3. "Der Zuzug von Juden ist
hier unerwünscht"-
Der Antisemitismus nistet sich im Rathaus
ein
Im öffentlichen Leben der
Gemeinden Garmisch und Partenkirchen zeigte sich sehr schnell, wie
ernsthaft und zu allem entschlossen die neuen Machthaber ihre
antijüdischen Propagandaphrasen in reale Politik bis hinab auf die
lokale Ebene umsetzen wollten.
Neben den noch
verhältnismäßig zaghaften Bemühungen, die geschäftlichen Beziehungen
im Fremdenverkehr und die öffentlichen Büchereien "judenfrei" zu
machen, ging man seit dem Herbst des Jahres 1933 in die Offensive: Der
ganze Ort sollte "entjudet" werden.
Zu diesem Zweck wurde am 22.
September ein erster Gemeinderatsbeschluß - und zwar gleichlautend in
den noch selbständigen Gemeinden Garmisch und Partenkirchen -
verabschiedet.
Auslöser war die
Feststellung, "daß sich hier eine nicht unerhebliche Anzahl von Juden
ansässig macht... Der Gemeinderat ist sich dahingehend einig, daß der
Zuzug von Juden unerwünscht, zu erschweren und - soweit möglich - zu
verhindern ist." Bürgermeister Thomma von Garmisch bedauerte
ausdrücklich, daß - obwohl "der Zuzug von Juden hier unerwünscht" sei -
"doch keine gesetzliche Handhabe bekannt (sei), dem zu steuern..."[22]
In den folgenden Wochen und
Monaten ließen sich trotz dieser Beschlüsse 16 jüdische Familien
nieder - wohl alle in der Hoffnung, am Rande des Reiches in einer
katholischen Hochburg den Nachstellungen und ständig wachsenden
Zudringlichkeiten und Unverschämtheiten der Nazis besser entgehen zu
können als in ihren meist fränkischen Heimatgemeinden, in denen
"Stürmer"-Herausgeber Julius Streicher besonders unnachgiebig zu
"Judenaktionen" trommelte.
Diese geringfügige
Zuwanderung jüdischer Familien veranlaßte Bürgermeister und
Gemeindeverwaltung, "ein Verzeichnis der in Garmisch wohnhaften
Personen jüdischer Abstammung und der Personen, deren
Religionsbekenntnis nicht feststeht", vorzulegen.[23]
Die Kennzeichnung der Juden in Garmisch-Partenkirchen begann jetzt
bereits, vorerst nur auf geheimen Listen, in denen Konfession, Haus-
und Grundbesitz oder die Zahl der "arischen weiblichen
Hausangestellten nach Alter und Wohnort" erfaßt wurden, später durch
öffentlich zu tragende gelbe Sterne.
Erstes Zeichen dafür, daß
die Bedrohung jüdischen Lebens durch die Nazis bis in die Gebirgsidylle
vorgedrungen war, war der Freitod zweier jüdischer Kurgäste in der
Pfingstwoche1934. Der Münchner Kaufmann Siegfried Frank und Dr. Walter
Gerstel aus Berlin hatten ihrem Leben in Garmisch ein Ende gesetzt.
Gerstel hatte den von den Nazis erzwungenen Verlust seiner Stellung
durch die Anwendung des "Gesetzes zur Wiederherstellung des deutschen
Berufsbeamtentums" - er war Generaldirektor der Berliner
Elektrizitätswerke gewesen - und die folgende gesellschaftliche
Zurücksetzung nicht mehr ertragen.[24]
Obwohl die jüdischen
Zuwanderer, wie die Polizei immer wieder in ihren Berichten betonte,
"völlig zurückgezogen" lebten -ein Gesuch um Erlaubnis zur Errichtung
einer rituellen Wirtschaft in Garmisch war die einzige Besonderheit -
stellte die NSDAP-Ortsgruppe Garmisch-Partenkirchen im November 1934 in
beiden Gemeinderäten einen weiteren Antrag, "gegen die Gefahr jüdischer
Ansiedlungen in unserem Ort mit den wenigen uns möglichen Maßnahmen
Front zu nehmen... Die Ansiedlung von Nichtariern ist in Garmisch bzw.
in Partenkirchen nicht erwünscht. Die dem Reichsverband deutscher
Makler angehörenden Immobilienhändler und die dem BDA angehörenden
Architekten sind von diesem Beschluß in Kenntnis zu setzen."[25]
Damit sollte "die jüdische Ansiedlung, wenn nicht ganz unterbunden, so
doch sehr erschwert werden."[26]
Diese Gemeinderatsbeschlüsse
traten aber nicht unverzüglich in Kraft, da Bürgermeister Thomma
zunächst noch eine "Prüfung der Lage im Hinblick auf die Olympiade 1936
in Garmisch-Partenkirchen"[27]
für geboten hielt.
Diese Vorsichtsmaßnahme
wurde schon im Frühjahr 1935 über den Haufen geworfen - die Juden
sollten ohne Rücksichtnahme auf internationale sportliche oder
diplomatische Folgen gejagt und vertrieben werden - "Judenhatz" in und
um Garmisch-Partenkirchen wurde zur vorolympischen Disziplin.
[22]
Archiv der Marktgemeinde
Garmisch-Partenkirchen VII/15/8, 22.09.1933, 26.09.1933
[23]
Archiv der Marktgemeinde
Garmisch-Partenkirchen VII/15/8, 13.01.1934
[24]
LRA Garmisch 61612,
30.05.1934
[25]
Archiv der Marktgemeinde
Garmisch-Partenkirchen VV/5/8, 20.11.1934
|