholische kirchliche Betreuung
Pfarrer Josef Bittel

„… Eine neue schwierige Seelsorgsaufgabe ist hier aufgetreten, da die hiesige Jä­gerkaserne neues­tens in ein politisches Gefangenenlager mit mehreren tau­send Häftlingen verwandelt wurde, das auf das Allerschärfste bewacht wird. Durch Vermittlung einer Dolmetscherin ist es dem Ortspfarrer gelun­gen, Ein­gang zur Lagerleitung zu bekommen und die Erlaubnis zum Beichthören und zur Abhaltung von Lagergottesdiensten zu erhalten. Am kommenden Sonn­tag - Portiunkula — sollen die ersten Gottesdienste sein. Wie der Verlauf und der Erfolg sein wird, kann erst die nächste Zukunft lehren.“

Quelle: Peter Pfister (Hrsg.), Das Ende des Zweiten Weltkriegs im Erzbistum München und Freising - Die Kriegs- und Einmarschberichte im Archiv des Erzbistums München und Freising Redaktion: Roland Götz und Guido Treffler Teil II Regensburg 2005 - Pfarrei Garmisch - Berichterstatter: Pfarrer Josef Bittel Datum: 30. Juli 1945

 

Bericht eines Lagerinsassen
"Automatic Arrest"

„Klingt harmlos, aber wenn man auf einen Sitz hunderttausend von Menschen, sei es mit, sei es ohne zureichenden Grund, in „Automatic arrest" bringt (in einer Zeit, wo Nahrungsmittel schon knapp sind), so sind die Unzuträglichkeiten unvermeidlich. Solche kamen auch. Nachdem ich zuerst ohne Verhör in eine Zelle eingesperrt worden war, kam ich nach Umwegen zu einem Massentransport von stehend auf einem Last­wagen zusammengepressten Menschen in ein Lager in einer Kaserne in Garmisch. Ich war der Meinung, dass ich hier verhört und entlassen werden sollte. Dem war aber nicht so, sondern die Entlassung kam erst elf Monate später. Wir mussten vom Wagen abspringen, Über den Kaser­nenhof laufen und uns auf der anderen Seite desselben in einem Karree aufstellen. Ich lief zu lang­sam und erhielt deshalb von einem großen kräftigen Soldaten einen wohlgezielten Tritt, dass ich ein Stück über den Kiesboden flog und mit blutendem Knie liegen blieb. Wieder aufgestanden, verfluchte ich, dass in Babylon die Sprachen verwirrt worden sind; es gelang mir nicht, meinem amerikani­schen Bedroher klar zu machen, dass ich kein Verbrecher sei. Im Karte angekommen, hörte ich klatschende Geräusche. Ein Soldat ging außen herum (ich stand glück­licherweise etwas tiefer) und teilte wahllos kräftige Ohrfeigen aus. Die Nacht über in einem Schuppen zusammengepfercht, erfuhren wir zweier­lei: Erstens, dass das Schlimmste sei, nach dem Verhaftungsgrund zu fragen, und zweitens, wir soll­ten die mitgebrachten Lebensmittel aufessen, denn es würde uns alles abgenommen. Dieses geschah am nächsten Tag sehr gründlich. Am meisten vermisste ich die Zahnbürste und seit dieser Zeit achte ich dieses vorher selbstverständlich gewordene Instrument sehr hoch. In der Folgezeit waren körperli­che Misshandlungen selten, aber wir litten schwersten Hunger. Das Brot, das wir erhielten, war meist schimmelig, sonst gab es nur am Morgen eine Art von dünnem Kaffeersatz und am Abend warmes Wasser, in dem einige Kräuterblätter gekocht waren. Die Folgen dieser Art des akuten Nahrungsent­zuges und die Unsicherheit der Lage (Schreiben an Angehörige oder sonst jemand wurde erst ein Vierteljahr später erlaubt) waren empfindlich. Es ist mir aber bald klar geworden, dass das Ganze eine Art Prüfung zu bedeuten habe, und dass auch Miss- Handlungen vielleicht auch dann einen Sinn ha­ben könnten, wenn sie ungerechter Weise ausgeteilt werden (natürlich bin ich kein Freund der Prügel­strafe), übrigens habe ich später offiziell Beschwerde eingelegt bei der Lagerleitung wegen körperli­cher Misshandlung. Man hat diese nicht abgestritten und sie bedauert, wie ausdrücklich festgestellt sei. Es gibt auch Internierungslager, wo eine solche Beschwerde nicht vorstellbar ist. Am Anfang glaubte ich, dass wir „liquidiert" werden sollten. Als ich einmal - schwerhörig - in der Frühe einen Be­fehl hörte, verstand ich „Aufstehen zum Er­schießen". Ich stand ruhig auf und war erstaunt, als es dann nur zu einem gewöhn­lichen Apell (sic!) ging, der zwar auch keine Annehmlichkeit war, aber doch nicht lebensbedrohend. Unvorstellbar ist, was alles verboten war, z. B. Löwenzahn-pflücken im Hof (als Vitaminersatz sehr begehrt) oder englischer Unterricht Ich wurde einmal schwer gerüffelt, weil ich angeblich meinen Löffel nicht geputzt hatte (er hatte eine endogene Krankheit); gehorsam musste ich erneut den Löffel reinigen, obwohl ich wusste, dass es zwecklos sei.

Die Schicksalsgenossen gehörten den allerverschiedensten Schichten an, darunter viele Akademiker (Privatdozenten, Künstler usw.) Viele waren ausgesprochene Nazis gewesen, manche aber auch das Gegenteil (Verhaftungsgrund z. B. irgend einen Titel, der den schlecht informierten Amerikanern ge­fährlich erschienen war). Jetzt waren wir alle gleich. Niemals möchte ich diese Lagerzeit missen…"

Quelle: Hirnforschung in Deutschland 1849 bis 1974 - Briefe zur Entwicklung von Psychiatrie und Neurowissenschaften sowie zum Einfluss des politischen Umfeldes auf Wissenschaftler . Reihe: Schriften der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften , Nummer 13 - Peiffer, Jürgen (Hrsg.) (2004)  S. 1020ff

 

Hans Hellmut Kirst (1914-1989)
F.J. Strauß und H.H.Kirst

"In der Hamburger "Zeit" stand am 1. April zu lesen: "Strauß erinnert sich nämlich, dass Kirst in seinem Regiment NS-Führungs-Offizier und Nazispitzel gewesen ist und noch Ende April 1945 drei Offiziere aufhängen lassen wollte, die zu keinem Widerstand mehr bereit waren - darunter den ehemaligen Oberleutnant Strauß."

Die "Ruhr-Nachrichten" gingen in ihrer Osternummer noch mehr in die Einzelheiten der Kontroverse. Dort heißt es, dass sich am 20. April 1945, an "Führers Geburtstag" also, "der zur geheimen Widerstandsgruppe im Lager" gehörende Oberleutnant Strauß "eine Durchhalterede anhören musste, die vom Oberleutnant Kirst, dem NS-Führungs-Offizier, gehalten wurde.

"Strauß ... erzählt jedem, der es hören will, man habe in den letzten Kriegstagen den späteren Erfolgsautor Kirst buchstäblich überwachen, ja sogar zeitweise festsetzen müssen, damit er nicht Dummheiten mache, zu sinnlosem Widerstand gegen die anrückenden Amerikaner aufputsche oder gar die Waffen-SS zu Hilfe rufe."

Weiter: "Auf Betreiben von Strauß ... wurde Oberleutnant Kirst eingefangen und für sieben Monate in das US-Internierungslager Garmisch gebracht."

Die "Ruhr - Nachrichten" wollen sogar wissen, dass Strauß dazu erklärt habe: "Dass ein NS-Führungs-Offizier nicht wie alle anderen Truppenführer interniert worden sei, habe ihn einfach gewurmt, deshalb habe er die Amerikaner auf Kirst aufmerksam gemacht."

DER SPIEGEL 21/1954 vom 19.05.1954, Seite 30

  

"Während des Zweiten Weltkrieges wurde Kirst zum Leutnant und Oberleutnant befördert und war von 1944 bis 1945 Nationalsozialistischer Führungsoffizier (NSFO) und Lehrer für Kriegsgeschichte an der Flakschule im oberbayerischen Altenstadt. Der spätere bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß war sein Vorgänger in Altenstadt und bezichtigte Kirst 1945 bei den US-Amerikanern, Anhänger des Nationalsozialismus gewesen zu sein. Kirst verbrachte deshalb neun Monate im amerikanischen Internierungslager Camp 8 in Garmisch. Dort entstanden auch seine ersten literarischen Aufzeichnungen. Als politisch ‚unbelastet‘ entlassen, verhängte Strauß als Vorsitzender der Spruchkammer dennoch ein zweijähriges Schreibverbot gegen ihn. Aus dieser Zeit datieren die jahrelang erbittert geführten Auseinandersetzungen zwischen den beiden."
Aus: de.wikipedia.org/wiki/Hans_Hellmut_Kirst

 

„Das Camp 7 — »Camp for Civil Internees 7« — wurde im Juli 1945 von Angehörigen der Armee der Vereinigten Staaten in der ehemaligen Gebirgsjäger-Kaserne in Garmisch-Partenkir­chen errichtet. Es hatte im Verlauf eines Jahres an die viertausend Insassen. Sie erhielten eine Nummer und zusätzliche Kennzeichen, wie ST (Sicherheitsbedroher), BL (schwarze Liste), WC (Kriegsverbrecher) und AA (automatischer Arrest). Sie gehörten verschiedenen Altersschichten und Berufsgruppen an. Ihnen allen war gemein­sam, dass sie für »gefährliche Nazis« gehalten wurden. Und einige waren das auch.“

Hans Hellmut Kirst, Endstation Sehnsucht. Drei Romane der Kriegsgefangenen. Eine Trilogie: Letzte Station Camp 7 - Kultura 5 und der Rote Morgen - Faustrecht (Verlag Kurt Desch, München 1958) S. 8

 

“… Denn in diesem Gebirgsort befand sich nicht nur das Internierungslager mit seiner Wachmannschaft, sondern auch weitere Einheiten der Amerikaner: ein Panzerbataillon, zwei Lazarette, ein Verpflegungslager sowie drei Transportkompanien. Die frühere Bürgermeisterei war Amtssitz des Ortskommandanten geworden."

Hans Hellmut Kirst, a.a.O. S. 34

 

“… Straßensäuberung, Hilfsdienste für amerikanische Einheiten und Wiederherstellung des Eisstadions, in dem einst um olympische Ehren gerungen worden war - jetzt hatte sich hier eine Versorgungstruppe eingenistet.”

Hans Hellmut Kirst, a.a.O. S. 90

 

Christopher Reich
US-Autor

At nine o'clock, on a warm July evening in the Bavarian Alps, Erich Seyss stepped from the doorway of his assigned barracks and walked briskly across the grass toward the burned-out stable that housed the prisoners' latrine. He wore a shapeless gray uniform that carried neither rank nor insignia. No cap adorned his head. Only his arrogant gait and undaunted posture remained to identify him as an officer of the German Reich. In the distance, the sun's last rays crowned snowcapped peaks with a hazy orange halo. Closer, and less angelic, twin barbed-wire fences and a succession of spindly-legged watchtowers surrounded a five-acre enclosure, home to three thousand defeated soldiers.

POW Camp 8, as it was officially designated by the United States Army of Occupation, sat in a broad meadow on the western outskirts of Garmisch, a once chic resort that in 1936 had played host to the Winter Olympic Games. Until three months earlier, the compound had served as the headquarters of the German Army's First Mountain Division. Like Garmisch, it had escaped the war unscathed — weathered, perhaps, but untouched by a single bomb or bullet. Today, the assembly of stout stone buildings and low-slung wooden cabins housed what Seyss had heard an American officer refer to as "the scum and brutes of the German Army."

Seyss smiled inwardly, thinking "the loyal and proven" was more like it, then jogged a few steps across the macadam road that bisected the camp. In contrast to his relaxed demeanor, his mood was turbulent, a giddy mix of anxiety and bravado that had his stomach doing somersaults and his heartbeat the four-hundred-meter dash. To his left ran the prisoners' barracks, a row of stern three-story buildings built to sleep two hundred men, now filled with a thousand. Farther on hunched a weathered cabin that housed the radio shack, and ten meters past that, the camp commander's personal quarters. Barely visible at the end of the road was a tall wooden gate, swathed in barbed wire and framed by sturdy watchtowers. The gate provided the camp's sole entry and exit. Tonight, it was his destination.

In ten minutes, either he would be free or dead.”

Aus: Christopher Reich, The Runner (1991) Roman

 

"The Runner is the story of Devlin Judge, an ex-New York City detective turned lawyer on the hunt for Nazi SS soldier Erich Seyss, recently escaped from an American POW camp. Seyss, a former Olympic track star known as "The White Lion," is responsible for myriad heinous war crimes, including the murder of a platoon of unarmed American prisoners--one of whom was Judge's own brother. Initially a member of the International Legal Tribunal, set to try former Nazis for crimes against humanity, Judge begs for the opportunity to track Seyss down. With only a week in which to do so, his hunt for the cold-blooded killer leads Judge to a race not only for his own life but for the future of Europe itself. Judge is pursuing a killer, but he is also chasing the ghosts of guilt, having decided not to enlist in the hopes of advancing his legal career: "Erich Seyss was his confession and his penance, his expiation and absolution, all tucked into a black-and-silver uniform with a death's-head embroidered on its collar and his brother's blood on its cuff."

Aus: www.buechereule.de/wbb2/thread.php?threadid=60341

 

Karl Brandt (1904-1947)
Leiter der TS-Aktion zur "Vernichtung lebensunwerten Lebens"

"Karl Brandt wurde 1904 als Sohn eines Offiziere geboren. Er legte sein Abitur in Dresden ab. 1922 begann er ein Studium der Medizin in Jena, welches er in Freiburg und Berlin fortsetzte. Er trat im Januar 1932 in die NSDAP (Mitglieds-Nr. 1.009.617) und 1933 in die SA ein. Am 29. Juli 1934 wechselte er zur SS (SS-Nr. 260.353) im Rang eines Sturmführers. Am 14. Juni 1934 wurde Karl Brandt Hitlers Begleitarzt.

Ab dem 1. September 1939 war er zusammen mit Philipp Bouhler Hitlers Beauftragter für die Tötungen der Aktion T4 im Rahmen der sogenannten „Euthanasie“ in den NS-Tötungsanstalten Hadamar, Schloss Grafeneck, Schloss Hartheim, Sonnenstein, Bernburg sowie in Brandenburg.

Am 28. Juli 1942 wurde Brandt zum Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen ernannt. Teil seiner Aufgaben war die Schaffung von Bettenplätzen für Ausweichkrankenhäuser und Lazarette. Hierzu wurden in der nach ihm benannten „Aktion Brandt“ auch Patienten von Heil- und Pflegeanstalten verlegt oder getötet.

Brandt wusste von einigen medizinischen Menschenversuchen in den Konzentrationslagern. Versuche zur Malaria förderte er, die zur Hepatitis A regte er selbst an. Am 5. September 1943 wurde er durch Erlass Hitlers zum Leiter des gesamten medizinischen Vorrats- und Versorgungswesen und Koordinator der medizinischen Forschung.

Im Rahmen des Nürnberger Ärzteprozesses vom 9. Dezember 1946 bis zum 20. August 1947 vor dem Ersten Amerikanischen Militärgerichtshof in Nürnberg wurde er angeklagt, am 20. August 1947 zum Tode verurteilt und am 2. Juni 1948 in Landsberg am Lech hingerichtet."

Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Karl_Brandt_(Arzt)

 

Karl Wilhelm Ohnesorge (1872-1962)
Ohnesorge war von 1937 bis 1945 Reichspostminister

"Ohnesorge war der Sohn eines Telegraphenbeamten. Nach seiner Promotion zum Dr. Ing. war er seit 1890 bei der Reichspost angestellt. Ohnesorge studierte dann noch Physik in Kiel und Berlin und wurde Leiter des Postdienstes im Kaiserlichen Hauptquartier während des Ersten Weltkriegs. Nach dem Krieg war er Mitglied im Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund.[1] Seit 1920 war er mit Hitler bekannt, gründete noch im gleichen Jahr in Dortmund eine der ersten außerbayerischen Ortsgruppen der NSDAP und bezeichnete sich fortan als Hitlers „persönlichen Freund“. Im gleichen Jahr der Partei beigetreten (Mitglieds-Nr. 42), war er Träger des goldenen Parteiabzeichens der NSDAP.

Nachdem er 1929 Präsident des Reichspostzentralamts geworden war, wechselte er 1933 in das Reichspostministerium. Als Staatssekretär übernahm er faktisch die Leitung des Ministeriums, lange bevor er 1937 tatsächlich Paul Freiherr von Eltz-Rübenach als Postminister folgte.

Ohnesorge war nicht nur überzeugter Nationalsozialist, sondern auch ausgewiesener Techniker mit besonderem Interesse für die Übertragung von Bildsignalen über Draht und Funk. Rund um die von ihm als Privatwohnsitz requirierte malerische Hakeburg in Kleinmachnow direkt am Machnower See organisierte Ohnesorge in Steingebäuden und Baracken bis kurz vor Kriegsende High-Tech-Forschung, welche die weltweit modernste Funk-Fernsehtechnik mit anderen Technologien wie der Raketenforschung verknüpfte.

Unter seiner Leitung engagierte sich das Reichspostministerium auch erheblich in der Atomforschung. Neueste Forschungsarbeiten weisen darauf hin, dass Ohnesorge einer der treibenden Initiatoren für die Entwicklung einer deutschen Atombombe war. Mehrfach hat er dazu Hitler vorgetragen.[2] Insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Institut von Manfred Baron von Ardenne in Berlin-Lichterfelde ist dabei noch nicht in allen Einzelheiten aufgearbeitet. Hier sei besonders auf die Entwicklung eines elektromagnetischen Massentrenners hingewiesen, der wahrscheinlich 1943 in Bad Saarow aufgebaut wurde.[3] Auch in Zeuthen wurde mit dem Bau eines großen Zyklotrons und einer Pilotanlage zur Isotopentrennung begonnen. Die Entwicklung eines Lithium-Trenners im Jahre 1945 ist noch nicht geklärt.[4] Sie könnte allerdings auf die bislang noch kontrovers diskutierte Entwicklung einer thermonuklearen Bombe im Deutschen Reich hinweisen, für die Lithium-6 ein Grundstoff ist.

Hingewiesen werden soll noch auf die kurzzeitige Zusammenarbeit von Ardennes mit Fritz G. Houtermans im Jahr 1941. Während dieser Zeit schrieb Houtermans „Zur Frage der Auslösung von Kern-Kettenreaktionen“ (August 1941). Die Forschungsarbeit gibt explizit die Gewinnung von Plutonium an und seine Vorteile als Kernspaltstoff gegenüber U-235. In einem späteren Schreiben weist von Ardenne 1987 nochmals auf die Arbeit von Houtermans hin und fügt auch die Namen an, an die die Forschungsarbeit 1941 verteilt worden ist. Als Motiv gibt er an, dass sich niemand aus dem Kreis der deutschen Kernphysiker an diesen Forschungsbericht nach dem Krieg erinnern wollte.

In der Entnazifizierung nach 1945 stuften mehrere bayrische Spruchkammern Ohnesorge als Hauptschuldigen ein. Dieses Urteil wurde später zurückgenommen, die eingezogenen Vermögenswerte wurden nicht zurückerstattet, aber eine Pension bewilligt."

Quellen http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Ohnesorge

Hochlandbote 12.09.1947

 

Friedrich Fischer (1905-?)
Mitarbeiter der Gestapo im NS-Gau Thüringen

"Friedrich Fischer, geb. am 06.01.1905 in Barmen (Wuppertal) Er trat 1928 seinen Dienst als Krim.-Kom.-Anwärter bei der Kriminalpolizei Duisburg an. Nach dem Besuch eines Krim.-Kom.-Anw.-Lehrgangs beim Polizeiinstitut in Berlin-Charlottenburg erfolgte die Übernahme als Hilfskommissar bei der Politischen Abteilung des Polizeipräsidiums in Berlin, 1932 die Ernennung zum Kriminalkommissar. Am 2.5.1933 wurde er zum Polizeidezernat des Regierungspräsidenten Frankfurt/Oder und Übernahme der Leitung des Referates Spionage abgeordnet und 1935 von der Staatspolizeistelle Frankfurt/Oder übernommen. Von Juni 1936 bis Anfang November 1943 tat er Dienst bei der Staatspolizeistelle Magdeburg. Im Januar erfolgte 1940 die Beförderung zum Kriminalrat. Nach eigenen Angaben wurde er im Juni 1943 vom Dienst suspendiert, das eingeleitete Strafverfahren jedoch eingestellt. Im November 1943 kam er zur Staatspolizeistelle Weimar als Leiter der Exekutive. In dieser Funktion war er auch verantwortlich für die Außenstellen und die im Bereich der Stapostelle gelegenen Fertigungsstellen für V-Waffen. Zum Kriegsende hielt er sich bei Saalfeld verborgen, wurde jedoch von den Amerikanern gefangen genommen. Bis März 1948 war er in verschiedenen Internierungslagern (Oberursel, Ludwigsburg, Garmisch-Partenkirchen, Moosburg) inhaftiert und wurde schließlich in Sandbostel mit Freispruch entnazifiziert. Ab dem 1.10.1955 war er im kriminalpolizeilichen Dienst beim Oberkreisdirektor Dinslaken tätig, später in Wuppertal. 1960 erfolgte die Beförderung zum Polizeihauptmeister. Am 23.2.1968 sagte er vor dem Untersuchungsrichter I des LG Düsseldorf als Zeuge im Verfahren gegen Wolff u.a. aus."

Quelle: http://www.thueringen.de/imperia/md/content/lzt/lzt_band2_polizei.pdf

  

Konstantin Hierl (1875-1955)
Reichsarbeitsführer

  • 1927 Mitglied der NSDAP

  • 1933 Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium

  • 1933 Beauftragter des Führers für den Reichsarbeitsdienst

  • 1935 Reichsarbeitsführer

  • 1943 Reichsminister

  • 1945 als Hauptschuldiger eingestuft

  • 5 Jahre Arbeitslager und Einzug des halben Vermögens

  • Nach Entlassung völkischer Publizist und Propagandist

Quelle: In Camp 8 – s. Brief aus der Gefangenschaft von 13.06.1947

 

Eleonore Baur (1885-1981)

"Eleonore Baur, bekannt unter dem Namen "Schwester Pia ", Mitglied von Hitlers Partei seit 1920. Sie beteiligte sich mit den "Alten Kämpfern" an dem Marsch zur Feldherrnhalle am 9. November 1923 und wurde als einzige Frau von Adolf Hitler mit dem Blutorden ausgezeichnet. Am 9. November 1923 misslingt Adolf Hitlers Münchner Putsch. Schon damals an seiner Seite: Eleonore Baur, die später Dachauer KZ-Häftlinge für sich schuften lässt - und reges Interesse an Menschenversuchen zeigt."

Quellen:

Hans Holzhaider, Nazi-Ikone Blutschwester Pia - "Von allen Teufeln gehetzt" - in: Süddeutsche Zeitung, 17.05.2010

http://de.wikipedia.org/wiki/Eleonore_Baur

 

Jozef Tiso (1887-1947)
Kardinal der katholischen Kirche in der Slowakei

"1938 Nachfolger des verstorbenen Parteiführers Hlinka. Als am 6. Oktober 1938 im Abkommen von Zilina der Slowakei innere Autonomie zugestanden wird (im Gefolge des »Münchner Abkommens«), wird J.T. erster Ministerpräsident der autonomen Slowakei. Seine Absetzung durch die Prager Zentralregierung am 9. März 1939 wird zum Anlass für das nationalsozialistische Deutschland, die sog. »Rest-Tschechei« zu besetzen und in ein »Reichsprotektorat« umzuwandeln. Die Slowakei wird zum unabhängigen Staat unter deutschem Schutz (»Schutzstaat«) erklärt (14. März 1939).

Ende August 1943 besetzte die deutsche Wehrmacht das Land und degradierte die Regierung der Slowakei zu einem Marionetten-Regime.

Nach dem Einmarsch der Roten Armee floh J.T. über Kremsmünster (Österreich) nach Altötting (Bayern). Dort wurde er festgenommen und nacheinander in Freising und (ab 23.07.1945) Garmisch-Partenkirchen inhaftiert. Trotz eines Antrages auf Asyl wurde er auf ein Ersuchen der neuen tschechoslowakischen Regierung hin an diese ausgeliefert. Am 2. Dezember 1946 wurde der Prozess gegen J.T. und einige andere Minister der slowakischen Regierung eröffnet. Im einzelnen warf man J.T. vor: 1. Die Arbeit für die slowakische Selbständigkeit vor dem 14.3. 1939; 2. Verbrechen gegen das slowakische Volk im Bündnis mit Hitler; 3. Verbrechen gegen den nationalen (kommunistisch gelenkten) Aufstand gegen Hitler (Herbst 1944); 4. Unmenschliche Taten, bes. die Beihilfe zur Vernichtung der slowakischen Juden. Am 15. April 1947 wurde das Todesurteil verkündet, am 18. April im Gefängnis von Bratislava durch den Strang vollzogen.

Tisos Beteiligung an der Deportation und Vernichtung der slowakischen Juden. Insgesamt wurden in zwei Schüben 1942 über 57 000 Juden in die polnischen Vernichtungslager deportiert, von denen nur wenige Hunderte überlebten. Ohne Zweifel war J.T. vom traditionellen Antisemitismus des Sozialkatholizismus in der Doppelmonarchie geprägt worden. Er empfand die Juden als Ausbeuter des slowakischen Volkes und war als Politiker bestrebt, den jüdischen Einfluss in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zurückzudrängen. So kam es am 9.9. 1941 zur Verabschiedung des berüchtigten »Judenkodexes«, der die Juden praktisch aller staatsbürgerlichen Rechte in der Slowakei beraubte. J.T. hat diesen »Kodex« nicht unterschrieben, aber er dachte wohl an eine mögliche Aussiedlung der Juden. In einer Rede am 15.8. 1942 hat er die Deportation verteidigt (»Die Slowaken haben sich ihrer Schädlinge entledigt!«)."

Quelle: http://www.kirchenlexikon.de/t/tiso_j.shtml

 

Hans F. Rose (1908-1994)
Mitarbeiter im Reichspropagandaministerium

„Da wir zur amerikanischen Besatzungszone gehörten, wo rigoros alles verhaftet und in Internierungslager gebracht wurde, was irgendeiner NS-Organisation angehört hatte, Beamter war, einen Titel trug oder der Sympathie mit der Partei verdächtig war, zudem die Gemeindeämter Meldeblätter mit allen Angaben besaßen, blieb es nicht aus, dass auch wir - Papa, Heinz, Irmgard und ich, aber auch Heinz` Schwiegervater San. Rat Dr. Wilhelm May, in Kreuth abgeholt, unter "Automatischen Arrest" gestellt und in Internierungslager (Garmisch-Partenkirchen, Moosburg, Stephanskirchen, Ludwigsburg) gebracht wurden. Nur Schwägerin Trudel ließ man bei den fünf kleinen Kindern im Haus in Kreuth.

Wir teilten das Schicksal von vielen Tausenden in den Augen der Amerikanern "belasteter Personen", die auf ihre Überprüfung hinsichtlich begangener politischer "Untaten" wie "Kriegsverbrechen", "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", "Unterstützung des Nationalsozialismus", "Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation" usw. warten mussten. Bei meinem Zwangsaufenthalt in einer der alten Gebirgsjäger-Kasernen in Garmisch-Partenkirchen konnte ich mich über die Behandlung durch die US-Soldaten und die polnischen Bewacher nicht beklagen, sie verhielten sich korrekt und gaben die Möglichkeit zu Arbeitseinsätzen (Baumfällen, Aufräumungsarbeiten) und zu Freizeitgestaltung. Aber das war nicht in allen Internierungslagern so. Hier ergab sich, dass ich zum ersten und letzten Mal in meinem Leben zu einem Auftreten als Schauspieler engagiert wurde. Der mit mir inhaftierte ehemalige Generalintendant der bayerischen Staatstheater Oskar Walleck (man hatte ihm im "Dritten Reich" einen höheren SS-Titel ehrenhalber verliehen), überredete mich, die Rolle des Masham in der bekannten Komödie "Das Glas Wasser" von Eugène Scribe zu übernehmen. Es war für mich zwar nicht einfach, die lange Rolle des jugendlichen Liebhabers einzustudieren, aber sehr interessant, die Theaterarbeit unter der Regie eines bedeutenden Fachmannes kennen zu lernen. Ich hatte zwei reizende Partnerinnen, und die Aufführung in der großen Kasernen-Turnhalle vor etwa 2 000 Zuschauern und der gesamten amerikanischen Lagerbesatzung wurde zu einem großen Erfolg.“

Quelle: http://www.0700-rose1111.de/db80.html

 

Günther Quandt
Deutscher Großindustrieller

"Bereits im September 1946 wurde Günther Quandt eine erste, aller­dings noch kaum begründete Klageschrift zugestellt. Darin wurde er ver­dächtigt, ein »Hauptschuldiger« des NS-Regimes gewesen zu sein. Zu dieser Zeit herrschte allerdings noch Unklarheit darüber, welche Spruch­kammer im Falle Quandt zuständig war - die des Wohnortes oder die eines der Internierungslager, die Günther Quandt nach seiner Verhaftung durchlaufen hatte. Seine Anwälte konzentrierten ihre Bemühungen vor allem darauf, ihren Mandanten aus der Haft freizubekommen. Zunächst wurde Quandt wieder nach Garmisch verlegt. Von dort schrieb er am 10. Januar 1948 an die Spruchkammer in Starnberg. Der Unternehmer be­klagte sich bitter, „dass ich seit über 1 1/2 Jahren ohne wirklichen Grund in Haft bin«. Der Rüstungsindustrielle scheute sich nicht einmal zu behaupten, dass er »von der nationalsozialistischen Regierung jahrelang auf das Schwerste verfolgt worden« sei - eine in ihrer Absurdität kaum zu übertreffende Äußerung."

Quelle: Rüdiger Jungbluth, Die Quandts. Ihr leiser Aufstieg zur mächtigsten Wirtschaftsdynastie Deutschlands (2002) S. 219

  

Martin Sommer (1915-1988)
"Henker von Buchenwald"

Mitglied der Schutzstaffel und Aufseher in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald:

"Martin Sommer wurde als Sohn eines Bauern in Schkölen geboren, er besuchte die Volksschule und sollte wie sein Vater Bauer werden. 1931 trat er in die NSDAP und die SA ein. 1933 wechselte Sommer zur SS und 1934 in den Totenkopfverband „SS-Sonderkommando Sachsen“. Danach wurde er Aufseher zunächst in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Dachau und dann 1937 in Buchenwald. Hier wurde er Aufseher des berüchtigten Arrestbereichs (Bunker), in dem er mit besonders qualvollen Methoden inhaftierte Insassen folterte und tötete, darunter Paul Schneider und Ernst Heilmann mit Giftspritze, sowie bis zu 100 weitere Häftlinge mit besonders schmerzhaften Methoden. Außerdem war er für die Hinrichtung verurteilter Gefangener zuständig.

1943 ließ der SS-Richter Konrad Morgen Sommer verhaften und in ein Untersuchungsgefängnis in Weimar bringen. Für die oftmals nicht genehmigten Hinrichtungen und Methoden sollte Sommer der Prozess gemacht werden. Im März 1945 wurde er wie andere SS-Häftlinge an die Front geschickt und dort bei einer Panzerexplosion schwer verwundet. Er verlor dabei einen Arm und ein Bein und wurde von der US Army gefangen genommen. 1947 wurde er in das Versehrtenkrankenhaus Bayreuth entlassen, wo er im Februar 1950 festgenommen wurde. Der aufwändige Prozess gegen ihn endete am 3. Juli 1958. Sommer wurde wegen der Tötung von mindestens 25 Häftlingen durch Injektionen zu lebenslänglich verurteilt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der ehemalige SS-Haupt­sturmführer zunächst in Gar­misch interniert."

Quellen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Sommer

Bernd Mayer, Martin Sommers unfassbares Leben. Wie der „Henker von Buchenwald“ Bayreuths Justiz narrte - in: Heimat Kurier - Das historische Magazin des Nordbayerischen Kuriers Nr. 1/2007 S. 12f

  

 

 

Blick auf die Lage des US-Internierungslagers am westlichen Ende von Garmisch- Partenkirchen

Die späteren US-Sheridan Barracks in Garmisch-Partenkirchen

mit dem deutlich sichtbaren großen Lagerkomplex

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2015

 

 

 

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