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Alois Schwarzmüller |
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Das Schicksal der Rößl-Wirtin Zenta Hausner
Zenta Hausner ist 1910 in Mühldorf am Inn zur Welt gekommen, lebte dann in München, heiratete, wurde Mutter - und übernahm 1944 zunächst die "Schranne" im Zentrum von Garmisch, dann das Weiße-Rößl in Partenkirchen nahe der Partnach - eine Gaststätte mit Garten im Untergeschoß der Kurlichtspiele. Zenta Hausner machte daraus ein Tanz- und Nachtlokal. Seit 1943 war im Rößl eine ukrainische Zwangsarbeiterin beschäftigt. Sie hieß Maria Rogalska, war mit 17 Jahren aus Zlotniki (Kreis Tarnopol) nach Garmisch-Partenkirchen verschleppt worden und musste jetzt als Küchenmädchen im Rößl arbeiten. Neben ihr und Zenta Hausner waren auch der Gastwirt Josef Bierstorfer und der Kinobesitzer Karl Wagner 1939 in der Bahnhofstraße 24 gemeldet.
Zenta Hausner war in ihren Lokalen noch vor Kriegsende in ein Geflecht von lokalen Nazi-Funktionären und Wehrmachtsoffizieren, nach dem Krieg dann von US-Offizieren und deutschen Schwarzhändlern geraten. Hitlers Imperium war gerade dabei zusammenzubrechen. Kleinere Einheiten der deutschen Armee suchten seit Ende des Jahres 1944 über Garmisch-Partenkirchen einen Weg in die vermeintlich unbesiegbare "Alpenfestung", amerikanische Verbände waren ihnen auf der Spur - aber noch am 20. April 1945 wurde im Garmischer Nobel-Hotel "Alpenhof" Hitlers 56. Geburtstag in großer Runde gefeiert. Die Geburtstagsrede hielt der Hauptmann der Gebirgsartillerie Hans Müller-Brandeck - vor mehreren hundert Zuhörern: "Vom Generaloberst bis zum Landser alles vorhanden." Amerikanische Flugzeuge hatten nur wenige Wochen zuvor den Bahnhof des Olympiaortes angegriffen.
Am Sonntag, dem 29. April 1945, gelang es einem Spezialkommando der 10. US-Panzerdivision kurz nach Mitternacht, das deutsche Brückenkommando an der Echelsbacher Brücke zu überwältigen, diese wichtige Brücke fast kampflos einzunehmen und so über Oberammergau, Ettal, Oberau und Farchant nach Garmisch-Partenkirchen vorzudringen - dort wurde der Ort am frühen Abend von einer lokalen Delegation vor dem Rathaus den US-Truppen übergeben. Major Herbert L. Snapp wurde erster Chef der US-Militärregierung mit Sitz im Rathaus, später im Divisionsstabsgebäude - das lag auf halber Höhe zwischen Rathaus und Weißem Rößl. Dort trafen sich deutsche und amerikanische Schwarzhändler, manch einer vielleicht auch aus den Reihen der 8500 Flüchtlinge, die jetzt in Garmisch-Partenkirchen untergebracht wurden.
Garmisch-Partenkirchen war für den Schwarzmarkt von großer Bedeutung: Der Reichsbankschatz hatte auf seinem Weg zwischen Berlin und Mittenwald den ehemaligen Olympiaort gequert. Am Walchensee und bei Oberau wurden Schatzsucher tätig. Noch nach dem Jahr 2000 wurde in einer Mittenwalder Kaserne danach gesucht.
Einen Schatz führte auch die Rößl-Wirtin bei sich - ein wertvolles Brilliantarmband. Es war verlorengegangen und mehrfach im Angebot - gehandelt zwischen 200.- und 470.000.- RM. Am 23. Dezember 1947 wurde Zenta Hausner in ihrer Wohnung ermordet aufgefunden. Ein Täter wurde konnte nie ermittelt werden. Die Untersuchung des Falles durch die deutsche Polizei konnte erst 19 Tage nach dem Verbrechen erfolgen.
Die angefügten Zeitungsmeldungen berichten und erzählen - über das Opfer und den oder die Täter, über die Zusammenhänge zwischen der politischen Situation nach dem Kriegsende und die lokalen Bedingungen, über deutsche und amerikanische Verwicklungen ...
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KUR - LICHTSPIELE Garmisch-Partenkirchen, Bahnhofstr. 24
Quelle: http://www.allekinos.com/GARMISCHKur.html
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Lokale Berichte:
Hochland-Bote, 30.12.1947 Mord in Garmisch-Partenkirchen Garmisch-Partenkirchen. (Eigen-Ber.) Wie wir
bereits durch Extrablatt am 23.12. berichteten, ist in den frühen
Morgenstunden des 23. Dez. die Inhaberin des Tanz- und Speiselokals
„Weißes Rößl“, Frau Zenta Hausner, in ihrer Wohnung ermordet worden. _____________________________________________________________________________
März 1948 Der Fall Hausner im Monatsbericht von Landrat Dr. Kessler Kesssler klagt über eine "außerordentliche Übervölkerung des Landkreises. Geradezu unglaubliche Anziehungskraft des Geländes auf den Fremdenverkehr. Bedeutung Garmisch-Partenkirchens, Mittenwald und Oberammergaus vom Standpunkt der Besatzungsmacht her." Besondere Situation in Garmisch-Partenkirchen: "Garmisch-Partenkirchen ist im Augenblick berüchtigt als Sammelpunkt von asozialen Elementen. Die Hausner Mordaffäre war hierfür an sich kein Symptom, sie war aber in dieser Beziehung lehrreich. Zunächst hat sie bewiesen, dass der hiesige Polizeiapparat völlig unzureichend ist, um solcher Kriminalfälle Herr zu werden. Der Mordfall geschah am 23.12.47. Während der anschließenden 3 Weihnachtsfeiertage hat die hiesige Kriminalpolizei zur Aufdeckung des Falles keinen Finger gerührt. Andererseits war der Tatort noch nicht einmal gegen dritte Personen gesichert (nach einer mir von Kriminalinspektor Venus der Landpolizei gegebenen vertraulichen Unterrichtung)... ist der Fall aber insoweit lehrreich gewesen, als die schließlich durch die Staatsanwaltschaft hier angesetzten überörtlichen Kriminalaufklärungskräfte, die einige Monate hier tätig waren, bloß durch die Untersuchung des Hausner-Falles und gewissermaßen an ihrem Rand so viele Fährten krimineller Untiefe in Garmisch-Partenkirchen wahrnehmen konnten, dass das Bild eines kriminell auf´s äußerste gefährdeten Terrains wahrnehmbar wurde. Hinzu kommt die massenhafte Anwesenheit von Schiebern, Schwarzhändlern und Nichtstuern aller Art, sowie die sich ins Unerträgliche steigernde Häufung von Preis- und Wirtschaftsdelikten, die das Bild des hiesigen Straßen-, Hotel und Unterkunftsbetriebes kennzeichnen. Ich glaube nicht, dass sich diese durch die Nachkriegszeit bedingte Situation schlagartig ändert, sobald die Währung umgestellt ist. Garmisch-Partenkirchen ist eine Art internationaler Kurort geworden, insbesondere auch durch die Ausstrahlungen, die von der hier weit stärker als im Landesdurchschnitt vertretenen Besatzungsmacht ausgehen…
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Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, mehrere Folgen 03.03.1956 - 05.04.1956
Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 03.03.1956 Dunkle Rätsel aus dunklen Tagen... Die ungeklärten Fälle der ersten Nachkriegstage in unserem Landkreis Dunkler, viel dunkler als manche andere Rätsel
jener ersten Jahre nach dem totalen Zusammenbruch ist der Fall Zenta
Hausner. Neben diesem bestialischen Mord an einer Frau gibt es wohl wenige
Ereignisse aus jenen Jahren, die den ganzen Sumpf von Schiebungen,
Unlauterkeit, Gewinnsucht, Rohheiten und Intrigen um Geld und Gold so
schlagartig beleuchten, wie es jene Zustände um den Fall Hausner tun
können. Es sind aber auch andere Gesichtspunkte, die uns veranlassen, nach
acht Jahren noch einmal diesen Mord aufzurollen: Die Akten Hausner sind
noch lange nicht geschlossen! Im Fall Hausner geschähe es nicht zum ersten
Male, wenn plötzlich einer der Mitwisser oder Täter zusammenbrechen und
bekennen würde. Ohne Einzelheiten preiszugeben, können wir versichern,
dass die Suche nach Tätern auch jetzt noch systematisch weiterbetrieben
wird. Es steht ziemlich fest, dass in Tausenden von Einvernahmen, die zu
diesem Fall gemacht wurden, nicht alles gesagt worden ist, was man weiß.
Es ist durchaus möglich, dass auch in Deutschland einmal der Lügendetektor
in der Kriminalistik zugelassen wird und dass dann seine pulsierenden
Schreibkurven, da und dort untrüglich aufgezeichnet, den oder die Mörder
unausweichlich einkreisen. Um einen Mordfall, noch dazu, wenn es sich um eine
so hintergründige Persönlichkeit handelt, wie die „Rößl-Wirtin“ Zenta
Hausner, treiben immer Neugier und Gerücht groteske Blüten. Nach jener
Mordnacht vom 23. Dezember 1947 wurde viel geschrieben und noch mehr
gemunkelt. — Kein Wunder, wenn Hunderte von Menschen mehr oder weniger mit
der Tat in Zusammenhang gebracht wurden. Die Akten des Falles Hausner sind
zu Bergen angewachsen nach mehreren tausend Vernehmungen. Und noch jetzt,
nach mehr al» acht Jahren, werden immer wieder neue Fingerzeige gegeben
und verfolgt. Ihr praktischer Wert ist unterschiedlich, viel Altes und
Bekanntes wird dabei rekapituliert und doch wird an der entscheidenden
Stelle, wo die Fäden zusammenlaufen, die Hoffnung nicht aufgegeben, dass
sich plötzlich der Weg auftut, der zum Mörder führt - und sei es noch so
weit, sei es sogar über Kontinente hinweg. Das Dunkel um den Fall Hausner wäre nicht so
dicht, wenn nicht von Anfang an in einer Weise die Voraussetzungen für ein
sorgfältiges kriminalistisches Studium des Tatortes gestört gewesen
wären. Sollte dieser Mord ungeklärt bleiben, so fällt zweifellos ein ganz
erheblicher Teil der Schuld auf jene, die nach dem Wirrwarr der letzten
Kriegstage in Nichtachtung eines Menschenlebens sich nicht um sofortige
durchgreifende Maßnahmen kümmerten. Ist Zenta Hausner das Opfer gedungener Mörder
gewesen? Hat sie zu viel gewusst? War das kostbare Armband aus Platin mit
den 41 Brillanten ihr zum Verhängnis geworden? War es private
Enttäuschung, die einen Mann in sinnlos rohen Mord trieb? Ging es um das
Geld und die anderen Schmucksachen, die man fand? Standen Geheimdienste
und politische Leidenschaften hinter diesem Verbrechen? Waren Schmuggel,
Kokain und Devisenschätze im Spiel??? Fragen über Fragen, die alle eine gewisse
Berechtigung haben. Freilich hat die Rößl-Wirtin auch selbst dem Mann, der
ihr das Küchenmesser durch die Kehle trieb, das Untertauchen leicht
gemacht: Es gingen in jener hungrigen Zeit bei der tüchtigen Rößl-Wirtin
so viele dunkle Elemente ein und aus, dass allein die Abgrenzung des
fraglichen Personenkreises große Schwierigkeiten machte. Nicht jeder wird
heute gern daran erinnert, dort damals verkehrt zu haben; und auch jenes
sagenhafte Blatt aus dem Notizbuch der Rößl-Wirtin, das nach dem Mord
verschwand, weil dort einige Namen ihrer Stammkundschaft aufgezeichnet
waren, hat seine Rolle anscheinend noch keineswegs ausgespielt. Diese
Notizbuchseite ist nämlich durchaus nicht „verschwunden“, sondern befindet
sich in guter Hut und einer Hand, die sich vielleicht erst später wieder
einmal in das ernste Spiel um die Klärung des Mordes und anderer damit
zusammenhängender Dinge einmischen wird. Aber das nur nebenbei. Es erhebt sich auch die Frage, ob nicht die
Rössl-Wirtin in jenem Sinne fast zu den „tragischen“ Persönlichkeiten zu
zählen sei, dass sie ihr Schicksal herausforderte, um daran zwangsläufig
zu zerbrechen. Es steht fest, dass Zenta Hausner keineswegs etwa nur eine
kalte Hamsterin und Nutznießerin der Situation gewesen wäre, sondern sie
war auch eine gute Wirtin und dazu eine Frau, die unter der Hand manch
Gutes zu tun vermochte. Es steht aber ebenso fest, dass sie mit aus
eigener Schuld verbrecherische Elemente nach ihrer Auslöschung lüstern
machte. Wir wissen genau: Zenta Hausner wurde gewarnt und hat diese
Warnung In den Wind geschlagen! Es wurde ihr deutlich gesagt, dass eine
Frau, die für die damalige Zeit unerhörte Schätze um sich sammelte, doch
immer damit rechnen müsse, dass sie eines Tages einen Raubmörder
entlocken müsse. Nun war aber wiederum die Rößl-Wirtin nicht gerade die
Person, sich irgendwie einschüchtern oder beunruhigen zu lassen. Und sie
meinte wohl, dass ihr so etwas nicht passieren werde. Als sie in ihrer
Küche dann von dem ersten furchtbaren Schlag getroffen zusammenbrach, war
es freilich zu spät, sich der klugen Mahnung zu erinnern. Zenta Hausner
musste sterben, als sie für Verbrecher- und Schieberkreise „interessant“
geworden war. Wir wollen in den nächsten Fortsetzungen
versuchen, aus dem weitverzweigten Fall Hausner die wichtigsten
Stationen,— es ging auch »am Rande“ dabei grotesk genug zu — unseren
Lesern zu skizzieren. Wir werden dabei gelegentlich etwas weiter ausholen
müssen.
Dunkle Rätsel aus dunklen Tagen Um den Mordfall Zenta Hausner ranken sich manche
andere „dunkle“ Ereignisse. Eines von ihnen rankt sich um das in der
Kriminalistik geradezu berühmt gewordene wertvolle Armband, das Zenta
Hausner gehörte. Ja es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass die Rößl-Wirtin
dieses Armbandes wegen ihr Leben lassen musste. So sehr man heute über die
Schwindeleien, Erpressungen, Feilschereien und was sonst alles sich um
dieses Schmuckstück abspielte, im Grunde lächeln möchte, so ernst ist der
Hintergrund, wenn man sich des Mordes erinnert. Und das eigenartigste
daran ist: Gerade dieses verschwundene Armband geistert noch heute herum,
nicht nur in Deutschland... Der Mann, der heute die Fäden des Hausner-Falles
in der Hand hält, zuckt die Achseln: „Wir gehen selbstverständlich jeder
neuen Meldung nach, auch wenn wir uns von vornherein sagen müssen, dass
sie wenig oder nichts Neues bringen wird." Solche Worte, meint man, müssten einem gerade erst
begangenen Verbrechen gelten; denn es wird noch dazu betont, dass fast
allmonatlich einige derartige Meldungen einlaufen. In Wahrheit ist aber
der Fall Hausner genauer die mysteriöse Geschichte ihres kostbaren
Armbandes. Das Hausner-Armband spukt immer noch in den
Köpfen, und gar nicht selten tauchen Personen auf, die sich mit allen
Regeln der Kunst zu tarnen versuchen, ehe sie melden, was sie gesehen zu
haben glauben: „Es war ein Mann... verdächtiges Wesen ... sonderbares
Verhalten ... gleich verdächtig... und an seinem Handgelenk das
Hausner-Armband ... hab es genau gesehen...“ Natürlich wissen die Männer, die den Fall Hausner
bearbeiten, sehr genau, wo und wieviel Repliken oder Parallel-Stücke es
von diesem ominösen Armband gibt. — Und auch wer allenfalls eines von
ihnen tragen könnte, ohne der Mörder Zenta Hausner zu sein... Aber man
forscht und forscht. Dabei ist oder war — falls es inzwischen zu kleiner
Brillantenmünze gemacht worden sein sollte — das Armband nur halb so viel
wert, als es in der Gold- und Sachwert-Hysterie des Jahres 1947
schließlich gehandelt worden war: nämlich mit mehr als einer halben
Million Mark. Und der „Gerüchtwert“ stand sogar auf 2 Millionen. Nach
heutigem Taxwert würde das verschwundene Hausner- Armband nicht mehr als
etwa 4000 DM wert sein. Da man aber auch heute, in einer angeblich wieder
»normalen* Zeit, genügend Mordfälle findet, in denen jemand wegen 20 oder
60 Mark kaltschnäuzig „ausgelöscht“ wurde, wird man verstehen, welche
Gelüste, aber auch welche Ängste, Intrigen und Scheußlichkeiten dieses
Schmuckstück in jener finstersten Zeit unserer Geschichte auf sich ziehen
musste. Zenta Hausner gehörte zu jenen Menschen, die sich
dessen wohl bewusst sind, dass ein solches Prunkstück gefährlich werden
kann. Sie hütete es deshalb, wie ihren Augapfel. „Ja, sie hatte es beinahe
jeden Tag wo anders, sie gehörte zu den Menschen, bei denen das Verstecken
eines solchen Gegenstandes beinahe zur Manie wird — und sie hat jedem
etwas anderes darüber erzählt. An dem Abend, bevor sie ermordet wurde, scheint
Zenta Hausner das Unglücksarmband in einem Sessel an einer von ihr öfter
als Versteck benutzten Stelle verborgen gehabt zu haben. — Denn später
fand man dort, auf eine seltsame Art, über die wir noch berichten werden,
ihren Schmuck — vom Armband aber — nur die Schachtel. Hat Zenta Hausner in
der Mordnacht unter dem Druck einer Erpressung das Armband aus seinem
Versteck geholt und ihrem Mörder ausgehändigt? Manches spricht dafür, dass
der Platinreif mit seinen 41 Brillanten in dieser Nacht eine ganz
verhängnisvolle Rolle gespielt hat. Dabei war es ein gar nicht so auffallendes
Schmuckstück. Ein schmales, helles Band, mit einer Fülle glitzernder,
gefasster Steine besetzt. Allerdings: der Fachmann stellte unschwer auf
einen Blick fest, dass es sich um echte Brillanten handelte, 41 an der
Zahl mit bis zu eineinhalb Karat jeder, und was da so unscheinbar als
Unterlage drunter hervorschaute, der Reif, war Platin. Ein Stoff, der
damals im ausgepowerten Deutschland einen astronomischen Ziffernwert haben
musste ...
(Fortsetzung folgt)
Dunkle Rätsel aus dunklen Tagen... Es ist im Herbst 1947. Schlimmste Hungerzeit, die
Zigaretten-Währung feiert ihre Triumphe. Wer nicht schiebt, schiebt
Kohldampf. Und aus der Konkursmasse des deutschen Volkes holen sich
zweifelhafte Elemente mit leichtem Griff ihre Millionen heraus. Die
letzten Schmuckstücke wandern auf den Markt des Hungers. Zu diesen wenigen, die im allgemeinen Ausverkauf
gewinnen, gehört die rotblonde Frau Zenta Hausner, die Wirtin vom „Weißen
Rößl“. Vielleicht denkt die nicht mehr ganz junge, aber gut aussehende
Frau Zenta gerade an irgend so eine einträgliche Transaktion, als sie
durch den ersten Herbstschnee stapft. Vielleicht passt sie deshalb nicht
genügend auf das kleine Päckchen auf, das sie bei sich hat. Sie stolpert
unweit ihrer Behausung über den Erdhaufen einer Baustelle und verliert
dabei dieses Päckchen. Erst später bemerkt sie den Verlust. Aber zwei
Erdarbeiter jener Baustelle sahen, wie das Päckchen aus der Handtasche
fiel. Wer denkt aber schon in jener Zeit an ehrliches Abliefern ... Die
beiden öffnen das Päckchen. Es enthält ein paar wollene Handschuhe und
ein schmales Armband. Der Fund wird geteilt. Der eine freut sich über die
Handschuhe, denn so was kann man jetzt gut brauchen, der andere, der das
Armband bekommen hat, hält dies für wertlos und gibt es zu Hause seiner
zweijährigen Tochter zum Spielen. EIN KIND SPIELT MIT TAUSENDERN Ein paar Tage später geht diesem Mann, der keine
Ahnung hat, welchen Wert er da seiner Tochter zum Spielen gab, der Tabak
aus. Für das „billige“ Armband, meint er, könne er vielleicht ein paar
Zigaretten bekommen. Siehe da, er erhält dafür zwei Päckchen-„Luckies“!
Fast reut ihn der Handel. Aber es ist zu spät. Der Käufer schlägt das
glitzernde Ding nun schon für 500 Mark los. Drei Tage später wird es in
einem Münchner Schwarzhändler-Lokal schon für 2000 Mark angeboten. Man
handelt hin und her, es finden sich jedoch Liebhaber für das Armband, das
man für einen Blechreif mit falschen Steinen hält. Man wird sich nicht
einig. Ein Kumpel verlässt die Kneipe, schlendert hinüber zum Bahnhof.
Dort drängen sich di« Menschen vor einem brandroten Suchplakat: „10 000
Mark Belohnung für den Finder eines sehr wertvollen Armbandes ...“ Der
Mann glaubt zu träumen. Das ist das Armband, das er eben sah! Er stürzt
zurück in die Kneipe. Der Mann aus Garmisch, der das Armband anbot, ist
noch da. „Ich hab's mir überlegt, du kriegst die 2000 Mark, weil du's
bist", sagt er mit glitzernden Augen — und er bekommt es auch. ROTE PLAKATE STEIGERN DEN WERT In der ganzen damaligen „Bizone“ schreit dieses
rote Plakat von den Mauern nach dem Armband. Niemand gibt es ab, aber sein
„schwarzer“ Handelswert steigt märchenhaft. Es geht von Hand zu Hand. 20
000 — 70 000 — 120 000, ja sogar 250 000 Mark werden dafür gezahlt. Und
schließlich landet es für 470 000 Mark bei einem „Juwelenspezialisten“.
Bei ihm hält einige Tage später die Polizei Haussuchung. Er ist ein
dunkler Kunde und wieder einmal »dran“. Niemand denkt an das Armband, Man findet bei ihm
nur einige Script-Dollars. Eine heikle Sache. Auf den Besitz dieser
Scheine stehen einige Jahre Gefängnis. Der „Juwelenspezialist“ beginnt
mit der Polizei zu handeln, denn er hat ein tolles Angebot zu machen: "Vor
wenigen Stunden hat er das gesuchte Armband an jemand verkauft! Drückt
die Polizei wegen der Script-Dollars die Augen zu, wird er den Namen des
Armband-Besitzers nennen...“ FUNDORT: STUTTGART Zwei Stunden später hat die Polizei das Armband in
Stuttgart sichergestellt und in Garmisch-Partenkirchen erhält die rote
Zenta ihr kostbares Eigentum zurück, das ihr bald zum Verhängnis werden
sollte. Wahrscheinlich wäre es besser für die Rößl-Wirtin gewesen, sie
hätte dieses Schmuckstück nie wieder gesehen! Das Armband wurde durch
diese Geschichte beinahe legendär. Von seinem schon nicht
unbeträchtlichen echten Friedenswert steigt es in der Phantasie immer
weiter — man spricht bald von 2 Millionen! Die Rößl-Wirtin — nun wieder
im Besitz dieses wertvollen Schmuckes — fühlt sich nicht mehr sicher. Sie
muss die Verstecke immer wieder wechseln. Ein Ausländer erscheint im
„Weißen Rößl“ und will das Armband für 530 000 Mark kaufen. Als Zenta
Hausner ablehnt, dringen wenige Tage später schwerbewaffnete MP-Soldaten
in ihr Haus ein: Haussuchung! Die MP will das Armband „sicherstellen“.
Doch es stellt sich gerade noch heraus, dass die MP falsch ist und
ihrerseits von der echten Polizei „sichergestellt“ werden muss. Einige
Tage darauf kommt ein Schweizer Arzt zur Rößl-Wirtin. Er schlägt ihr vor,
sie solle ihn doch heiraten. Sie würden dann beide in die Schweiz fahren,
dort werde sie ihm das Armband überlassen und nach der Scheidung könne
sie wieder heimfahren. Die Rößl-Wirtin lehnt ab. DER PORTUGIESE Dr. X. Wieder vergehen ein paar Tage, da spricht ein
Portugiese im „Rößl“ vor. Ein Dr. X. Er hat einen Plan, der Zenta Hausner
aufhorchen lässt: Sie solle das Armband dem portugiesischen Konsul in
Hamburg übergeben und sie würde dafür nicht nur das Visum für
Argentinien, sondern obendrein ein argentinisches Staatsbürgerpatent,
eine Flugkarte nach Buenos Aires und eine große Summe argentinischer Pesos
erhalten. Ihren Schmuck könne sie unverzollt mitnehmen. Auswandern nach
Argentinien! Das Angebot ist damals die halbe Million, auf die man das
Armband schätzt, mehr als wert. Das wäre die beste Gelegenheit für Zenta
Hausner, ihre anderen Werte — und es sind nicht wenige — und sich selbst
endlich in Sicherheit zu bringen. Langes Hin und Her. Auskünfte werden
eingeholt. Die Angaben des Dr. X. scheinen zu stimmen. Der große Coup wird
vorbereitet, Zenta Hausner verpachtet das „Weiße Rößl“ weiter, verkauft
ihr Mobiliar, packt ihr Geld, Schmuck und andere wertvolle Sachen zusammen
und bestellt in Hamburg ein Zimmer. Dann fährt sie los. Man schreibt
Anfang Dezember 1947. In München hat die ehemalige Rößl-Wirtin zwei
Stunden Aufenthalt. Nur aus Langeweile besucht sie die portugiesische
Interessenvertretung und fragt, um sicher zu gehen, nach der Adresse des
Konsuls. Die Anschrift, die ihr Dr. X. gegeben hat, stimmt. Und Da. X. selbst? — »Ja, erfährt sie, das sei ein
Bekannter portugiesischer Großgrundbesitzer, ein Freund des
portugiesischen Konsuls in Hamburg, der zurzeit in Bayern weilt“. Beruhigt
will Zenta das Büro verlassen, da kommt ihr unter der Tür noch ein
Gedanke. „Dr. X. ist doch ein kleiner, dicker, schwarzer Mann?“ „Nein!“
heißt es da erstaunt, „Dr. X. ist groß, schlank und blond...“ Der Traum vom Auswandern ist für Zenta Hausner zu
Ende. Ein Hochstapler hatte sie in den Fängen gehabt. Misstrauisch,
nervös, kehrt die Rößl-Wirtin in ihr „Rößl“ zurück. In den frühen Morgenstunden des 23. Dezember wird
sie in ihrer Küche ermordet aufgefunden. Sie ist mit einem stumpfen
Gegenstand erschlagen worden. Ihr Gesicht und ihr Hals waren mit einem
Küchenmesser grässlich zerschnitten. Mit dem Messer war sie auf den
Küchenboden aufgespießt... Jahre darnach sitzt in dem bayerischen Ort T. die
Tochter der Ermordeten in einem Sessel, der in der Mordnacht in der
Wohnung Zenta Hausners stand. So „saß Mama immer da“ und sie macht nach, wie
Zenta Hausner im Sessel gelehnt haben mag. „Und da griff sie immer hinein
und holte ihre Ami-Zigaretten heraus...“ Mit der Hand fährt sie dabei in
das Polster, überrascht zieht sie ihre Hand wieder heraus. Darin hält sie
ein von einem Lappen umwickeltes Päckchen. Als sie es öffnet, rollt echter
Schmuck daraus hervor: Die wertvollsten Stücke ihrer Mutter Zenta Hausner! Und das Armband? Von ihm ist nur noch die kleine Schachtel
zurückgeblieben, in der es früher lag... (Fortsetzung folgt)
Dunkle Rätsel aus dunklen Tagen... Vermutungen über Vermutungen kreisen um diese
Mordnacht. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass es auch hieß, Zenta
Hausner war erst mit dem Gauleiter liiert, und dann hatte sie enge
Verbindungen zu den Amerikanern. Konnten da nicht nationale Gefühle die
Ursache des Todes gewesen sein? Der Mann, der diese Andeutung machte,
dass also eine Art Lynch-Justiz demonstriert wurde, war nicht irgendein
Schwätzer, sondern er war bestens informiert. Aber dies ist nur einer von
den vielen möglichen Gedankengängen über den scheußlichen Mord — der
übrigens an einem anderen Ort eine auffallende Parallele haben soll.
Wieder andere Vermutungen besagen, dass Zenta Hausner einfach zu viel
gewusst habe. Sie war die bestinformierte Frau des Landes zu jener Zeit,
oder dass sie ein politisches Doppelspiel trieb, oder dass sie als Frau,
die über das „gewisse Etwas“ verfügte, einem Eifersuchts- oder
Sexualmörder zum Opfer gefallen ist, oder dass irgend eine Gruppe, der die
„rote Rößlwirtin" im Wege war, sich Mörder gedungen hatte, oder dass der
Mord nur der einzige Weg war, um zu dem Platin-Armband zu kommen... Man könnte solche Kombinationen noch beliebig
fortsetzen, und alle liegen sie im Bereiche des Möglichen, so zwielichtig
war die Atmosphäre um die Rößl-Wirtin, so umfangreich aber auch der Kreis
derer, die mit der Tat Zusammenhängen können. Wie man den Mord entdeckte . . . Das wenige, das an Tatsachen über die Mordnacht
bekannt ist, ist schnell erzählt: Mit der Polizeistunde nahm man es im
„Weißen Rößl“ nicht so genau, und so dauerte der Betrieb auch diesmal bis
tief in die Naht. Es dürften nicht nur „Geschäftsfreunde“ gewesen sein,
die bei der Zenta geblieben waren, sondern es war zweifellos auch der eine
oder andere dabei, der an der Rößl-Wirtin gutbestelltem Tisch seine
einzige Weihnachtsfreude fand. Denn wenn sie auch recht skrupellos zu
nehmen wusste, so teilte sie auch gelegentlich mit vollen Händen wieder
aus. Man weiß, wer in dieser Nacht des 23. Dezember noch bei ihr war, wer
unten stand, wer oben in ihren Privatzimmern sich aufhielt, wer sich noch
herzlicher verabschiedete und als letzter ging. Das weitere liegt im
Dunkel. Als Freunde am nächsten Morgen mit Schneebällen ans
Schlafzimmerfenster von Zenta Hausner warfen, wunderten sie sich gar nicht
sonderlich. dass alles ruhig blieb. Wahrscheinlich hatte es gestern wieder
einmal lange gedauert, und die Rößl-Wirtin schlief also noch. Man fuhr
deshalb ohne sie nach München. Erst gegen 8.30 Uhr machte die
Haushälterin, die sich erst Schlüssel beschaffen musste, um die
merkwürdigerweise versperrte Türe öffnen zu können, die grausige
Entdeckung. Mit dem Morgenrock bekleidet, lag Zenta Hausner
auf dem Boden, mit dem Küchenmesser war sie durch die Kehle hindurch auf
den Boden gespießt. Gesicht und Hals waren bis zur Unkenntlichkeit mit
Schnitten und Stichen verunstaltet. Dann entdeckte man, dass die Rößl-Wirtin,
offenbar vorher schon, mit einem stumpfen Gegenstand, wahrscheinlich einem
Beil, einen tödlichen Schlag auf die Stirn erhalten haben musste. Später
wurde der Schlüsselbund der Wirtin, an dem sich auch der Schlüssel zu der
außerhalb der eigentlichen Wohnung liegenden Küche befand, im
benachbarten Garten entdeckt. Und schon eilte auch die Kunde durchs Land,
dass man bei der „Unterweltkönigin“ von Garmisch Säcke voll Kaffee und
Zucker, Kisten mit amerikanischen Zigaretten, Rauschgifte und große
Mengen Schmuck, juwelenbesetzte Ringe, goldene Armbanduhren und
Goldmünzen gefunden habe. Das Telefon auf dem Wohnungsgang soll ausgehängt
gewesen sein, Kuchen und Kaffee, die in zwei Gedecken auf dem Tisch
standen, waren angeblich unberührt. Mordkommission darf erst nach 17 Tagen
beginnen Man schreibt das Jahr 1947. Zwar ergeht von der
deutschen Polizei sofort die Bitte an die Öffentlichkeit, an der
Aufklärung des Verbrechens mitzuarbeiten - aber was heißt im Jahre 1947
schon „Aufklärung?“ „Die deutschen Polizisten wurden zur Seite geboxt, ein
Haufen Amerikaner lief im Mordzimmer herum, der Tatort wurde nicht
abgesperrt", berichtete ein Augenzeuge. Es gab keine sofortigen
Verhaftungen, und erst nach vollen 17 Tagen konnte eine deutsche
Mordkommission mit ihrer Arbeit am Tatort beginnen. Zu dieser Zeit fand
man nur noch ein paar Päckchen amerikanischer Zigaretten, etwas Kaffee und
dergleichen - „Spuren sichern“ oder ähnlichem war praktisch keine Rede
mehr. Dann folgten die Vernehmungen. In ihrem Verlauf wurden mindestens
zehn Personen festgenommen, manche von ihnen saßen vier Wochen in
Untersuchungshaft, andere wurden 10- bis 20mal vernommen, aber die
deutsche Polizei in jener Zeit genoß nicht nur wenig Achtung, sondern sie
besaß vor allem auch praktisch fast keine Befugnisse. „Dass es damals in Garmisch keine „Späne“ gab, lag
nur daran, dass der deutschen Kriminalpolizei die Befugnisse fehlten“.
Man wusste, dass es gewisse „Kliquen“ gab, die sich intelligent und
wendig in dem klippenreichen Fahrwasser der Vernehmungen bewegten, drauf
losgelogen haben müssen, sich vielleicht sogar über die Landsleute, die
sich mit diesem schwierigen Fall abquälten, recht lustig machten.
Wohlgemerkt: Auf deutscher Seite, wo sofort schwere Widersprüche deutlich
geworden waren. Was zur gleichen Zeit auf amerikanischer Seite
vorging, war nicht weniger grotesk. Den deutschen Kripo-Beamten wurde
immer wieder und so geschickt „ungeschickt“ ins Handwerk gepfuscht, dass
von einer Zusammenarbeit keine Rede sein konnte. Die Deutschen wurden
behandelt, wie es den Herren gerade passte. Wenn die deutsche Polizei
Zeugen vernehmen wollte, schaltete sich die CIC ein, ließ die Leute laufen
oder griff auch sonst spürbar in den Ablauf der Untersuchungen eigenwillig
ein. Eines Tages schlägt eine amerikanische
Journalistin einem deutschen Untersuchungsbeamten mit der Reitpeitsche
ins Gesicht: „Wo du haben Bild von Rößl- Wirtin?“, will sie wissen. Mit
dem Sensations-Bild der bestialisch ermordeten Rößl-Wirtin wäre in der
ausländischen Presse damals viel Geld zu machen gewesen. Aber trotz dieser
Attacke blieben die Bilder - sie existieren wirklich! - verborgen. Nicht verborgen blieb allerdings, dass auch bei
amerikanischen Stellen einiges überaus „finster“ um den „Fall Hausner“
war. So sagte man einem Zeugen, der wegen Schwarzhandelsgeschäften um
Zenta Hausner seine dienstliche Mitteilung in einer amerikanischen
Dienststelle machen wollte, „Wem wollen Sie das erzählen ... der schiebt
ja selbst...“
Dunkle Rätsel aus dunklen Tagen... Noch Anfang Dezember 1947 war Zenta Hausner
verhört worden wegen eines Stücks Radium, das ihr angeboten worden war.
Dieses Stück Radium - die Phantasie der Leute hat dann ganze Berge daraus
gemacht — war tatsächlich vorhanden, aber es wechselte so schnell die
Besitzer, dass es nicht mehr sicherzustellen war. Wie weit Zenta Hausner
wusste, dass sich über ihr und ihrem Kreis von „Geschäftsfreunden" schon
längst schwere Gewitter zusammengezogen hatten, blieb unklar. Es ging
aber im „Weißen Rößl“ allzu „schwarz" zu, als dass es auf die Dauer hätte
gut gehen können. „Am Tisch wurden waggonweise Kohlen, Alkohol, Benzin
usw. angeboten und verschoben, Riesengeschäfte mit Brillanten und Opium
gemacht...", so urteilen Kenner der damaligen Situation. Mit der Zeit
zogen sich alle, die etwas auf sich hielten, vom Weißen Rößl zurück. Tatsächlich lief damals schon eine Riesen-Fahndung
von amerikanischer Seite, doch platzte die Bombe erst nach Zenta Hausners
Tod. Eine amerikanische Zeitung schrieb am 13. Januar 1948
„Riesenrauschgiftring in Bayern aufgedeckt". Und dann folgten
Mitteilungen, die sich in allererster Linie auf Zenta Hausner und ihren
engsten deutschen wie amerikanischen Kreis von „Geschäftsfreunden"
bezogen: „Der größte Nachkriegs-Schwarzmarkt-Skandal, in
den eine Bande von internationalen Rauschgift-Händlern verwickelt war,
deren Geschäfte den sensationellen Kronberg-Juwelen-Diebstahl über 1,5
Millionen Dollar als zwergenhaft erscheinen lässt, droht heute die
Militärregierung von Bayern in die Luft zu sprengen. Der Fall kam vor
zwei Wochen an die Öffentlichkeit durch den Mord an der „Garmischer
Nelly“, der Herzenskönigin und rothaarigen Flamme aller ihrer Komplizen in
Bayern. Schwere Belastungen werden erhoben gegen Offiziere
der Militärregierung, gegen die Tochter eines bekannten deutschen
Industriellen, gegen eine Prinzessin und gegen Prostituierte, die in
diesen Fall verwickelt waren. Dies berichtete Armee-Sekretär Kenneth
Royal, der in Verbindung mit dem für diesen Fall beorderten amerikanischen
Untersuchungsrichter Earl River aus Carolina steht. Trotz der acht Monate
dauernden Untersuchung durch höchste Armeestellen, trotz des hiesigen
Materials konnten keine tatsächlichen Beweise erbracht werden. Während
dieser Zeit hielten Kenneth Royal und zwei andere Korrespondenten, die das
Material besaßen, jede Veröffentlichung zurück, um die Untersuchungen
nicht zu beeinträchtigen. Diese Woche jedoch kam die ganze Affäre ans
Tageslicht, als der mysteriöse Mord an der deutschen
„Unterwelts-Herzenskönigin“, an dem auch Deutsche beteiligt scheinen, das
Material der Armee-Untersuchungen in die Hände der Militärregierung
spielte. Nelly, die mit der Bande in Verbindung stand, wurde Anfang
Januar (Hier irrt die Zeitung: Richtig ist 23. Dezember. Die Redaktion.)
erstochen aufgefunden. Dieser Aufsehen erregende Fall, der die Bayerische
US-Regierung erschüttert hat und der schwerwiegende Rückwirkungen zu haben
droht, wurde vor fast acht Monaten von deutschen und amerikanischen
Stellen entdeckt. „Diese bestätigten, dass er eine Reihe anderer Fälle
umfasst u. a. einen von einem früheren SS-Offizier geleiteten
Rauschgiftring. Ein deutscher Bandenführer und andere Mitglieder
der Bande hatten es verstanden, die auftauchenden Beweise immer wieder zu
isolieren, mit Hilfe ihrer „engen Beziehungen" zu einem früheren
US-Armee-Offizier, von dem man sagt, dass er ein Mitglied der Bayerischen
Militärregierung ist. Dieser Angestellte, der als „Beschützer“ der Bande
handelte, stellte den Kontakt mit dem Ring in seiner Eigenschaft als
Rauschgift-Fahnder her. Obgleich US-Armee-Untersuchungsrichter sich
weigerten, in einer Veröffentlichung die Personen zu nennen, die darin
verwickelt sind, insofern Beweise vom Hörensagen vorliegen, gab ein
Sprecher vom Eucom-Büro des General-Profosses zu, dass der Name dieses
Schlüssel-Offiziers von der Militärregierung durch den ganzen Fall immer
wieder erscheint, soweit bisher durch den untersuchenden
General aufgedeckt werden konnte. Die IG konnte ihn auf Grund der
gegenwärtigen Zeugen bisher nicht dem Gericht übergeben, sagt offiziell
der General-Profoss. Untersuchungsrichter haben auch die Akten eines
anderen früheren Offiziers gesperrt, der jetzt mit seinem deutschen
Mädchen von den Erfolgen des Schwarzmarktes in der Schweiz lebt.
Informationen geben an, dass dieser frühere Major wohl im Stande sein
wird, das Geheimnis der Goldbarren, welche man auf 750 000 Dollar schätzt,
als auch das weiterer Dollarwerte in Höhe von 2,5 Millionen Dollar zu
klären. Ein dritter früherer Offizier soll im Besitz von Informationen
bezüglich der Gold-Barren sein. Er soll zurückgekehrt nach den USA sein,
wo er jetzt lebt..." Soweit die amerikanische Zeitung. Man erkennt zum
Schluss unschwer den Hinweis auf die Goldbarren des Reichsbank-Schatzes,
über den wir unseren Lesern vor kurzem erst berichteten. Ebenso geht aber
nahezu eindeutig daraus hervor, dass bei der „Weißen-Rößl“- Wirtin eine
gewichtige Zweigstelle des Rauschgiftringes gewesen war. Nicht weniger
interessant und sehr eng mit Zenta Hausner verbunden war ein Mann, der
wohl als einer der unrühmlichsten Vertreter der Besatzungsmacht auf
deutschem Boden gelten dürfte und der mit der „Bande", aber auch mit dem
Schicksal vieler Garmisch-Partenkirchner auf eine sehr unangenehme Weise
verbunden war. Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 05.04.1956 Dunkle Rätsel aus dunklen Tagen Wir haben mit unserer Darstellung von der Jagd
nach dem Reichsbankschatz ebenso wenig „übertrieben“ wie mit der des
Mordfalles Zenta Hausner. Zudem haben beide Fälle - das ist ihr
Gemeinsames - nie ein richtiges „Ende“ gefunden. Diejenigen, die den
Reichsbankschatz (betrachten wir ihn jetzt ruhig einmal als Gold des
deutschen Steuerzahlers) verschoben, sich Anteile aneigneten oder heute
noch davon ein Dasein in Frieden und vielleicht sogar in Ehren führen: Sie
alle sind nie zur Rechenschaft gezogen worden, und ob eine solche
„Abrechnung“ noch jemals kommt, weiß niemand. Und auch der oder die Mörder Zenta Hausners sind
noch nicht verurteilt. Allerdings wird immer noch nach ihnen gefahndet,
und immer noch steht eine Belohnung auf ihre Ergreifung. Wir haben auch
gerade den Fall Hausner deshalb noch einmal so eingehend behandelt, weil
man auch an zuständiger Stelle die Auffassung vertritt, dass eine
sachliche Darstellung der Zusammenhänge um den Hausner-Mord nur ein
Vorteil und nie fehl am Platz sein kann. Wir erwähnten schon, dass in den
Aussagen der Hausner Affäre ganz offenbar Dinge verschwiegen worden sind,
die von Bedeutung sein können; und dass vielleicht schon die Anwendung
des Lügen-Detektors, die von ernsten Kriminalisten durchaus befürwortet
wird, neue Gesichtspunkte bringen könnte. Einzelheiten aus den Akten
Hausner konnten hier natürlich, gerade mit Rücksicht auf eventuelle
künftige Ermittlungsmöglichkeiten, nicht mitgeteilt werden. Der dritte „dunkle“ Fall von allgemeinem Interesse
aus jenen düsteren Tagen um die Stunde Null und ihre traurige Nachfolge
ist die Ermordung des Wirtes von der Esterbergalm an jener einsamen
Stelle, wo heute am Esterbergweg das Marterl an diese finstere Tat
erinnert. Auch in diesem Fall sind die Akten noch nicht geschlossen.
Freilich hilft das nicht über das tiefe menschliche Leid hinweg, das
gerade mit diesem Mord und der betroffenen Familie zusammenhängt. Aber
solcher Morde gab es damals viele im dunkelsten Deutschland - und die
meisten sind dunkel geblieben, selbst da, wo man bestimmte Anhaltspunkte
gewinnen konnte. Männer wie der Esterbergwirt sind erschütternde
Opfer jener Zeit - nicht, weil es Mörder gab; denn Verbrechen solcher Art
werden heute genau so begangen - sondern weil in der Unruhe der Zeit sich
die Spuren so leicht und schnell verwischen ließen; weil die Fahndung von
Zufällen und Machtlosigkeit gehemmt war, wie es auch der Fall Hausner so
drastisch gezeigt hat. So ist das Marterl am Weg zur Esterbergalm im
tiefsten Grunde weit mehr als nur die Erinnerung an eine mörderische Tat
und ihr Opfer. Es ist vielmehr ein Mahnmal — gebrauchen wir ruhig einmal
das viel missdeutete Wort —, das uns die Erinnerung wach halten sollte an
die wohl schlimmste Zeit, die es in | unserer jüngeren Geschichte gegeben
hat. Vielleicht gehört es sich, dass dann und wann der
oder jener ein Sträußerl da oben zum Gedächtnis niederlegt, zum
Gedächtnis auch an eine Zeit, die langsam Vergangenheit wurde, von der wir
aber hoffen wollen, dass sie uns ähnlich nie wieder auferlegt sein
möge!... _____________________________________________________________________________
Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 09.04.2009 Mordfall Zenta Hausner - Die tote Herzenskönigin der Unterwelt- Mord an "Rössl"- Besitzerin Zenta Hausner soll bei "Aktenzeichen XY" neu aufgerollt werden
Man muss sich in die Situation 1947 versetzen, um
die Szenerie nachvollziehen zu können: "Drei Jahre lang nach dem Krieg war
die Zigarette das meistakzeptierte Handels-Medium in Deutschland",
schreibt der englische Journalist Ian Sayer ("Sunday Times"), der mit
seinem Kollegen Douglas Botting 1984 das Buch "Nazi-Gold" herausbrachte.
Für eine einzige Zigarette habe man damals eine Flasche Schnaps bekommen
können oder zwei Pfund Butter. Die Reichsmark war praktisch wertlos
geworden, und die großen Geschäfte liefen über den "Black Market". In
Garmisch-Partenkirchen, geographisch günstig gelegen an der Grenze nach
Österreich und nahe der Schweiz, hatten sich, gut getarnt, allerlei
frühere Nazis niedergelassen, aber auch unter dem Schutz korrupter
US-Offiziere und einer deutschen Verwaltung, die von der Besatzungsmacht
abhängig war, amerikanische Schmuggler und andere zwielichtige Menschen.
"In Garmisch war", sagte damals ein US-Kriminalbeamter, "die übelste
Konzentration von internationalen Gangstern im Nachkriegs-Europa". Im "Weißen Rössl" war das Zentrum des
Schwarzmarkts, hier wurde mit Platin und Uran gehandelt, mit Morphium und
Kokain, mit Edelmetall und Waffen. Manches wurde gleich waggonweise
verhökert, wie auch aus einer Serie des Tagblatts hervorgeht, die in
"Nazi-Gold" zitiert wird. Im Zentrum dieses Horts der dunklen Geschäfte:
"Rössl"-Wirtin Zenta Hausner, die "rote Prinzessin", wie sie ihrer üppigen
roten Haare wegen genannt wurde. Mit 18 schon Wirtin Geboren 1910 in Mühldorf am Inn, hatte sie schon
mit 18 eine kleine Kneipe in München, dann arbeitete sie sich in der
Branche hoch und heiratete einen Autorennfahrer; aus der Ehe, die 1938
geschieden wurde, ging eine Tochter hervor. In Garmisch-Partenkirchen
pachtete Hausner die "Schranne" und hatte gute Beziehungen zu hohen
lokalen NS-Funktionären. Nach Kriegsende wollte sie aufs "Rössl"
umsteigen, und dies ging am leichtesten, indem sich die attraktive Frau
einen der neuen "Herren" angelte. Über die sehr gute Bekanntschaft mit
einem US-Hauptmann, der mit "Persilscheinen" - Fälschungen - handelte, war
sie im Herbst 1945 Wirtin des "Rössl". Hausner baute das "Rössl" erst
einmal zu einem Nachtlokal aus und zusammen mit ihrem Hauptmann zu einem
florierenden Schwarzmarkt. In diesem Zusammenhang bekam die "Garmischer
Nelly" auch noch viele andere Bekannte, hauptsächlich aus dem US-Milieu,
aber auch von Deutschen, die mit den Amerikanern ihre Geschäfte machten.
Kurze Zeit, bevor sie ermordet wurde, hatte Hausner noch erfahren, dass
die Liebe des US-Hauptmanns nach einem Heimaturlaub bei seiner Frau
erkaltet war. Für Weihnachten 1947 plante sie einen Besuch bei ihrer
Familie in Moosburg. Im Tagblatt war 1956 zu lesen, dass Hausner, die eine
sehr tüchtige Wirtin gewesen sein soll, Werte angesammelt habe und vor
einem Anschlag gewarnt worden sei. In "Nazi-Gold" heißtes, dass sie
beabsichtigte, bei der US-Militärregierung über die bei ihr verkehrenden
Schwarzhändler auszusagen. Am Morgen des 23. Dezember 1947 klopften zwei
Bekannte am Haus - doch es rührte sich nichts. Die Haushälterin öffnete
die versperrte Wohnung im ersten Stock und machte die grausige Entdeckung:
Das Gesicht der Ermordeten, die in ihrem Nachthemd am Boden lag, war mit
Schnitten und Stichen verunstaltet, ihr Kopf war vermutlich mit einem Beil
zerschmettert. Die Garmisch-Partenkirchner Polizei wurde gerufen, ein Arzt
geholt, der auf dem Totenschein das Ableben auf 4 Uhr früh fixierte. Doch
schnell kamen die Amerikaner, drängten die deutsche Polizei, die kaum
Befugnisse hatte, beiseite. Von Spuren sichern war keine Rede mehr, Spuren
laufen ins Leere, erst nach 17 Tagen konnte die deutsche Mordkommission
mit der Arbeit beginnen, in deren Verlauf mindestens zehn Personen
vorübergehend festgenommen wurden. Manche saßen vier Wochen in U-Haft, es
gab hunderte von Vernehmungen - vergebens. Mit dem Mörder war wertvoller Schmuck
verschwunden: ein Platinarmband mit 40 Brillanten, eine Goldbrosche, einen
Flügel darstellend mit Brillanten und Rubinen, zwei Perlenketten, ein
goldener Siegelring. Die Autoren von "Nazi-Gold" zweifeln einen Raubmord
mit dem Hinweis an, dass der Täter einen Stapel US-Dollars liegen ließ und
zwei wertvolle Fünfkarat-Brillantringe, die an den Fingern Hausners
steckten. Wie auch immer: Der Mord wurde nie geklärt, alle
Spuren verliefen im Sand. Bis heute. _____________________________________________________________________________
Drehbuchwettbewerb „Bayern und Amerika“ –
Die Preisträger
(München, 5. Juli 2012) Beim FFF-Empfang während
des Filmfests Im Juni 2011 hatte der Markt
Garmisch-Partenkirchen unter der Schirmherrschaft des 1. Bürgermeisters
Thomas Schmid in Zusammenarbeit mit dem Generalkonsulat der USA und dem
FilmFernsehFonds Bayern den Wettbewerb
ausgeschrieben. Denn gerade anhand von Garmisch-Partenkirchen - nach dem
zweiten Weltkrieg Recreation Area für die US-Streitkräfte, Sitz des
Marshall Center for Strategic Studies und vieler weiterer amerikanischer
Einrichtungen - sind über das Verhältnis von Bayern und Amerikanern abendfüllenden Spielfilm mit deutlichem Bezug auf den Schauplatz Garmisch-Partenkirchen. Die insgesamt 30 Einreichungen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Vereinigten Staaten wurden von einer Jury begutachtet. Sie bestand aus: Bettina Ricklefs, Leiterin des
Programmbereichs Spiel-Film-Serie beim Bayerischen Fernsehen, Dr. Michaela
Haberlander, Drehbuch-Referentin beim FFF Bayern, US-Generalkonsul Conrad
Tribble, Quirin Berg, Produzent (Wiedemann & Berg Filmproduktion), Georg
Büttel, Künstlerischer Leiter des Kultursommers Garmisch-Partenkirchen,
und Sebastian Bezzel, Schauspieler und Hauptdarsteller von Schwere
Jungs, dem Siegerfilm des ersten Garmisch-Partenkirchener
Drehbuch-Wettbewerbs. Drei Treatments wurden für die Endrunde ausgewählt
und bis Mitte Mai 2012 zu vollständigen Drehbüchern ausgearbeitet. Über
diese konferierte die Jury erneut und vergab die Plätze 1, 2 und 3. DIE PREISTRÄGER Platz 1:
feuerrotwieblut – Drama nach historischen
Ereignissen von Petra Hebeisen-Unruh. Die auf historischen Fakten
basierende Geschichte einer charismatischen rothaarigen Halbwelt-Dame, die
bis zu ihrer nie aufgeklärten Ermordung 1947 in Garmisch-Partenkirchen ein
legendäres Lokal führt. Dort treiben Einheimische und amerikanische
Soldaten dubiose Geschäfte. Jury-Begründung: „Die Hauptfigur von feuerrotwieblut, Zenta Hausner
– attraktiv, rothaarig und zum Erreichen ihrer Wünsche zu fast allem
bereit – ist ein ungewöhnlich starker Frauencharakter. Sie will in den
Wirren der deutschen Niederlage und der amerikanischen Besatzung obenauf
bleiben, koste es, was es wolle. Auch die Männer in Zentas Leben, von der
Nazi-Liebschaft bis zum amerikanischen Offizier, sind schillernd und
vielschichtig gezeichnet. Die Umgebung, das Garmisch-Partenkirchen der letzten Kriegstage und ersten beiden
Nachkriegsjahre, bietet atmosphärisch hochinteressante Schauplätze. Das
Milieu von GIs und „Fräuleins“, von flüchtigen Nazis, Gaunern, Schiebern
und Agenten ist mit großer Sorgfalt recherchiert. Mit feuerrotwieblut
entwickelt Petra Hebeisen-Unruh einen packenden Stoff in eindrucksvollen
Bildern und fein nuancierten Dialogen – eine überzeugende Siegerin!“
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