Garmisch-Partenkirchen und seine jüdischen Bürger  -  November 1938

 

 

 

 

 

08.11.1938 / "... gegen das Deutschland Adolf Hitlers"

Ankündigung der Gedenkfeiern zum 9. November im Kreis Garmisch-Partenkirchen in Garmisch-Partenkirchen und in zwölf weiteren Orte im Kreis mit NSDAP, SA, SS, NS-Frauenschaft, Reichsnährstand, NSB, HJ und BDM:
"Jude schießt auf Deutschen - Hoffentlich ist sich das jüdische Verbrechergesindel darüber klar, daß diese ruchlose Tat die schwersten Folgen für die Juden in Deutschland haben muß, ganz gleichgültig, ob sie nun aus dem Inland oder aus dem Ausland stammen. Einmal mehr hat die Ju­deninternationale gegen das Deutschland Adolf Hitlers ihr freches Haupt erhoben. Sie soll nicht darauf zu warten brauchen, daß der geführte Schlag auf sie selbst zurückfällt."

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 08.11.1938

 

10.11.1938 / Kreisleiter Hausböck

"Alle Juden sind mitverantwortlich! ... Unseren Toten sind wir ein sauberes Reich schuldig! Kreisleiter Hausböck fordert die Juden auf, den Kreis Garmisch-Partenkirchen zu verlas­sen."

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 10.11.1938

 

10.11.1938 / Bezirksamt Garmisch an Regierung von Oberbayern

"Bei Bekanntwerden des Todes des von Judenhand niedergeschossenen deutschen Gesandtschafts­rates I. Kl vom Rath hat sich der Bevölke­rung eine sehr starke Erbitterung bemächtigt. Allgemein wurde von der Parteigenossenschaft und von der SA nunmehr ein energisches Vorgehen gegen die im Kreisgebiet noch ansässigen Juden verlangt, so daß sich der Hoheitsträger der Partei veranlaßt sah, dieses Ver­langen in geordnete Bahnen zu lenken, um mögliche Ausschreitungen irgendwelcher Art von vornherein zu unterbinden. Sämtliche im Kreisgebiet noch vorhandenen Juden (etwa 40) wurden im Laufe des heutigen Vormittag vor den Kreisleiter vorgeladen, wo sie eine Er­klärung abga­ben, sofort das Kreisgebiet zu verlassen, niemehr in dieses zurückzukehren und ihren hiesigen Grund- und Hausbesitz durch Verkauf aufzugeben.
Im Laufe des Nachmittag sind in Verfolg dieser Erklärung sämtliche Juden aus dem Kreisgebiet abge­reist. Da aber für sie auch im übri­gen Reichsgebiet keine dauernde Bleibe mehr möglich sein wird, ... wird eine grundsätzliche Neuregelung, die der neuen Situation Rechnung trägt, für die Ausstellung von Auslandspässen für diese Juden notwendig. Sonst kann dem berechtigten Verlangen der Partei nach dem schleunigsten Verschwinden aller Juden nicht zum Erfolg verholfen werden.
Abgesehen von unbedeutenden kleineren Erbitterungsausbrüchen der Bevölkerung gegen die in der Kreisleitung erschienenen Juden wic­kelte sich die ganz Aktion völlig reibungslos ab. Der heutige Abend bringt noch Massenkundgebungen der Partei gegen die Juden im Kreisgebiet.  gez. Dr. Wiesend"

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61616

 

Wortlaut der "Eidesstattlichen Verpflichtung":

"Ich verpflichte mich mit dem nächsten erreichbaren Zug Garmisch-Partenkirchen zu verlassen und nie wieder zurückzukehren.
Ich verpflichte mich weiter, die in meinem Besitz vorhandenen Grundstücke, Gebäude und Waren sofort von meinem neuen Aufent­haltsplatz aus an einen Arier zu verkaufen.
Ich bin damit einverstanden, daß mich ab sofort bis zu meiner Ab­reise ein Arier zu meinem persönli­chen Schutz begleitet, bis ich mit dem Zug Garmisch-Partenkirchen verlassen habe.
Garmisch-Partenkirchen, den 10. November 1938
Unterschrift
Wohnort
Straße"

Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen

 

11.11.1938 / "Wenn einmal einer eine Ohrfeige bekam..."

Kommentar des Schriftleiters Fritz Brunner: "Wir wollen einfach keine Juden mehr se­hen bei uns, wir wollen endlich Sauberkeit... Heute beweist sich die Richtigkeit des Weges ... als der Kreisleiter im Februar die­ses Jahres die große Kundgebung "Fremdensaison ohne Juden" durch­führte, die von manchen damals nicht ganz verstanden wurde. Inzwi­schen habe die Menschen begriffen, daß wir nicht nur eine Frem­den­saison ohne Juden, sondern ein Leben ohne Juden wollen... Die Ju­den waren es ja selbst, die eigentlich schon lange das Recht ver­wirkt haben, bei uns zu leben... ein Leben zu führen, wie jeder Deutsche... Nein, die Juden sind nicht "arm", sie sind auch nicht "unmenschlich" behandelt worden, wenn einmal einer eine Ohrfeige bekam, so hatte er sie bestimmt verdient. Sie sind nur alle mit­einan­der mitverantwortlich, daß die Bluttat von Paris geschehen konnte!... Dieser Schuß traf das Judentum in aller Welt und vor allem die Juden, mit denen wir das zweifelhaft Vergnügen hatten zusammen leben zu müssen."

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 23.11.1938

 

11.11.1938 / Regierung von Oberbayern an Schutzpolizei des Marktes Garmisch-Partenkirchen – Telegramm fernmündlich voraus

„Nachstehend gebe ich folgende Anordnung des Gauleiters und Staatsministers Adolf Wagner zum augenblicklichen Vollzug bekannt:
I.
Die Juden sollen durch die Polizeiorgane verständigt werden, daß sie ihre Geschäfte aus eigenen Mitteln umgehend wieder in Instand zu setzen haben.
II. Löhne und Gehälter von Angestellten und Arbeitern sind bis auf weiteres aus eigener Tasche der Juden zu bezahlen. Soferne der betreffende Betriebsführer verhaftet ist, ist der zeichnungsberechtigte Stellvertreter verantwortlich.
III.
Alle Verkaufsverhandlungen von beweglichem und unbeweglichem Gut sind der Gauleitung zur Genehmigung vorzulegen.
Gez. Regierung von Oberbayern

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61616

 

12.11.1938 / Gerüchte

Anzeige: "Warnung! Ueber Fräulein Agnes Hänsler, Inhaberin des Sport- und Modegeschäftes in Garmisch-Partenkirchen, Ludwigstr. 39, sind gewissenlose Gerüchte des Inhalts verbreitet worden, daß sie nicht rein arischer Abstammung sei. Im Auftrag von Fräulein Agnes Hänsler warne ich vor der Aufstellung und Weitergabe derarti­ger Behauptungen... Roesen, Rechtsanwalt"

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 12.11.1938

 

13.11.1938 / Ortspolizei des Marktes Garmisch-Partenkirchen - Betreff: Versiegelung jüdischer Anwesen bzw. Haushalte

"I. Am 12. November 1938 wurden nachfolgend aufgeführte Anwesen bzw. Haushaltungen von Juden in Garmisch-Partenkirchen durch Hauptw. Schulz und mich versiegelt:
1. Wohnung Liebenstein, Schloßweg 7/I
2. Wohnung Ulmann, Schornstr. 12/I
3. Wohnung Schnebel, Waxensteinstr. 1/I
4. Wohnung Liebmann, Burgstr, 21
5. Wohnung Guggenheim, Riedweg 1
6. Anwesen Steinharter, Angerstr. 3
7. Wohnung Buttermilch, Annastr. 3/I
8. Anwesen Kohn, Burgstr. 18
9. Wohnung Bohn, v, Brugstr. 2/I
10.Wohnung Midas, Gehfeldstr. 13/I
Zu einer Versiegelung waren weiter vorgesehen, es wurde jedoch vorerst davon abgesehen, da bereits SS Wachen, in einem Fall eine auswärtige SS-Wache und die Hausbesitzerin, in einem Fall die Mutter (Arierin), anwesend waren:
1. Wohnung Katz, Zöppritzstr. 36
2. Wohnung Lang, Wettersteinstr. 19
3. Wohnung v. Gahlen, Mittenwalderstr. 21
4. Anwesen v. Leyden, Hölzlweg 8
Anmerkung: Die Versiegelung erfolgte auf Anordnung des Kreisleiters und Bez.Oberamtmanns Dr. Wiesend - 
Original der Kreisleitung weitergereicht, Abdruck an Bez.Amt 
14.11.1938 gez. Der Bürgermeister des Marktes Ga.-Pa."

Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen

 

14.11.1938 / Der 10. November 1938 aus der Sicht der Täter

"Nun sind wir wieder unter Deutschen
Der gestrige 10. November gehört mit zu den denkwürdigen Ta­gen in der Geschichte unseres Ortes. Garmisch-Partenkirchen wurde innerhalb 24 Stunden frei von Juden! Als sich die Empörung der Be­völkerung über den Meuchelmord in Paris durch spontane Protest­kundgebungen gegen die hier ansässigen Juden Luft machte, nahm sich die Partei der dadurch an ihrem Leben gefährdeten Juden an und gab ihnen den guten Rat, unseren Ort möglichst schnell zu ver­lassen. Dieser Rat wurde befolgt... Schon beim Eintreffen des Kreisleiters (bei der Kundgebung im Festsaal, d.H.) zeigte sich die Zustimmung der Bevölkerung zu seinen Maßnahmen durch den jubelnden Empfang, der Pg Hausböck von allen Seiten bereitet wurde. Standar­tenführer Scheck eröffnete die Kundgebung... Kreisleiter Hausböck ... schilderte dann im einzelnen, daß es notwendig war, die hier ansässigen Ju­den zum schnellsten Verlassen unseres Ortes auf­zufordern.
Nach Abgabe einer freiwilligen Erklärung, Garmisch-Partenkirchen zu verlassen und nie wieder hier­her zurückzukehren, fuhren 44 Ju­den ab mit dem Reiseziel des Auslandes.
Der Erfolg dieser Maßnahme war, daß Punkt 6 Uhr abends der letzte Jude den Kreis Garmisch-Par­tenkirchen verlassen hat.
Diese Feststellung des Kreisleiters löste einen minutenlangen Bei­fall der Versammlung aus...
Eines stellte der Kreisleiter fest: es gab Menschen, die sich ent­rüstet haben, daß die Juden fürchter­lich mißhandelt worden seien. Nur ein einziger Jude, der durch seine Haltung die Menge provo­ziert habe, sei geschlagen worden. Wenn die Menge einmal auf der Straße einen Juden anspie, so sei das nicht so tragisch. Wir Natio­nalsozialisten seien jahrelang angespuckt worden...
In Zukunft würden die Volksgenossen, die sich noch immer zu den Juden bekennen, genau so wie die Juden selbst behandelt. Innerhalb 24 Stunden sollten alle Geschäfte und Betriebe des Kreisgebietes das Judenabwehrschild tragen. Wer sich dazu weigert, werde öffent­lich bekanntgegeben...
Der Kreisleiter gab dann einen Fall bekannt, der mit großer Empö­rung aller Anwesenden aufgenom­men wurde. Er habe erfahren, daß der Kunstmaler Carl Reiser sehr eng mit dem Juden Ollendorff verkehre. Professor, Mitglied der Reichskulturkammer, Bilder im Haus der Deutschen Kunst und Freund der Juden! Professor Reiser habe sich durch sein Verhalten aus unserer Volksgemeinschaft ausgeschlos­sen...
... schloß der Kreisleiter seine Rede mit einem fanatischen Glau­bensbekenntnis zum Führer: Wir glauben an die segnende Hand des Herrgotts... Wir glauben, daß der Weg des Führers der Weg der göttlichen Vorsehung selbst ist... tiefster Überzeugung, daß der Weg des Führers gesegnet ist..."

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 14.11.1938

 

14.11.1938 / Der Vorsteher des Finanzamtes Garmisch-Partenkirchen an den Bürgermeister des Marktes Garmisch-Partenkirchen - Betrifft: Juden als Wohnungsinhaber

"Ich nehme an, daß die Wohnungen, die bisher von Juden bewohnt wurden, frei geworden sind oder in nächster Zeit frei werden.
Die Wohnungsnot bei meinen Beamten ist sehr groß. Seit Monaten suchen fünf hierher versetzte Beamte nach geeigneten Wohnungen, ein Oberinspektor ist schon seit 11 Monaten ohne Wohnung. Sollten Sie einen Einfluß auf die Vergebung freiwerdender Wohnungen haben, so bitte ich Sie, mich gegebenenfalls zu benachrichtigen. Auch die Namen und Anschriften der entgültig wegziehenden oder abgeschobenen Juden bitte ich, mir frühzeitig mitzuteilen. Heil Hitler!
gez. Dr. E."

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61616

 

15.11.1938 / Gendarmerieinspektion des Bez.-Amtes Garmisch-Partenkirchen an den Herrn 1. Bürgermeister der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen - Betreff: Gendarmerie-wohnung

"Da durch die Bewegung auf dem Wohnungsmarkt, die durch die Maßnahmen gegen die Juden verursacht wurde, event. eine Möglichkeit geboten wird auf dem Tauschwege für den HW. L. in Partenkirchen eine geeignete Wohnung in günstigerer Nähe der Station (Ortsteil Garmisch) zu bekommen, bitte ich dem Rechnung zu tragen und mir das eventuelle Freiwerden einer Wohnung mitzuteilen. gez. GOM V."

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61616

 

15.11.1938 / Jüdische Schülerinnen und Schüler

"Die Judenfrage wird in kürzester Frist einer das deutsche Volksempfinden befriedigenden Lösung zuge­führt... Deutsche Schulen für deutsche Kinder - Restlose Entfer­nung der Juden - Juden ist der Be­such deutscher Schulen nicht ge­stattet... Soweit es noch nicht geschehen sein sollte, sind alle zurzeit eine deutsche Schule besuchenden jüdischen Schüler und Schülerinnen sofort zu entlassen."

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 15.11.1938

 

21.11.1938 / Lehrerratssitzung der Oberrealschule

"Im Zusammenhang mit den Maßnahmen, die auch in Garmisch-Parten­kirchen mit der Ermordung des Legationssekretärs v. Rath gegen die Juden unternommen worden waren, stehen die Belästigun­gen, denen der Schüler Richard Strauß, 2. Klasse G, ausgesetzt war. Obwohl der Schüler nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht als Jude zu gel­ten hat, wurde er als solcher beschimpft."

Archiv des Werdenfels-Gymnasiums Garmisch-Partenkirchen - Protokoll der Lehrerratssitzung vom 21.11.1938

 

21.11.1938 / "Juden sind Ratten"

"Stimme aus Kanada: Juden sind Ratten, die die Nationen zerstö­ren!... Überall in der Welt regen sich die ge­sunden Kräfte, die sich und ihre Völ­ker vom Fremdkörper des Juden­tums befreien wollen. Der Kampf ist entfacht, und er wird nicht eher aufhören, bis dieses Problem ... gelöst sein wird. Und unser Zeitalter bringt die Lösung!"

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 21.11.1938

 

23.11.1938 / "Entjudung der deutschen Wirtschaft"

"Planmäßige Entjudung der deutschen Wirtschaft ... Die jüdische Weltgefahr: Das sind sie! Pater Coughlin packt aus - Wachsende Erkenntnis der jüdi­schen Gefahr in aller Welt... Die Judenfrage wird heute in Deutschland gelöst.."

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 23.11.1938

 

24.11.1938 / Der NSDAP-Kreisleiter des Kreises Garmisch-Partenkirchen an Bürgermeister Jakob Scheck, Garmisch-Partenkirchen
„Auf  Grund der von Ihnen veranlassten Aufforderung zur Kündigung der von Juden bewohnten Wohnungen haben bisher folgende Hausbesitzer ihre Wohnungen gekündigt:
Dr. med. Aug. Ulrich, Wilhelmshaven
Emil Dittmar, Architekt, Garmisch-Partenkirchen, Annastr. 3
Friedrich Jung, Garmisch-Partenkirchen, Gehfeldstr. 13
Luise von Schrenk, Garmisch-Partenkirchen, Gsteigstr. 10
Dorothe Kirchgessner, Berlin-Charlottenburg, Meiningenallee 17/I
Marie Bischoff, Copernikusstr. 10/0 lks.
Von folgenden Hausbesitzern ist bisher kein Kündigungsschreiben bei mir eingegangen und bitte deshalb an dieselben eine Mahnung zu richten:
Karl Reiser, Garmisch-Partenkirchen, v.Brugstr. 2
Karl Molter, Nürnberg, Spitteltorgraben 1
Anna Steub, Garmisch-Partenkirchen, Mittenwalderstr. 21
Theresia Müller, Garmisch-Partenkirchen, Badgasse 4
Theresia Zerhoch, Garmisch-Partenkirchen, Schornstr.
Anna von Zochovski, Nürnberg, Rohrmattenstr. 5
Maria Liebmann, Garmisch-Partenkirchen, Burgstr, 21
Erna Gumprecht, Hamburg 21, Lessingstr. 6
Heil Hitler!  gez. Hausböck"

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61616

 

26.11.1938 / Gendarmerieposten Wallgau an Gendarmerieinspektion Garmisch

"Die (sic) ruchlose Attentat... hat die Bevölkerung in große Erre­gung versetzt. Dagegen wurde aber auch dann der darauffolgende Ju­denboykott sehr lebhaft besprochen. Von verschiedenen, etwa äng­sti­gen Personen, wurde angenommen, daß dieser für Deutschland sehr bittere Folgen bringen könne. Es wurde auch das Gericht (sic) ver­breitet, dass die festgehaltenen Juden den Kindern, gegen eine Ge­bühr von 10 RPf für das Winterhilfswerk gezeigt worden sind... Wenn auch der Großteil der hiesigen Bevölkerung wenig Sympathie für die Juden hat, so war sie dennoch über die Vorgänge ziemlich empört, in der Meinung, dass das Vorgehen gegen die Juden über das normale Maß hinausgegangen sei. Dazu wurden von den Leuten auch noch immer ausländische Sender gehört, welche das Vorge­hen gegen die Juden weit übertrieben haben."

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61616

 

27.11.1938 / Gendarmeriestation Garmisch-Partenkirchen an Gendarmerieinspektion Garmisch

"Der hiesige Dienstbezirk ist frei von Juden. Ein Teil der Bevöl­kerung ist mit den gegen die Juden ergriffenen Maßnahmen nicht einverstanden, insbesondere wird verurteilt, daß Mißhandlungen vor­gekommen u. Sachschäden verübt worden seien."

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61616

 

28.11.1938 / Gendarmerieinspektion Garmisch an Bezirksamt Garmisch

"Die große Erregung über den Meuchelmord des Judenbengls Grünspan ... Aktion gegen die Juden ausgelöst, die erreichte, daß mit einem Schlage sämtliche Juden aus dem Kreisgebiet verschwan­den...
Die die Ausnahme bildenden einzelnen Menschen, die wohl teils aus Mitleid, Dummheit, Verhetzung durch Abhörung ausländischer Sender, teils vielleicht aus Berechnung und Boshaftigkeit kein Ver­ständnis für die notwendig gewordenen Auswirkungen aufbringen wollen, sind nicht so weittragend, um das Vertrauen der Gesamtbevölkerung in die Staatsführung ... erschüttern zu können...
Der Bezirk ist frei von Juden...
Nach der Judenaktion haben am 10.11.1838 sämtliche Juden Garmisch-Partenkirchen verlassen. Ihr Aufenthalt ist unbekannt. Eine Aus­nahme bildet die Jüdin Alice Strauss, geb. Grab, die Ehefrau des Dr. Franz Strauss, die noch in Garmisch-Partenkirchen, Kramerhänge 8 bei Knote wohnhaft ist."

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61616

 

29.11.1938 / Bezirksamt Garmisch an Regierung von Oberbayern

"Der feige Meuchelmord des Juden Grünspan in Paris wurde in der Bevölkerung einstimmig scharf verurteilt. Nicht das gleiche ge­schlossene Verständnis hat man jedoch aufgebracht über die Maßnah­men, die daraufhin gegen die Juden ergriffen wurden; besonders sind weite Bevölkerungskreise nicht mit der Art und Weise einver­standen gewesen, wie gegen die Juden vorgegangen wurde. Das Ver­schwinden aller Juden aus dem Kreisgebiet wird zwar allgemein be­grüßt, aber man glaubt vielfach, daß dieser Erfolg weniger stür­misch durch ge­setzliche Maßnahmen hätte auch erreicht werden kön­nen. Im übrigen wird den reichsrechtlichen Maßnahmen gegen die Ju­den volles Ver­ständnis entge­gengebracht."

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61616

 

29.11.1938 / Der Bürgermeister des Marktes Garmisch-Partenkirchen an Karl Reiser, Fotograf, von Brugstr. 2, Maria Liebmann, Burgstr. 21, Therese Zerhoch, Obermühlweg 1, Therese Müller, Badgasse 4, Karl Molter, Nürnberg, Spitteltorgraben 1

"Gegenstand: Jüdische Mieter
Mit Zuschrift vom 18.11.1938 habe ich Ihnen auf Grund einer Mitteilung der Kreisleitung der N.S.D.A.P. Garmisch-Partenkirchen bekannt gegeben:
'Vermieter können die an Juden abgegebenen Wohn- und sonstigen Mieträume bei der Kreisleitung der N.S.D.A.P. Garmisch-Partenkirchen, Haus der Nationalsozialisten, kündigen und gleichzeitig die sofortige Wohnungsräumung beantragen. Die Kündigung und Antrag auf Wohnungsräumung müssen schriftlich erfolgen.'
Nach neuerlicher Mitteilung der Kreisleitung ist dort ein Kündigungsschreiben Ihrerseits noch nicht eingegangen.
Ich ermahne Sie hiemit nochmals von der Ihnen gebotenen Gelegenheit baldigst Gebrauch zu machen.  gez. Scheck"

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61616

 

29.11.1938 /  Liegenschaftsverwaltung des Marktes Garmisch-Partenkirchen an den Vorsteher des Finanzamtes Garmisch-Partenkirchen

"14.11.38 u. zum mündlichen Ersuchen vom 28.11.1938
Judenkartei / 34 Karteikarten
In der Anlage übermittle ich 34 Karteikartenabschriften zur gefl. Bedienung."

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61616

 

29.11.1938 /  Bezirksamt Garmisch-Partenkirchen an den Bürgermeister Garmisch-Partenkirchen - Betreff: Land- und forstwirtschaftliche Grundstücke im Eigentum der Juden

"Der Auftrag vom 22.11.1938 Nr. 15702 ist binnen 24 Stunden zu erledigen."
Rückmeldung 26.11.1938:
"Land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke im Eigentum von Juden sind in Garmisch-Partenkirchen nicht vorhanden. Der Bürgermeister des Marktes Garmisch-Partenkirchen"

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61616

 

© Alois Schwarzmüller 2006