Garmisch-Partenkirchen und seine jüdischen Bürger  -  1933-1945

 

 

 

Hedwig und Fritz Staackmann

Fritz Staackmann, geboren am 4. August 1879 in Leipzig, Sohn eines Buchhändlers, im Ersten Weltkrieg Kgl. sächsischer Offizier im Range eines Leutnants, zog im November 1923 mit seiner Frau Hedwig, geboren am 28. Januar 1883 in Stuttgart (geb. Ottenheimer, jüdischer Herkunft) von München über Ohlstadt nach Garmisch-Partenkirchen. Die zwei hatten im Januar 1904 in München geheiratet. Das kinderlose Ehepaar wohnte jetzt in der Garmischer Bahnhofstr. 66 im sogenannten „Bunten Haus“. In den Akten der örtlichen Gemeindeverwaltung hieß es 1938: "Arischer Hausbesitzer Erna Gumprecht, Hamburg 21, sonst noch 12 arische Parteien". Michael Ende, Autor der "Unendlichen Geschichte", kam dort 1929 zur Welt und wohnte mit seinen Eltern bis 1932 in unmittelbarer Nachbarschaft der Staackmanns in diesem sprichwörtlich bunten Haus, einer lebendigen Mischung aus Wohn- und Geschäftshaus und einer "Logierstätte" genannten Fremdenvermietung. Hedy und Fritz waren Trauzeugen gewesen bei der Hochzeit von Luise Bartholomä und Edgar Ende, man spielte Bridge miteinander und kannte sich recht gut.

Hedwig und Fritz Staackmann führten im Bunten Haus seit Jahren eine kleine Leihbücherei. Michael Ende beschrieb sie so: "Tante Hedys Leihbücherei war im Treppenaufgang untergebracht und nicht besonders reichhaltig." Dennoch wurde sie schon sehr früh Objekt nationalsozialistischer Beobachtung. Am 30. Oktober 1934 mussten die Staackmanns, auf Anweisung des Garmischer Bürgermeisters Thomma, „binnen 3 Tagen" ein Verzeichnis der in ihrer Leihbibliothek vorhandenen Bücher „anher" einreichen „unter Angabe des genauen Titels und der Verfasser der einzelnen Bücher." Es sollte "gereinigt", "Undeutsches" verbannt werden.

 

Oben links: Das "Bunte Haus" Ecke von-Brug-/Landschafts-straße (Foto: MA Ga-Pa.)

Oben rechts: v.l.n.r. Luise Ende, Fritz Staackmann, Hedy Staackmann, Luise Schiele, Edgar Ende mit dem kleinen Michael Ende (Foto privat)

Unten links: Reklameschild für die Leihbücherei Staackmann im "Bunten Haus" (Foto: MA Ga.-Pa.) und Anzeige im Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, in der Staackmann elf Tage nach dem Pogrom die Schließung seiner Leihbücherei ankündigte.

Unten rechts: Fritz Staackmann ersuchte am 8. August 1937 das Gemeindebauamt und das Bezirksamt Garmisch um Genehmigung seiner Reklamemaßnahmen.

 

 

 

 

 

Wie alle 44 in Garmisch-Partenkirchen lebenden und in der Gemeinde gemeldeten jüdischen Bürger wurde auch das Ehepaar Staackmann von der Reichskristallnacht in den Novembertagen des Jahres 1938 und ihren Auswirkungen unmittelbar getroffen. Auf der Datenkarte des Einwohnermeldeamtes ist handschriftlich vermerkt, dass die Staackmanns, wie viele ihrer Leidensgefährten,  "seit der Judenaktion am 10.11.1938 unbekannt verzogen" waren. Das hieß, auch sie waren gezwungen worden, Garmisch-Partenkirchen an diesem Tag mit dem nächsten erreichbaren Zug zu verlassen. Eine gute Woche später, am 19. November 1938, ließ Fritz Staackmann die kleine Kundenschar seiner Leihbücherei mit einer Anzeige im Garmisch-Partenkirchner Tagblatt wissen, dass er die Leihbücherei im Bunten Haus aufgebe. Weiter hieß es: "Ab Montag, den 21.November, nachmittags 3 Uhr, nehme ich alle ausgeliehenen Bücher zurück und zahle eingesetztes Pfand aus. Bitte Karte nicht vergessen."

 

 
  Datenmeldeblatt des Marktes Garmisch für das Ehepaar Fritz und Hedwig Staackmann mit dem Zusatz "Seit der Judenaktion (10.11.38) unbekannt verzogen."  

In der „Ballade vom Heldentod eines deutschen Offiziers" fasste Michael Ende in Worte, was er von seiner Mutter gehört hatte – Fritz von der SA erschlagen, Hedy im KZ ermordet.

Am 3. April 1990 erläuterte er in einem Brief an den Autor, wie er von den Ereignissen Kenntnis bekommen hatte. Er schrieb, die Sache habe sich ihm stark eingeprägt, „vor allem auch wegen des tiefen Entsetzens meiner Eltern. Meine Mutter weinte nicht leicht, aber da habe ich sie vollkommen in Tränen aufgelöst gesehen. Durch wen meine Eltern die Nachricht bekommen hatten, weiß ich nicht mehr; es könnte durch Fräulein Schiele gewesen sein, die damals und später noch im Bunten Haus einen kleinen Modesalon hatte... Der Käfig mit Hedy soll übrigens auf dem Platz vor dem Bahnhof gestanden haben. Seltsam, daß sich niemand daran erinnert..."

Fritz Staackmann starb am 15. September 1940 in Leipzig. So der Eintrag im Sterberegister der Stadt Leipzig.

Hedy Staackmann wurde am 21. Januar 1942 von Leipzig aus in das Rigaer Ghetto deportiert, vielleicht auf dem Umweg über das Konzentrationslager Theresienstadt, und dort ermordet.

 

Quellen:

Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61810 – Konfessionelle Büchereien 1937-1941

Stadtarchiv Leipzig

Bundesarchiv: Gedenkbuch - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006