Garmisch-Partenkirchen und seine jüdischen Bürger  -  1933-1945

 

 

 

 

 

Hans Paul Krohn

Es konnte nicht genau festgestellt werden, wann Hans Krohn in Garmisch-Partenkirchen zugezogen ist. Er wohnte aber für längere Zeit am Ort in der Wilhelm-Gustloff-Str. 4 zusammen mit seiner nichtjüdischen Stiefmutter Else Krohn. In den Tagen nach dem antijüdischen Pogrom hielt er sich in Berlin-Wilmersdorf, Detmolderstr. 4 bei Baer auf.

Am 26.08.1938 teilte der Garmisch-Partenkirchner Bürgermeister Jakob Scheck Frau Krohn mit, dass er „die Eintragung Ihres Gewerbebetriebes in das Verzeichnis der jüdischen Gewerbebetriebe verfügt" habe.

Rechtsanwalt Dr. Bromig legte am 19.09.1938 gegen diese Verfügung Beschwerde ein. Aus der Begründung: „Frau Else Krohn ist rein arischer Abstammung, was der Ortspolizeibehörde bekannt ist. Sie heiratete am 25. Dezember 1923 den verwitweten Apotheker Julius Krohn, der nicht arisch war. Diese Ehe wurde durch den Tod des Ehemanns Krohn am 14. Juli 1929 aufgelöst. Der Verstorbene hatte aus erster Ehe seinen Sohn Hans Paul Krohn, geb. 20.11.04, in die neue Ehe mitgebracht. Dieser nichtarische Stiefsohn lebt auch heute noch zusammen mit seiner Stiefmutter, der Beschwerdeführerin, Else Krohn. Er hilft auch bei Büroarbeiten mit. Er ist aber in keiner Weise am Geschäft beteiligt und zwar weder finanziell noch durch sonstige Einflussnahme auf den Betrieb....
Frau Else Krohn erhält fortlaufend aus einer Apotheken-Witwenkonzession einen Pachtzins. Diese Einnahme verwendet sie in erster Linie zum Unterhalt des Stiefsohnes Hans Paul Krohn, neben dem sie auch noch regelmäßig Unterhalt gewährt an ihre durch Gebrechlichkeit erwerbsunfähige Stieftochter Lili Krohn. Frau Krohn unterstützt ferner fortlaufend und regelmäßig ihre Mutter Berta Piper und ihre kranke Schwester Annemaria Piper... Journal und Hauptbuch werden von einem Bücherrevisor geführt, der auch für die Bilanz verantwortlich zeichnet.
Es fehlt somit an den gesetzlichen Voraussetzungen zu einer Eintragung in das Verzeichnis der jüdischen Gewerbebetriebe und es wird die Aufhebung der Verfügung beantragt."

Bürgermeister Scheck wandte sich daraufhin am 26.9.1938 an das Bezirksamt Garmisch-Partenkirchen: „Die Apothekenbesitzerswitwe Else Krohn, geborene Piper, wohnhaft Garmisch-Partenkirchen, Wilhelm-Gustloffstrasse 4, hat hier Bahnhofstr. 98, eine Verkaufsstelle für Erzeugnisse des deutschen und nordischen Kunsthandwerks. Krohn Else ist arischer Abstammung und gewerbepolizeilich als Inhaber dieses Geschäftes gemeldet.
Ich habe die Eintragung dieses Gewerbebetriebes in das Verzeichnis der jüdischen Gewerbebetriebe verfügt, da der jüdische Stiefsohn Hans Paul Krohn meines Erachtens beherrschenden Einfluss auf das Geschäft hat...
Der eingereichten beiliegenden Beschwerde kann ich nicht abhelfen... Die Geschäftsinhaberin hätte durch Vorlage sämtlicher Geschäftsbücher den Nachweis zu führen, dass seit Bestehen des Geschäfts – 16.12.1934 – die Waren stets bei arischen Firmen bezogen wurden. Dieser Nachweis wäre für die Zukunft von Zeit zu Zeit zu erbringen...
Ich bringe die Verhandlungen hiemit in Vorlage und bitte die Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde herbeiführen zu wollen."

Am 28.12.1938 entschied die Regierung von Oberbayern in der Sache Else Kohn: „Der Jude Hans Paul Krohn ist laut Mitteilung des Rechtsanwalts Dr. Bromig nicht mehr in dem Geschäft der Frau Krohn tätig. Er befindet sich nicht mehr in Garmisch und will auch nicht mehr zurückkehren. Es ist seinerzeit lediglich deshalb, weil der jüdische Stiefsohn im Geschäfte tätig war, die Eintragung in das Verzeichnis jüdischer Gewerbebetriebe vom Bürgermeister des Marktes Garmisch-Partenkirchen verfügt worden. Nachdem diese Voraussetzung nunmehr weggefallen ist, besteht auch kein Anlass mehr zur Eintragung in das genannte Verzeichnis. Hiernach ist das weitere zu veranlassen. Bericht ist zu erstatten. gez. Gareis"

Wenige Tage später, am 7.1.1939, betrachtet Bürgermeister Scheck seinen Antrag vom 26.09.1938 „als erledigt" mit der Begründung, „der Jude Hans Paul Israel Krohn ist am 10.11.1938 verzogen; er soll sich zurzeit in Berlin-Wilmersdorf, Detmolderstrasse 4 bei Baer aufhalten. Da er hierher nicht mehr zurückkehren wird, ist das Geschäft nicht mehr als unter beherrschendem Einfluss von Juden stehend anzusehen."

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 63049

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hans Krohn hatte drei Wochen nach seiner Befreiung die Kraft, seine Erlebnisse niederzuschreiben. Am 24. Mai 1945 veröffentliche das Garmisch-Partenkirchner Tagblatt die Begegnungen Hans Krohns mit den "willigen Helfern" der NS-Diktatur, aber auch mit den Menschen, die ihm geholfen haben zu überleben, unter dem Titel "Wieder frei!".

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006