Burgrain - der "Dritte Ortsteil" von Garmisch-Partenkirchen - 1949-1955

 

 

 

Von der Gründung der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft bis zur Eröffnung des "Rasthauses"

 

1949

 Im Februar wird die Gemeinde Gar­misch-Partenkirchen davon unterrichtet, daß gemäß einer Entschließung der Bayerischen Staatsregierung der bisher unter dem Namen „Siedlung am Farchan­ter Gröben“ geführte dritte Ortsteil der Gemeinde offiziell in „Burgrainsiedlung“ umbenannt wurde. Die Bezeichnung "Burgrain" wurde, so kann sich Johann Teitscheid erinnern, vermutlich von Kaplan Matthias Brenner vorgeschlagen. Brenner, später Pfarrer in Mittenwald und in Garmisch, stammte aus dem nahe bei Freising gelegenen Markt Isen mit dem Schloss Burgrain.

Schon im Januar haben sich auf Einla­dung von Landrat Dr. Kessler die Bürger­meister des Landkreises, Vertreter der Forstämter, des Arbeitsamtes, des Flücht­lingsausschusses, der Parteien, der Bauern­verbände und der SiedlerKurt Fritsch, Vorstand der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaftvereinigungen getroffen, um über den zukünftigen sozia­len Wohnungsbau „im Hinblick auf die genossenschaftliche Bauweise“ zu beraten. Die Wohnungsnot im Landkreis ist groß, viele Heimatvertriebene warten darauf, endlich wieder unter menschenwürdigen Umständen wohnen und arbei­ten zu dürfen. Die Bodenreform hilft nicht weiter, die forsteigenen Grund­stücke sind meist mit Weiderechten belegt. Der „langwierige bürokratische Amtsgang“ verzögert die notwendigen Maßnahmen immer wieder.

 Da tritt — im März des Jahres 1949 — die „Gemeinnützige Wohnungsbaugenos­senschaft Garmisch-Partenkirchen“ an die Öffentlichkeit. Ihr Ziel ist es, durch den Bau von Kleinwohnungen „der in innerhalb der Gemeinde herrschenden Wohnungsnot Herr zu werden“. Zunächst wird beabsichtigt, hinter der Artillerieka­serne zu bauen, von der Marktgemeinde erhält die Siedlungsgenossenschaft dann aber das Angebot für das Grundstück zwi­schen der Siedlung am Farchanter Gröben und dem Golfplatz, das zunächst freilich wegen des hohen Grundwasserstandes als Baugrund ziemlich ungeeignet er­scheint.

 Diese Schwierigkeiten werden schließlich behoben, das Projekt einer „Neuen Sied­lung“ in Burgrain nimmt sehr schnell Ge­stalt an; unterstützt wirdPeter Maier, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft das Vorhaben so­wohl vom Hotel- und Gaststättenverband, der in der augenblicklichen Wohnungsnot ein Hindernis für den Ausbau des Fremden­verkehrs sieht, als auch von der Marktge­meinde Garmisch-Partenkirchen, die der neuen Burgrainer Wohnungsbaugenossen­schaft ein Darlehen von 200000.— DM zur Errichtung von 30 bis 40 Wohnungen zur Verfügung stellt.

 Zwischen der Gemeinde und der Ge­meinnützigen Wohnungsbaugenossen­schaft wird ein Vertrag geschlossen, nach dem drei Gemeinderäte zu jeder ihrer Sit­zungen „als Beobachter mit gewissen Kontrollrechten“ geladen werden. Bür­germeister Schütte gibt der Hoffnung Ausdruck, daß auch die „Staatsregierung auf Grund der schweren Opfer der Ge­meinde für den sozialen Wohnungsbau zu weiteren Zuschüssen“ zu bewegen sein werde.

  

1950

 Im Juni 1950 ist es dann soweit: Neben der „alten“, im Jahre 1939 errichteten, nimmt die „neue Siedlung“ Konturen an. In den ersten Junitagen wird zwi­schen dem Schwaiggraben und dem Lahnewiesgraben Richtfest gefeiert.

„Wir flehn, daß Glück die Menschen stets erfreue,

Dass Friede herrsche, Einigkeit und Recht!

So knüpft ans gute Alte sich das Neue

Und baut ein Heim dem kommenden Geschlecht.

Dem Bauherrn zum Wohl —  ein Segen der Gemeinde!“

 So lautet der Richtspruch, der vom Gie­bel des zehnten Siedlungshauses der „neuen Siedlung‘ in Burgrain gespSiedlungshäuser in der Schlossangerstraße und Kantine Bauer - 1950rochen wird. Mit „weiß-blauen Mascherln“ ist der kleine Tannenbaum geschmückt, der vom Dachfirst herab die Repräsen­tanten der Genossenschaft Kurt Fritsch (1. Vorstand) und Peter Maier (Vorsitzen­der des Aufsichtsrates), den Architekten Werz, Bürgermeister Schütte, den US-­Residenten Roessler und nicht zuletzt die glücklichen zukünftigen Bewohner grüßt. Stolz wird den hohen Gästen gezeigt, was hier in Burgrain neu entstehen soll. Der Architekt betont vor allem, daß mit dem Entwurf der Siedlungshäuser schon dafür Sorge getragen sei, „daß die Kinder der Familien, die hier wohnen sollen, ein­mal groß werden können — ohne daß sich daraus neue Wohnungsprobleme er­geben“.

 Gelobt wird die aufgelockerte Bauweise, die es vermeide, die Häuser „auf Vordermann auszurichten“, so daß hier der typi­sche Eindruck einer langweiligen Sied­lungsanlage vermieden werde. „Bis tief in die Nacht hinein“ wird gefeiert, die Far­chanter Blasmusik spielt zum Tanz auf. Voll Optimismus heißt es: „Die zehn Häu­ser, die jetzt stehen, sind erst der Anfang“.

 Wenige Wochen nach dem Richtfest fin­det die erste ordentliche Generalver­sammlung der „Gemeinnützigen Woh­nungsbaugenossenschaft Garmisch-Par­tenkirchen“ statt. Wachsendes Vertrauen in die Pläne der Genossenschaft wird fest­gestellt, „nachdem Bevölkerung und Be­hörden den Plänen der Genossenschaft zunächst mit einiger Skepsis gegenüber­gestanden hätten“. Bürgermeister Schütte verspricht „weiter wohlwollende Förde­rung der Ziele der Genossenschaft“.

 Damit ist in Burgrain, nur fünf Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, ein verheißungsvoller zweiter Anfang ge­setzt für die Schaffung des so dringend benötigten Wohnraums in Garmisch-Par­tenkirchen. Die Hoffnungen vieler, nach Not und Elend, nach Gefangenschaft und Vertreibung doch noch oder wieder ein Stück Heimat ihr Eigen nennen zu dür­fen, erfüllen sich für immer mehr Men­schen in Burgrain.

  Siedlungshäuser an der Schlossangerstraße - Blick vom Golfplatz - 1950 Siedlungshäuser an der Schlossangerstraße - Blick von der Straße - 1950  

 

1951

 Im Februar erhält die Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft von den Kreisbehörden die Zusicherung, daß die Finanzierung weiterer zwanzig Wohnun­gen, die 1951 erstellt werden sollen, un­terstützt werde. Diese zwanzig Wohnun­gen seien „im allgemeinen Wohnraumbe­darf unseres Ortes nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, aber das Vorhaben zeuge trotzdem von der Aktivität des sozialen Wohnungsbaus im neuen Ortsteil Burgrain. Die Genossenschaft, die nun schon 250 Mitglieder umfasst, hat inzwischen in Burgrain schon 32 Woh­nungen bezugsfertig erstellt. „Am Ziel un­serer Wünsche sind wir selbstverständlich erst, wenn jedes Mitglied über eine ei­gene Wohnung verfügt“, so wird Kurt Fritsch, der Vorsitzende, zitiert.

  Blick auf Burgrain links und rechts der Bundesstraße 23 - 1956 Mietwohnungen an der Riedwiesenstraße - 1951  

 Eine „Heimat für 35 Junggesellen“ wird im Juli ihrer Bestimmung überge­ben. Über den Räumen der Gastwirt­schaft an der Ecke Lahnewiesgraben/ Bundesstraße 23 („Rasthaus“) geht ein von der Wohnungsbaugenossenschaft fi­nanziertes „Ledigenheim“ der Vollen­dung entgegen.

 Das Haus, dessen Entwurf von Architekt Kriegleder stammt, steht „in seiner Zweckbestimmung in Garmisch-Parten­kirchen und allen umliegenden Landkrei­sen einzigartig da. Hier werden in einigen Wochen etwa 35 Junggesellen einziehen und die netten, hellen Zimmer bewoh­nen“. Das Haus verfügt weiter „über eine Gastwirtschaft, die sich rühmen kann, den größten freitragenden Gastraum, eine moderne Küche und eine Kegel­bahn zu besitzen“. Ein Friseur soll im „Rasthaus“ tätig sein, „der dafür sorgen wird, daß die Herren des Hauses wohl ra­siert und gekämmt ausgehen können“.

Im Oktober feiert man in der Siedlungs­kirche St. Michael das Patroziniums­fest. Unter den volkstümlichen Altarbil­dern von Kunstmaler August Maninger hält Pfarrer Matthias Brenner, Mittenwald. der eigentliche Gründer und Erbauer der kleinen Notkirche, den Fest­gottesdienst. Kirchenpfleger Johann Teit­scheid und Kindergartenschwester M. Antonia haben, zusammen mit der Gärt­nerei Hornung, für den Blumenschmuck gesorgt. Der „strebsame Burgrainer Kir­chenchor“, begleitet von Frau Martha Lehmann am Harmonium, gibt der Messe einen feierlichen Rahmen, Frau Kraut tritt als Solistin hervor. Das "Rasthaus Burgrain" - 1962

Nicht nur das kirchliche Leben blüht, auch das erste Burgrainer Wirtshaus öffnet seine Pforten. Mitte Oktober „wur­den die Lokalitäten des ‚Rasthauses‘, dar­unter ein geräumiger Saal, ihrer Bestim­mung übergeben und mit einer Einla­dung an die Siedler eröffnet“. Der große Saal ist bis auf den letzten Platz besetzt. Wirt Robert Rauchbart sorgt für „ge­pflegte Speisen und Getränke“.

 Es wird daran gedacht, mit den neuen Räumen des „Rasthauses“ der Volkshoch­schule Gelegenheit zu geben, in Burgrain ihr Bildungsprogramm anzubieten. Für Geselligkeit und Unterhaltung sorgen zu­sätzlich die „ausgezeichneten Bahnen“ der neuen Kegelbahn im Untergeschoss des „Rasthauses“.

 Und noch eine Neuheit hat der Oktober 1951 den Burgrainern zu bieten: „Ein­kauf mit dem Selbstbedienungs-Wa­gen“. Der erste Selbstbedienungsladen der Konsum-Ladenkette in Oberbayern wird in Burgrain eröffnet. Es ist ein Ereig­nis von besonderer Bedeutung, wenn man es an den prominenten Gästen misst, die zur Einweihung dieses Ladengeschäftes im „Rasthaus“ erschienen sind: Kreisresident-Officer Roessler, Landrat Renk, Bürgermeister Schütte und Oberbürgermeister Brandl aus Penz­berg, dem Sitz der Konsum-Genossen­schaft. Man ist überzeugt davon, daß nun „die Warterei beim Einkaufen“ für die Burgrainer Hausfrauen beendet ist und daß die „Selbstbedienungsmethode sich rasch beliebt machen“ werde. In dem „elegant aufgemachten S-Laden“ wird der Kunde, der den Laden betritt, „mit der Frage empfangen, ob er einen klei­neren oder einen größeren Einkauf hat. Je nachdem erhält er einen kleinen Ein­kaufswagen oder ein Körberl und macht sich auf den Weg“. Dann fährt die Haus­frau, „für die Verkehrsregelung ist ge­sorgt, an einer Reihe von Verkaufsständen vorüber, in denen die Waren nach ihrem Verwendungszweck über­sichtlich gruppiert und mit Preisen verse­hen sind.

 Ein freundliches Personal berät die Kund­schaft über vorteilhafte Einkäufe und macht sie mit dem neuen System be­kannt“. Ein wahrhaftes Einkaufsparadies ist es also, das den Burgrainer Haus­frauen angeboten wird. Freilich, am Ende heißt es auch hier: „Bevor der Kunde den Laden verlässt, kommt er an der Kasse vorbei“.

  

1952

 Ein bedeutendes Ereignis steht am Be­ginn des neuen Jahres: Die „Siedlung Burgrain macht sich im Sport selbstän­dig“. Zunächst ist eigentlich nur die Grün­dung einer Schützengesellschaft geplant. Schnell wird mehr daraus; eine „Dachor­ganisation“ soll gebildet werden, unter der die Burgrainer Jugend auf allen denk­baren sportlichen Gebieten tätig werden kann. Der Vereinsname lautet „Sport­ CIub-Burgrain“. Zum 1. Vorsitzenden wird Josef Greif, zum 2. Vorsitzenden Alois Rothammer gewählt.

 Sorgen bringt das neue Jahr der Ge­meinnützigen Wohnungsbaugenos­senschaft: Offenbar sind beim Bau der 104 Wohnungen, des Rasthauses und zweier Läden erhebliche Finanzierungs­probleme aufgetreten. Die Gläubiger for­dern die Enthebung der bisherigen Vor­standschaft. Man überlegt sich, ob ein Konkursantrag gestellt werden soll, sogar die Auflösung der Genossenschaft wird ins Auge gefasst. In einer außerordentli­chen Generalversammlung im August des Jahres wird eine neue Vorstandschaft gewählt. Die Gläubiger schlagen vor, daß die Bewohner der Einfamilienhäuser mit einer Nachzahlung das Besitzrecht an ih­ren Häusern erwerben sollen, um somit der Genossenschaft finanziell wieder auf die Beine zu helfen. Die Gemeinde Gar­misch-Partenkirchen beteiligt sich an der Sanierung der Siedlung durch ein langfri­stiges Darlehen.

  

1953

Im August dieses Jahres steht endlich fest: „Gemeinnützige Wohnungsbau­gesellschaft Burgrain saniert!“ Der unvermeidlich erscheinende Konkurs kann vermieden werden, die Regierung von Oberbayern bewilligt Mittel zur Sa­nierung, die Finanzierungslücke beim Rasthaus kann durch „verständnisvolles Mitwirken der Gläubiger“ geschlossen werden.

 Am Ende steht die Feststellung, daß we­der den Mitgliedern noch den Gläubi­gern Verluste zugemutet werden müssen, „um den Weg für eine gesunde Entwick­lung des Wohnungsbaus der Genossen­schaft“ wieder freizumachen. 

Schwester Antonia vom Burgrainer Kindergarten mit ihren Kindern bei der Fronkleichnamsprozession - 1953Wenige Wochen später, im September des Jahres 1953 dringen erste Gedanken von einer „Heimkehrersiedlung am Lahnewiesgraben“ an die Öffentlichkeit. Vorerst sind 20 Wohnungen geplant, die durch Selbsthilfe der Siedler entste­hen sollen. 35 Heimkehrer aus Garmisch­-Partenkirchen suchen als Siedlungswillige neuen Wohnraum. Fünf Doppelhäuser mit je vier Wohneinheiten mit einer Gesamt­bausumme von etwa 300000.— DM sind vorgesehen. Probleme bereitet, wie könn­te es anders sein, die Beschaffung eines kostengünstigen Baugrundes. Bei der Gemeinde verweist man die neuen Sied­ler zunächst auf das Gelände am Lahne­wiesgraben, das jedoch erst dann bebau­ungsreif ist, wenn dieser nicht selten ge­fährlich reißende Wildbach gezähmt ist.

 Andererseits betont Bürgermeister Zwer­ger, daß die Gemeinde eine „moralische Verpflichtung“ habe, auch für die Heim­kehrer im Wohnungsbau Sorge zu tragen.

  

 1954

 In den ersten Wochen dieses Jahres wird das Rasthaus Burgrain nach umfang­reicher Renovierung und Umgestaltung wieder eröffnet. Eine große Sonnenter­rasse „bietet in windgeschützter Lage ei­nen prachtvollen Anblick über das ganze Tal vom Kramer bis zur Wetterstein­wand“. Neugeschaffen wird im Untergeschoss das „Burgstüberl“, die Kegelbahn wird modernisiert. Pächter Kroier ist si­cher, „nun auch anspruchsvollen Gästen das bieten zu können, was sie sich mit Recht erwarten dürfen.“

 Im April wird erwogen, die Gemeinnüt­zige Wohnungsbaugenossenschaft Gar­misch-Partenkirchen mit der Lenggrieser Genossenschaft zu verschmelzen. In ei­ner außerordentlichen Generalversamm­lung im Rasthaus Burgrain verweist Vor­stand Braun auf die „noch immer unge­nügende Ertragslage des Rasthauses“. Allgemein glaubt man, daß die Belastung der 104 Genossenschaftswohnungen, die meisten von ihnen in Burgrain, durch das Rasthaus besser getragen werden könnDie Regulierung des Lahnewiesgrabens beginnt - 1959e, wenn sie auf die etwa 1000 Wohnungen der Lenggrieser Gesellschaft aufgeteilt sei. Nach der mühevollen Sanierung will man allein nicht noch einmal das Risiko eingehen, weiterzubauen, „andererseits ist der Wohnungsbedarf unter den Mit­gliedern bei weitem noch nicht gedeckt“.

 Erstmals taucht die Frage auf, warum von der Siedlung Burgrain aus noch immer kein Bürgersteig nach Garmisch ange­legt worden ist. Bürgermeister Maders­pacher weist darauf hin, daß die Bundes­straße 23 ab dem Sonnenbichl dem Stra­ßenbauamt Weilheim unterstehe.

 Im August 1954 wird die Regulierung des Lahnewiesgrabens — die entschei­dende Voraussetzung für die Errichtung der Heimkehrersiedlung — ernsthaft in Angriff genommen. Das Wasserwirt­schaftsamt Weilheim erklärt, daß es der Bebauung des in Aussicht genommenen Grundstückes nur zustimme, wenn „we­nigstens der Unterlauf des Lahnewiesgra­bens verbaut“ werde. Die Überschwem­mungsgefahr müsse zunächst beseitigt werden, ehe das Gelände zum Bau frei­gegeben werden könne. 75000.— DM soll das Vorhaben für die hiesigen Beteiligten kosten, insgesamt rechnet man mit einer Bausumme von etwa 250000.— DM.

 Ihr Interesse an der Sicherung des Lahne­wiesgrabens bringt die Gemeinde Far­chant zum Ausdruck, da der Graben bei Hochwasser auch für Farchant erhebli­che Gefahren mit sich bringen könnte. Eine Kostenbeteiligung lehnt Farchant aber wegen „derzeit laufenden großen Belastungen“ ab. 

  Hochwasser - Die Loisach tritt über die Ufer - 1954 Hochwasser - Blick auf den von der Loisach überschwemmten Golfplatz - 1954  

Ein weiterer Schritt in Richtung Heim­kehrersiedlung: Die Gemeinde Gar­misch-Partenkirchen will von der Staats­forstverwaltung am Lahnewiesgraben ein Grundstück in der Größe von knapp 32000 Quadratmetern zum Preis von 1.— DM pro Quadratmeter für Siedlungs­zwecke im Rahmen des sozialen Woh­nungsbaus erwerben. Vor allem die Ver­bände der Heimkehrer und der Kriegsge­schädigten bewerben sich um Anteile an diesem Grundstück.

 

1955

 Das Rasthaus Burgrain bleibt ein Sor­genkind. Die vorgesehene Sanierung der Rasthausschulden im Rahmen der Ge­meinnützigen Wohnungsbaugenossen­schaft hat sich inzwischen zerschlagen. Das Stillhalteabkommen mit den Hand­werkern als Gläubigern läuft am 30. 6. ab.

 Bürgermeister Maderspacher verweist auf die finanziellen Schwierigkeiten der Gemeinde, die es andererseits sehr be­grüßen würde, „wenn die hiesige Genos­senschaft unter gleicher Vorstandschaft weiterarbeiten könnte, denn immer noch würden in Garmisch-Partenkirchen 989 Wohnungen fehlen und Burgrain wäre auch der gegebene Platz zum Siedeln“. Es sei auch der Wunsch der Gemeinde, „daß jedes Genossenschaftsmitglied zu einer Wohnung kommt“.

 Noch ist das letzte Wort über die Sanie­rung des Rasthauses und die Verbindung der Burgrainer Wohnungsbaugenossen­schaft mit der Gesellschaft aus Lenggries nicht gesprochen. Ein Beobachter stellt fest: „Das Rasthaus schwankt weiter als Spielball von Geschäftsinteressen und Zukunftsträumen. Denn allmählich scheint sich auch bei der Gemeindeverwaltung die Ansicht durchzusetzen, daß das Rasthaus bei einer weiteren Entwicklung der Siedlung vielleicht doch aus einem hässlichen Defizit-Entlein zu einem schönen Profit-Schwan werden könnte“.

 Erfreulicheres gibt es im Juli des Jahres 1955: Der Gemeinderat Garmisch-Par­tenkirchen „verteilt Siedlungsgrund am Lahnewiesgraben“. Der Verband der Heimkehrer erhält 7340 Quadratmeter, der Verband der Kriegsbeschädigten 6646 Quadratmeter. Auch wer nicht Mit­glied eines dieser Verbände ist, soll von der Gemeinde eine Chance für ein Grundstück erhalten. Bevorzugt werden kinderreiche Familien, „die sich erfah­rungsgemäß sehr schwer tun, unterzu­kommen“. Die Marktgemeinde behält sich auch das Recht vor, mitzusprechen, „wenn die erbauten Eigenheime einmal zum Verkauf angeboten würden, um auf diese Weise eventuellen Spekulationen vorzubeugen“. Ein Einheimischenmodell also, auch wenn der Ausdruck damals noch nicht erfunden ist.

 Die Leitung des Bauvorhabens „Heim­kehrersiedlung am Lahnewiesgra­ben“ wird von der dritten Burgrainer Siedlergeneration in die Hände dieser Männer gelegt: Vorstand des Siedleraus­schusses ist Fritz Rehsen, Siedlungsob­mann Ernst Bernhard, Architekt Alois Häusler, Fritz Gais und Fritz Sattler sind die weiteren Mitglieder.

 Von den neuen Siedlern wird viel erwar­tet. Sie verpflichten sich, „die wöchentli­che Selbsthilfearbeit von mindestens dreißig Stunden bei fleißiger Arbeit zu er­füllen“. Außerdem versprechen sie zu helfen, „wenn ein Siedler während des Bauens unverschuldet in Not gerät“.

 Im September 1955 wird es ernst: Auf dem neuen Siedlungsgelände westlich des Lahnewiesgrabens und nördlich der B23 beginnen die umfangreichen Ro­dungsarbeiten. Amerikanische Solda­ten, die in Murnau stationiert sind, helfen mit ihren schweren Bulldozern, das Ge­lände in kurzer Zeit kostenlos einzueb­nen . „Freudestrahlend“, so berichtet die Zeitung, „stehen die Männer vom VdK und vom VdH dabei und beobachten, was die moderne Technik hier zu leisten vermag“. Immerhin: Elf Jahre nach Kriegsende helfen amerikanische Solda­ten mit ihren „Maschinen-Elefanten“ ehe­maligen deutschen Soldaten beim Bau ihrer neuen Heime. Zwei Siedlungen sol­len hier entstehen: 20 Wohnungen baut der VdK; 24 Wohnungen wird der Ver­band der Heimkehrer errichten.

 

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 1989