Garmisch-Partenkirchen und seine jüdischen Bürger - 1933-1945 |
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Alfred, Käthe, Otto und Willy Hirsch
Alfred Hirsch Der Diplomingenieur Alfred Hirsch, geboren am 7.7.1889 in Augsburg, zugezogen am 27.6.1919 aus München nach Garmisch-Partenkirchen, Riesserkopfstr. 35 (Fl.Nr. 2192) war hier Inhaber eines Radiogeschäfts, das nach dem 10.11.1938 „arisiert" wurde. Am 31.08.1938 wurde ihm von Bürgermeister Scheck mitgeteilt, dass sein kleiner Betrieb "in das Verzeichnis der jüdischen Gewerbebetriebe" eingetragen wurde. Kurze Zeit später, am 13.10.1938, wurde Hirsch von der Schutzpolizei Garmisch-Partenkirchen aufgefordert, "den Radioverkauf sofort einzustellen", weil er Radiogeräte verkaufe, "ohne Genehmigung nach dem Einzelhandelsschutzgesetz zu haben." Alfred Hirsch beugte sich dieser Verfügung und meldete sein Gewerbe ab. Nach dem 10.11.1938 verließ er Garmisch-Partenkirchen mit unbekanntem Ziel. Gesehen wurde er noch in Klais. Es gibt Hinweise der Polizei, dass er sich in Schloss Kranzbach oder in der Elmau aufhielt. Anschließend fuhr er nach Augsburg und wohnte dort, wie die Polizei dem Bezirksamt Garmisch mitteilte, bei Arnold, Hochfeldstr. 2. Die Liquidation des Radiogeschäftes von Alfred Hirsch lag - durch Anordnung des Landratsamtes vom 5.4.1939 - in den Händen von Josef Geiselbrechtinger, der auch den Auftrag hatte, das Schuhgeschäft Liebenstein „abzuwickeln". Das Finanzamt Garmisch-Partenkirchen erließ am 11.10.1939 eine Pfändungsverfügung gegen Alfred Hirsch, mit der eine „Judenvermögensabgabe" in Höhe von 2400.- RM eingezogen werden sollte. Selbst der Hund von Alfred Hirsch beschäftigte die Behörden noch für einige Tage. Am 19.11.1938 ordnete die Ortspolizeibehörde Garmisch-Partenkirchen an, „der herrenlose Hund des Juden Hirsch ist zu töten." Der Amtstierarzt bestätigte tags darauf, „dass der Hund des Hirsch in Garmisch wegen hohen Alters und wegen unheilbarer Krankheitserscheinungen (starkes Schwanken im Hinterteil beim Gehen) getötet werden muss. Dr. Wichera, Garmisch-Partenkirchen (Amtstierarzt)". Die Schutzpolizei teilte schließlich am 21.11.1938 mit, dass „der obengenannte Hund am 21.11.38 vom Schlachthausgehilfen Sturm im Schlachthof Garmisch-Partenkirchen durch Erschießen getötet" worden sei.
Alfred Hirsch wurde aus dem französischen Konzentrationslager Drancy in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und am 17. August 1942 ermordet.
Käthe Hirsch Käthe Hirsch, die Schwester von Alfred, Willy und Otto Hirsch, geboren am 9.9.1886 in Augsburg, zog am 29.4.1919 von München nach Garmisch-Partenkirchen. Seit dem 14.2.1939 lebte sie wieder in München, Pettenkoferstraße 27a. Sie überlebte Verfolgung und Krieg. Am 1.8.1950 kam sie über Mittenwald wieder zurück nach Garmisch-Partenkirchen, wo sie am 14.11.1964 starb. Am 21.09.1948 gab Käthe Hirsch die folgende eidesstattliche Erklärung über die antijüdischen Vorgänge am 10. November 1938 in Garmisch-Partenkirchen ab:
"Ich lag krank zu Bett, unsere Schlafzimmer waren im 1. Stock.- Morgens
gegen 7 Uhr plötzlich ein fürchterlicher Lärm, Stimmengewirr, Geschrei:
"Juden raus! Schlagt sie tot! An den Galgen!" - Gekrach von
eingedrückten Fensterläden. Scherbengeklirr von eingeschlagenen
Scheiben.- Erst glaubte ich zu träumen, dann fuhr ich aus meinem Bett,
horchte nochmals, hüpfte in meinem Nachthemd auf meinen zwei Stücken in
die Treppe runter und stand plötzlich in der Diele einer Einbrecherbande
von ca. 20 Männern, die mit Stöcken und Latten bewaffnet waren,
gegenüber. Ich schrie sie an: "Einbrechergesindel, was habt ihr da zu
suchen, macht, daß Ihr raus kommt!" Da schlugen sie mir die Stöcke weg,
bedrohten mich, so daß ich hinfiel. Wie ich auf dem Boden lag, fingen
sie an mich zu beschimpfen: "Ah, die Saujüdin, die Judenmatz,
Theaterspielen tat`s a`no!" usw.- Inzwischen kam mein Bruder Alfred
dazu, er übersah von der Treppe aus die Gestalten, er kannte einen davon
und schrie ihn an: "Lohse, Sie Schwein, schämen Sie sich nicht, als
gebildeter Mensch da mitzumachen, eine wehrlose Frau niederzuschlagen!"
Er antwortete: "Ich bin nur mitgekommen, damit es nicht zu arg wird." -
Andere waren inzwischen nach oben gegangen, wo sich mein kranker Bruder
Otto eingeschlossen hatte, traten dort die Türen ein und jagten ihn
heraus und lärmten weiter. Mein Bruder wollte mir auch helfen, meine
Stöcke waren aber kaputt, so versuchte ich unter dem Hohngelächter der
Bande die Treppe raufzukriechen, war wütend über die Gemeinheit, schrie
sie nochmal an: "Was wollt Ihr elende Bande eigentlich von uns, ist das
der Dank, daß ich im Krieg mein Bein geopfert habe? Hat einer von Euch
vielleicht schonmal was für sein Vaterland getan?" Worauf sie ruhiger
wurden. Im gleichen Augenblick erschienen ein paar SA-Leute in Uniform,
wovon der eine kommandierte: "So, jetzt langt`s! Ihr geht`s da naus zu
dem Gesindel und ihr 2 in Uniform bleibt da als Wache!"
Otto Hirsch Otto Hirsch, Bruder von Alfred, Käthe und Willy Hirsch, wurde am 20.12.1881 in Augsburg geboren. Am 19.10.1919 zog er von Eglfing nach Garmisch-Partenkirchen. Er wurde am 26. August 1940 Opfer der sogenannten Aktion "Gnadentod" in der nationalsozialistischen Tötungsanstalt Grafeneck bei Gomadingen in Württemberg.
Wilhelm Hirsch Wilhelm Hirsch (Wohnung in München, Fürstenstr. 22) konnte sich nach der Pogromaktion vermutlich in Brüssel in Sicherheit bringen.
Das „Verzeichnis der in Garmisch-Partenkirchen vorhandenen Anwesen jüdischer Besitzer" vom 17.08.1939 enthält den Hinweis, dass der „Besitz der Geschwister Hirsch, Willy, Alfred, Otto, Käthe, Riesserkopfstrasse 35, Wohnhaus" nach dem Pogrom vom 11.10.1938 an den Forstassessor Dr. Otto Henze, Regierungsforstrat, Riesserkopfstrasse 35" verkauft wurde. Im Adressbuch 1939 heißt es: „Rießerkopfstr. 35, Hirsch Nachfolger, Hausbesitzer"
Quellen: Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61665, 61667, 61668 Bundesarchiv - Bestand R 179: Opfer der Euthanasieaktion T4 Bundesarchiv - Gedenkbuch: Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945 Stadtarchiv München - Gedenkbuch Münchner Juden 1933-1945
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