8. Aufklärung und
Verdrängung
Das Spruchkammerverfahren gegen Hans
Hausböck
Kreisleiter Hans Hausböck,
der den Pogrom am 10. November 1938 von langer Hand propagandistisch
vorbereitet, durchgeführt und auch politisch zu verantworten hatte, war
im Jahre 1910 in München geboren. Er arbeitete als Elektromonteur im
väterlichen Betrieb in der Schellingstraße. 1931 wurde er
NSDAP-Mitglied, 1932 bis 1933 war er bei der Allgemeinen SS, von 1933
bis 1934 Sturmmann der SA, seit 1935 Stabsleiter beim NS-Gau München.
1937 wurde er mit der Kreisleitung der NSDAP in Garmisch-Partenkirchen
beauftragt, die er bis zum Dezember 1939 innehatte. Im Krieg bekleidete
er das Amt eines NS-Führungsoffiziers bei einer Division.
Nach dem Ende der
Hitler-Diktatur landete Hausböck - Ironie des Schicksals - beim
amerikanischen Soldatensender AFN in der Kaulbachstraße in München, wo
er für die Stromversorgung zuständig wurde. Am 5. September 1945 erst
stellte das CIC München fest, "subject was Kreisleiter
Garmisch-Partenkirchen until 1943. In 1943 he was punished by the party
for sex crimes and was sent to the army... He was a notorious Jewbater.
He is a smooth talker, but his record is that of an notorious Nazi.“
So sah ihn auch 1.
Bürgermeister Lödermann von Garmisch-Partenkirchen, der ihn als Zeuge
in der ersten Spruchkammerverhandlung so beschrieb: "Ein Exponent der
Naziideologie. Hat Garmisch durch den Judenpogrom 1938 in den
schlechtesten Ruf gebracht; ein unreifer, arroganter Mensch."
Hausböck kam zunächst am 17.
Oktober 1945 in das Internierungslager Moosburg und blieb in
Internierungshaft bis zum 1. Juli 1949.
Der Öffentliche Kläger bei
der Spruchkammer Dachau stützte seine Anklage auf die folgenden
Beschuldigungen:
"Nach dem augenblicklichen Stand der Ermittlungen (Dezember 1948) war der
Betroffene
1. in seiner Eigenschaft als Kreisleiter der allein Verantwortliche für
die Ausschreitungen des Judenpogroms in Garmisch-Partenkirchen,
2. durch sein Verhalten sind in Ga.-Pa. 4 Selbstmorde durch ihn
ausgewiesene Juden vorgekommen
3. hat er mit der Waffe in der Hand die Juden gezwungen, innerhalb
kürzester Frist Garmisch zu verlassen
4. in seiner Eigenschaft als NSFO galt er als gefährlicher
Nationalsozialist und war bei der Truppe gefürchtet."
Nach einer Verlegung des
Verfahrens zur Heimatspruchkammer Weilheim, Außenstelle
Garmisch-Partenkirchen, wurde am 18. März 1949 der Spruch gefällt.
Hausböck wurde in die Gruppe der Hauptschuldigen eingereiht und auf
die Dauer von 5 Jahren in ein Arbeitslager eingewiesen. Die bisher
verbrachte politische Internierungszeit wurde angerechnet. Sein Vermögen
sollte bis auf einen Betrag von DM 3000.- eingezogen werden. Ein
öffentliches Amt durfte er nicht mehr bekleiden
Begründet wurde dieser
Spruch damit, daß der Betroffene mit allen Mitteln versucht habe, als
Exponent der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft die Bevölkerung
gegen das "Judentum" aufzuhetzen und den Rassenwahn zu fördern.
Besonders zum Vorwurf wurde ihm gemacht, daß Frau Strauss ausdrücklich
durch sein Eingreifen von der Aktion verschont wurde. Gerade dieser
Fall, davon war die Spruchkammer überzeugt, zeige klar und eindeutig,
"daß der Betroffene genau so gut auch auf die kranken, gebrechlichen
und alten jüdischen Bürger hätte Rücksicht nehmen können und müssen.
Er tat es nicht."
Hausböck legte Berufung ein.
Am 1. Juli 1949 wurde der Spruch vom Berufungssenat in München
aufgehoben. Zur Begründung führte die Berufungskammer aus:
"Die Beweisaufnahme durch den Senat läßt nun den ganzen Fall doch in einem
viel milderen Licht erscheinen. Das ganze Verfahren wird stark
beeinflußt durch die Tatsache, daß nach der Judenaktion am 10. November
1938 vier Personen und zwar zwei in Innsbruck und zwei in Feldkirchen
Selbstmord begingen. Die Selbstmorde werden dem Betroffenen zur Last
gelegt. An Belastungsmaterial lagen der Vorinstanz einige Briefe und
Erklärungen von damals ins Ausland geflüchteter Juden, auch sind
einige Mischlinge als Belastungszeugen aufgetreten. Bei den meisten
handelt es sich um Verwandte, die keine Erlebniszeugen sind ... Es ist
ja ganz klar, daß die im Ausland sich befindenden Juden keine guten
Erinnerungen an Deutschland haben, daß sie haßerfüllt und dadurch
voreingenommen sind, wenn sie auch glauben, subjektiv gesehen, die
Wahrheit zu sagen. Die Erinnerung hat stark gelitten, die Aufregung war
eine furchtbare, und die Zeugen stellen die Vorgänge ohne böse
Absicht nur ungünstig dar."
Also - es war alles gar
nicht so schlimm, die "Erlebniszeugen" hatten Hausböck ein gutes Zeugnis
ausgestellt. Diese Zeugen waren:
- der fanatische NS- Schriftleiter des Garmisch-Partenkirchner Tagblatts
- zwei Ortsgruppenleiter der NSDAP Garmisch-Partenkirchen
- ein weiteres führendes Mitglied des Kreisamtes
Am 4. März 1950 erging der
zweite Spruch, der Berufung gegen den ersten Spruch vom 18.3.1949 wurde
stattgegeben. Der Betroffene wurde eingereiht in die Gruppe der
Belasteten, das Arbeitslager wurde von fünf auf zwei Jahre verringert.
An diesem Urteil erschreckt
nicht so sehr die Milde der einzelnen Strafen im Vergleich mit dem
Spruch von 1949. Es ist die Umkehrung der Täter/Opfer-Beziehung, die
auch heute noch schwer nachvollziehbar ist. Die Helfer und
Helfershelfer des überzeugten Gesinnungstäters Hausböck durften mit
ihren Aussagen als "Erlebniszeugen" die Erfahrungen und Erlebnisse der
Opfer einfach verdrängen. Einem ins Ausland geflüchteten Opfer traute
man weniger Objektivität und Erinnerungsvermögen zu als seinem in
Deutschland oft bis fünf Minuten nach Zwölf für die
nationalsozialistische Gewaltideologie kämpfenden Peiniger.
Das Urteil machte deutlich,
daß der Kalte Krieg das Interesse sowohl vieler Deutscher als auch der
ehemaligen alliierten Gegner an einer Weiterführung der
Säuberungsmaßnahmen einschlafen ließ. Antikommunismus im Westen,
Antikapitalismus im Osten Deutschlands waren das neue ideologische
Korsett - und damit konnten die ehemaligen Nazis in reichem Maße
dienen, waren doch für die Nazis und ihre Propaganda sowohl der
Kapitalismus wie der Kommunismus nichts anderes als eine teuflische
Erfindung des internationalen Weltjudentums zur Zerstörung
Deutschlands und der arischen Rasse.
Die Teilung Deutschlands,
die Eingliederung in zwei gegensätzliche Bündnisse haben den
Nationalismus in Deutschland 40 Jahre lang gedämpft. Es gefällt mir
nicht, daß - "Deutschland den Deutschen" - am 9. November 1993 die
gleiche Parole gegrölt wurde wie am 9. November 1938.
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alle Angaben aus:
1. Ermittlungsakten der Spruchkammer Garmisch-Partenkirchen gegen Johann
Hausböck, ehem. Kreisleiter (A 4 - 1711 / 3024 / 48)
2. Akten der Spruchkammer Garmisch-Partenkirchen: Johann Hausböck -
Berufungsregister Nr. 135/50 Berufungskammer für München (Gen.Reg.
2904/49 - K 10065)
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