Alois SchwarzmüllerBeiträge zur Geschichte des Marktes Garmisch-Partenkirchen im 20. Jahrhundert |
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Hermann Levi - Dirigent, Komponist und Übersetzer in Partenkirchen
Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts wurde der Markt Partenkirchen mit einem Mal Sammelpunkt herausragender Künstler und Schriftsteller aus dem Münchner Kulturleben. Der Maler Franz von Lenbach, der Bildhauer Adolf von Hildebrand, der nachmalige Literaturnobelpreisträger Paul Heyse und der Wagnerdirigent Herrmann Levi waren dabei, in Partenkirchen Fuß zu fassen. Walther Siegfried, selbst ein Teil der Münchner literarischen Kreise dieser Zeit und seit geraumer Zeit in Partenkirchen ansäßig, schrieb darüber in seinem „Bilderbuch eines Lebens“: „Die Niederlassung dieser vier auserlesenen Münchner Künstlerpersönlichkeiten hätte einen vollständig anders gearteten weiteren Ansiedlerzuzug nach Partenkirchen zur Folge gehabt, als er, aus den heterogensten Elementen gemischt und ohne allen verständnisvoll regelnden Einfluß auf die fernere bauliche Ausgestaltung des wachsenden Ortes, dann einsetzte.“ Im Mittelpunkt dieser außergewöhnlichen Versammlung künstlerischer, poetischer und musikalischer Geistesgrößen stand für kurze Jahre der Dirigent und Komponist Hermann Levi. Es waren viele und glanzvolle Stationen, über die er im letzten Jahrzehnt seines Lebens nach Partenkirchen kam. Die damaligen Mitglieder des Gemeinderats Partenkirchen wussten um seine Persönlichkeit und seine Rolle als Wohltäter der kleinen Gemeinde und dankten ihm 1898 mit der Ehrenbürgerschaft.
Die Laufbahn des Dirigenten Levi Das Licht der Welt erblickte Hermann Levi am 7. November 1839 in der hessischen Universitätsstadt Giessen. Sein Vater Dr. Benedikt Levi war hessischer Landesrabbiner. Die musikalische Begabung des Knaben wurde früh gefördert. Beim Mannheimer Hofkapellmeister Vinzenz Lachner bekam der junge Levi den ersten musikalischen Schliff, dann folgte das Konservatorium in Leipzig. In Paris begegnete er Hector Berlioz, in Rotterdam wurde er bald darauf Chefdirigent der Deutschen Oper, es folgte das Badische Hoftheater in Karlsruhe. In diesen Jahren war er auch mit Johannes Brahms und Clara Schumann freundschaftlich verbunden. 1872 wurde der geniale Dirigent schließlich an das Hof- und Nationaltheater in München berufen und war dort bis 1896 als Generalmusikdirektor und Hofkapellmeister tätig. Brahms, Bruckner, Mozart und Wagner dirigierte Levi mit Hingabe und größtem Erfolg.
Richard Wagner Mit dem Beginn seiner Münchner Jahre wurde Levi zu Richard Wagners namhaftestem Dirigenten und zugleich zum Künder seiner Musik. Wagner dankte es ihm mit dem Auftrag, die Uraufführung seines „Parsifal“ in Bayreuth zu dirigieren. Das war 1882, ein Jahr vor Wagners Tod. Wagners hässlicher Antisemitismus war für Levi nur erträglich, weil er in der Vertonung der mythischen Bayreuther Weihespiele die Idee des Gesamtkunstwerks erfüllt sah. Und weil Wagner „seinen“ Dirigenten wenigstens in dieser Rolle ehrte. Cosima Wagner, Richard Wagners Witwe, vertraute ein ganzes Jahrzehnt nach dem Tod des „Meisters“ auf die Einfühlungsgabe des Dirigenten Hermann Levi bei der künstlerischen Leitung der Bayreuther Festspiele.
Drei Wagner-Dirigenten (v.l.n.r.): Hermann Levi (1839-1900), Paul von Joukowsky (1845-1912), Friedrich Georg Heinrich Brandt (1854-1895)
Hermann Levi als Komponist und Übersetzer
Neben seiner Karriere als
Dirigent pflegte Levi vor allem in jüngeren
Jahren auch Ambitionen als Komponist. Ein
Klavierkonzert, eine Symphonie, eine Sonate für
Violine, verschiedene Liedvertonungen und
mehrere Werke für Klavier- und Kammermusik
entstanden. Der große Johannes Brahms fand an
diesen Werken jedoch so wenig Gefallen, dass
Levi, gerade dreißig Jahre alt, kurzerhand alle
seine Handschriften zerriss und das Komponieren
aufgab.
Hermann Levi und Richard Strauss
Der Kunstfreund Hermann Levi
Haus Riedberg 1895, Levi stand im 55. Lebensjahr, heiratete er Mary Fiedler, die Witwe des im gleichen Jahr verstorbenen Münchner Kunsthistorikers und Kunsttheoretikers Konrad Fiedler. Mit ihr wollte er sich jetzt in Partenkirchen niederlassen. Noch in seiner Zeit als Generalmusikdirektor hatte Levi nach einem schön gelegenen bebaubaren Grundstück gesucht „und bekam den herrlich auf einer Terrasse am Berghang gelegenen Sommerkeller des Raßbräus“, wie Walther Siegfried schreibt. Auf den Fundamenten des hoch über Partenkirchen auf dem Riedberg gelegenen alten Bierkellers wurde nach den Plänen des Levi-Freundes Adolf von Hildebrand eine schlossähnliche Villa errichtet - ein breiter zweigeschossiger Bau mit einer eindrucksvollen Halle, seitlich begrenzt von zwei Zwiebeltürmen. Die Stützmauer der vorgelagerten Säulenhalle trug die Inschrift „Hermann und Mary Levi - Baumeister Adolf Hildebrand“. Um das ansehnliche Haus herum, ehemals Gsteigstraße, heute Dr.-Wigger-Straße 18, entstand eine Parkanlage mit hohen Bäumen. Kaum hatten Hermann und Mary Levi „Hildebrands Schloss“, wie das Haus von den Freunden auch genannt wurde, in Besitz genommen, erging an Cosima Wagner eine Einladung zum Besuch auf dem Riedberg. Der Wagner-Verehrer Levi schrieb ihr, „er betrachte die Villa nicht als sein Eigentum, bevor sie nicht durch Cosimas Besuch geweiht sei.“ Das war 1898. Cosima ließ sich Zeit. Levi starb zwei Jahre später und erst nach seinem Tod folgte Wagners Witwe dem Ruf nach Partenkirchen, nun zu Besuch bei Levis Witwe Mary. Und das nicht nur einmal. Walter Siegfried notierte: „Frau Wagner erschien nach Levis Tod mehrere Jahre nacheinander für lange Wochen auf Riedberg zu Besuch; meist von einer ihrer Töchter begleitet.“
Der Ehrenbürger Hermann Levi Schon bald nachdem Levi den Grund für sein Haus Riedberg in Partenkirchen erworben hatte, wandte er sich an den Bürgermeister des Marktes und ließ ihn wissen, dass er sich nun als Bürger Partenkirchens für Ansehen und Wohl des Ortes einsetzen wolle: „Als Grundbesitzer werde ich immer bestrebt sein, das Interesse der Gemeinde zu fördern.“ Beim Ausbau der Wasserversorgung Partenkirchen unterstützte er den Markt großzügig. Bürgermeister Anton Resch, seine drei Magistratsräte Anton Baudrexl, Korbinian Neuner und Franz Zwerger und die sechs Gemeindebevollmächtigten Georg Hellweger, Josef Witting, Franz Nairz, Josef Fraundorfer, Mathias Grasegger und Johann Martin Bader haben den großen Dirigenten und sein Engagement für den Markt am 12. Juli 1898 mit der Verleihung des Ehrenbürgerrechts - "dem Generalmusikdirektor Hermann Levi aus München, hier wohnhaft“ - gewürdigt. Die heute an Haus Riedberg vorbeiführende Karwendelstraße trug seit 1925 den Namen „Hermann-Levi-Weg“. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde sie - 1934 oder 1935 - in "Theodor-Fritsch-Straße" umbenannt. Theodor Fritsch (1852-1933) war Verfasser antisemitischer Schriften ("Antisemiten-Katechismus" (1887), "Handbuch der Judenfrage" (1907). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Straße in "Karwendelstraße" umbenannt.
Haus Riedberg: Entwurf, Grundriss, Plan der Parkanlage, Lage über Partenkirchen
Das Mausoleum Levi, schon seit Jahren von vielerlei gesundheitlichen Kümmernissen gequält, starb am 13. Mai 1900 in München. Ernst von Possart (1841-1926) stand als Generaldirektor der Münchner Hofbühnen viele Jahre mit Hermann Levi und Richard Strauss in künstlerischer Verbindung. In seinen Aufzeichnungen "Erstrebtes und Erlebtes" ging er auch der Frage nach, ob Levi gläubig gewesen sei und zitierte dazu den Friedrich Schiller´schen Aphorismus: "Welche Religion ich bekenne? Keine von allen, die du mir nennst, Und warum keine? Aus Religion." So viel zu dem, was manche auch heute noch für ein Problem halten: War Levi bei seiner Beerdigung noch Mitglied der mosaischen Religion? Im Park des Hauses Riedberg ließ Mary Levi 1901 nach den Plänen des Bildhauers und Architekten Adolf von Hildebrand (1847-1921) - er hatte schon das Haus Riedberg entworfen - ein Mausoleum errichten, „in das Levis Sarg aus der Fiedlerschen Gruft in München überführt wurde. Dort ruht er zutiefst in seinem Garten unter hohen Bäumen, im Hauch der Berge“, so beschrieb Walther Siegfried diesen Trauer- und Gedenkort. Die ursprüngliche Anlage umfasste einen oval ummauerten Grabbezirk, der etwa vier Meter in die Höhe ragte. An der Stirnseite der Grabhalle war ein von Hildebrand entworfenes Bildnis Levis angebracht, darunter lag die Grabplatte. Ein Engel wachte über dem Eingang zur Halle.
Anlage um Mausoleum Hermann Levi in Partenkirchen, Architekt: Adolf von Hildebrand, Zustand 1901. Das Relief im Mauergiebel ist noch nicht eingesetzt. (Architekturmuseum der TU München - Fotograf unbekannt, zur Verfügung gestellt von Eberhard Schefold, 09.09.2018)
Das Mausoleum und seine weitere Geschichte Die Grabesruhe war für Hermann Levi nicht von langer Dauer. Was sonst als grenzenloser antisemitischer Hass hätte in den Jahrzehnten bis in die fünfziger Jahre ein Interesse daran gehabt, die Gruft zu öffnen, sie offenliegen zu lassen und sie auf diese Weise zu schänden. So beschreibt es jedenfalls das langjährige Gemeinderatsmitglied Hans Renner in seinem Leserbrief vom 25. Juli 2018: "Wir haben in dem weitläufigen Grundstück gespielt, vor allem aber in dem Mausoleum... Lediglich die die Gruft verschließende Grabplatte war zur Seite gerückt... Für uns war es ein geheimnisvoller und etwas gruseliger Abenteuerspielplatz. Es wäre nun interessant zu wissen, wann und von wem dieses Mausoleum dann abgerissen worden ist." Auf
diese Frage gibt nun ein Blick ins Protokoll der
Bauausschusssitzung des Marktgemeinderates
Garmisch-Partenkirchen am 4. November 1957
Auskunft. In dieser Sitzung wurde unter
Tagesordnungspunkt 17 "Beseitigung des
ehemaligen Mausoleums von Generalmusik Direktor
Levi, am jetzigen Anwesen von Generalkonsul Dr.
Lerch, Dr.Wigger-Str.12
Nach eingehender Beratung wurde beschlossen: Der Bauausschuß stimmt grundsätzlich dem Abbruch des Mausoleums zu, nachdem dieses zum grossen Teil verfallen und von keiner besonderen Bedeutung ist, außerdem im jetzigen Zustand eine Gefährdung bedeutet."
Weiter mit Quellen zu "Mary und Hermann Levi in Partenkirchen"
© Alois Schwarzmüller 2018
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