Alois Schwarzmüller
Beiträge zur Geschichte des Marktes Garmisch-Partenkirchen im 20. Jahrhundert

 

 

 

 

Das Schicksal der Rößl-Wirtin Zenta Hausner

 

Zenta Hausner ist 1910 in Mühldorf am Inn zur Welt gekommen, lebte dann in München, heiratete, wurde Mutter - und übernahm 1944 zunächst die "Schranne" im Zentrum von Garmisch, dann das Weiße-Rößl in Partenkirchen nahe der Partnach  - eine Gaststätte mit Garten im Untergeschoß der Kurlichtspiele. Zenta Hausner machte daraus ein Tanz- und Nachtlokal. Seit 1943 war im Rößl eine ukrainische Zwangsarbeiterin beschäftigt. Sie hieß Maria Rogalska, war mit 17 Jahren aus Zlotniki (Kreis Tarnopol) nach Garmisch-Partenkirchen verschleppt worden und musste jetzt als Küchenmädchen im Rößl arbeiten. Neben ihr und Zenta Hausner waren auch der Gastwirt Josef Bierstorfer und der Kinobesitzer Karl Wagner 1939 in der Bahnhofstraße 24 gemeldet.

 

Zenta Hausner war in ihren Lokalen noch vor Kriegsende in ein Geflecht von lokalen Nazi-Funktionären und Wehrmachtsoffizieren, nach dem Krieg dann von US-Offizieren und deutschen Schwarzhändlern geraten. Hitlers Imperium war gerade dabei zusammenzubrechen. Kleinere Einheiten der deutschen Armee suchten seit Ende des Jahres 1944 über Garmisch-Partenkirchen einen Weg in die vermeintlich unbesiegbare "Alpenfestung", amerikanische Verbände waren ihnen auf der Spur - aber noch am 20. April 1945 wurde im Garmischer Nobel-Hotel "Alpenhof" Hitlers 56. Geburtstag in großer Runde gefeiert. Die Geburtstagsrede hielt der Hauptmann der Gebirgsartillerie Hans Müller-Brandeck -  vor mehreren hundert Zuhörern: "Vom Generaloberst bis zum Landser alles vorhanden." Amerikanische Flugzeuge hatten nur wenige Wochen zuvor den Bahnhof des Olympiaortes angegriffen.

 

Am Sonntag, dem 29. April 1945, gelang es einem Spezialkommando der 10. US-Panzerdivision kurz nach Mitternacht, das deutsche Brückenkommando an der Echelsbacher Brücke zu überwältigen, diese wichtige Brücke fast kampflos einzunehmen und so über Oberammergau, Ettal, Oberau und Farchant nach Garmisch-Partenkirchen vorzudringen - dort wurde der Ort am frühen Abend von einer lokalen Delegation vor dem Rathaus den US-Truppen übergeben. Major Herbert L. Snapp wurde erster Chef der US-Militärregierung mit Sitz im Rathaus, später im Divisionsstabsgebäude - das lag auf halber Höhe zwischen Rathaus und Weißem Rößl.

Dort trafen sich deutsche und amerikanische Schwarzhändler, manch einer vielleicht auch aus den Reihen der 8500 Flüchtlinge, die jetzt in Garmisch-Partenkirchen untergebracht wurden.

 

Garmisch-Partenkirchen war für den Schwarzmarkt von großer Bedeutung: Der Reichsbankschatz hatte auf seinem Weg zwischen Berlin und Mittenwald den ehemaligen Olympiaort gequert. Am Walchensee und bei Oberau wurden Schatzsucher tätig. Noch nach dem Jahr 2000 wurde in einer Mittenwalder Kaserne danach gesucht.

 

Einen Schatz führte auch die Rößl-Wirtin bei sich - ein wertvolles Brilliantarmband. Es war verlorengegangen und mehrfach im Angebot - gehandelt zwischen 200.- und 470.000.- RM.

Am 23. Dezember 1947 wurde Zenta Hausner in ihrer Wohnung ermordet aufgefunden. Ein Täter wurde konnte nie ermittelt werden. Die Untersuchung des Falles durch die deutsche Polizei konnte erst 19 Tage nach dem Verbrechen erfolgen.

 

Die angefügten Zeitungsmeldungen berichten und erzählen - über das Opfer und den oder die Täter, über die Zusammenhänge zwischen der politischen Situation nach dem Kriegsende und die lokalen Bedingungen, über deutsche und amerikanische Verwicklungen ...

 

   
  Zenta (Kreszenz) Hausner 
 Foto: Ian  Sayer, Nazi Gold (London 1984)
    S.245 
Weißes Rößl (um 1946)
 - Foto: Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen
 
       
   
  Grundriss der Wohnung -
Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen
Fahndungsplakat - Foto: Ian Sayer  
     
   
  Brillantarmband von Zenta Hausner - Foto: Ian Syaer  

 

   
   Wohnung des Opfers - Foto: Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen  

 

     
  Weißes Rößl (1947) - Foto: Privat   
 

_____________________________________________________________________________

 

KUR - LICHTSPIELE

Garmisch-Partenkirchen, Bahnhofstr. 24

  eröffnet: 1920    
geschlossen: 1970
  Sitzplätze: 610 (1926) - 553 (1940) - 392 (1949)580 (1953) - 650 (1967)    
  Betreiber: Kur-Ls GmbH Arnold Gumbrecht   mind. 1922 - 1929  
    Gebrüder Wagner 1930 - mind. 1942  
    Rolf Cavael                                     1949  
    Gebrüder Wagner 1950 - mind. 1967  
  50 Jahre wurden im großzügigen Filmtheater in der Bahnhofstraße Filme gezeigt, dann fiel das Kino der allgemeinen Kinokrise zum Opfer.  

 

Quelle: http://www.allekinos.com/GARMISCHKur.html

 

_____________________________________________________________________________

 

Lokale Berichte:

 

Hochland-Bote, 30.12.1947

Mord in Garmisch-Partenkirchen

Garmisch-Partenkirchen. (Eigen-Ber.) Wie wir bereits durch Extrablatt am 23.12. berichteten, ist in den frühen Morgenstunden des 23. Dez. die Inhaberin des Tanz- und Speiselokals „Weißes Rößl“, Frau Zenta Hausner, in ihrer Wohnung ermordet worden.
Unbekannte Täter hatten sie zuerst mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf geschlagen und ihr danach Gesicht und Hals mit einem Messer bis zur Unkenntlichkeit zerstochen. Die polizeilichen Ermittlungen sind im Gange. Die Kriminalpolizei bittet die Öffentlichkeit, an der Aufklärung dieses Verbrechens mitzuarbeiten. Sachdienliche Mitteilungen, die auf Wunsch vertraulich behandelt wenden, sind an die Kriminalpolizei Garmisch- Partenkirchen zu richten.
Frau Centa Hausner, die bereits in München Inhaberin eines Vergnügungslokals gewesen ist, kam 1944 nach Garmisch-Partenkirchen, wo sie zunächst das Speiselokal „Die Schranne“ eröffnete. Seit 1946 war sie in weitesten Kreisen bekannt. Die Ermordete stand im 37. Lebensjahr.
Das Armband der Ermordeten
Der Mord an Frau Hausner hat das Interesse der Öffentlichkeit erneut auf einen Vorgang gelenkt, der nun schon einige Monate zurückliegt. Wer entsinnt sich nicht mehr der zahlreichen Plakate, mit denen bei 10 000 Mark Belohnung ein außerordentlich wertvolles Brillanten-Armband gesucht wurde, das, wie nur wenige wussten, der jetzt ermordeten Frau H. gehörte? Sie hatte es damals aus ihrer Handtasche auf der Straße verloren und jede Suche danach verlief zunächst, trotz der in der gesamten Bizone verbreiteten Suchplakate, erfolglos. Als sie es dann endlich nach drei Wochen wiederbekam, hatte das Armband eine mehr als abenteuerliche Geschichte hinter sich:
Es war zunächst von dem Finder, der es für unechtes Kunstgewerbe hielt, gegen ein Paar Handschuhe vertauscht worden. Dann spielten die Kinder des „Hans im Glück“ damit, bis sie des Geglitzers überdrüssig waren und ihr Papa es für 200 Mark weiterverkaufte. Nun begann das Armband seine Reise, bei der sein Wert von 200 auf 2000 Mark stieg. Der erste, der es als echt erkannte, kaufte es für 2000 Mark und verkaufte es nach München für 70 000 Mark. Es würde zu weit führen, alle die unglaublichen Zwischenfälle, wie Razzien, Denunziationen usw. aufzuführen, deren es bedurfte, um das Armband in den Besitz der Eigentümerin zurückzubringen. Als es der Polizei gelang, das Armband in Stuttgart sicherzustellen, war es inzwischen auf 470 000 Mark gestiegen. In der Folge wurden noch vier Versuche unternommen, das rückgewonnene Armband, durch echte und unechte Heiratsversprechen, durch Überraschung und durch Lüge der Inhaberin abzunehmen. Die Rolle, die dieses Armband bei dem Mord spielt, ist noch nicht geklärt. - Rei

_____________________________________________________________________________

 

März 1948

Der Fall Hausner im Monatsbericht von Landrat  Dr. Kessler

Kesssler klagt über eine "außerordentliche Übervölkerung des Landkreises. Geradezu unglaubliche Anziehungskraft des Geländes auf den Fremdenverkehr. Bedeutung Garmisch-Partenkirchens, Mittenwald und Oberammergaus vom Standpunkt der Besatzungsmacht her."

Besondere Situation in Garmisch-Partenkirchen: "Garmisch-Partenkirchen ist im Augenblick berüchtigt als Sammelpunkt von asozialen Elementen. Die Hausner Mordaffäre war hierfür an sich kein Symptom, sie war aber in dieser Beziehung lehrreich. Zunächst hat sie bewiesen, dass der hiesige Polizeiapparat völlig unzureichend ist, um solcher Kriminalfälle Herr zu werden. Der Mordfall geschah am 23.12.47. Während der anschließenden 3 Weihnachtsfeiertage hat die hiesige Kriminalpolizei zur Aufdeckung des Falles keinen Finger gerührt. Andererseits war der Tatort noch nicht einmal gegen dritte Personen gesichert (nach einer mir von Kriminalinspektor Venus der Landpolizei gegebenen vertraulichen Unterrichtung)... ist der Fall aber insoweit lehrreich gewesen, als die schließlich durch die Staatsanwaltschaft hier angesetzten überörtlichen Kriminalaufklärungskräfte, die einige Monate hier tätig waren, bloß durch die Untersuchung des Hausner-Falles und gewissermaßen an ihrem Rand so viele Fährten krimineller Untiefe in Garmisch-Partenkirchen wahrnehmen konnten, dass das Bild eines kriminell auf´s äußerste gefährdeten Terrains wahrnehmbar wurde.

Hinzu kommt die massenhafte Anwesenheit von Schiebern, Schwarzhändlern und Nichtstuern aller Art, sowie die sich ins Unerträgliche steigernde Häufung von Preis- und Wirtschaftsdelikten, die das Bild des hiesigen Straßen-, Hotel und Unterkunftsbetriebes kennzeichnen. Ich glaube nicht, dass sich diese durch die Nachkriegszeit bedingte Situation schlagartig ändert, sobald die Währung umgestellt ist. Garmisch-Partenkirchen ist eine Art internationaler Kurort geworden, insbesondere auch durch die Ausstrahlungen, die von der hier weit stärker als im Landesdurchschnitt vertretenen Besatzungsmacht ausgehen…

 

_____________________________________________________________________________

 

 

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, mehrere Folgen 03.03.1956 - 05.04.1956

 

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 03.03.1956

Dunkle Rätsel aus dunklen Tagen... Die ungeklärten Fälle der ersten Nachkriegstage in unserem Landkreis

Dunkler, viel dunkler als manche andere Rätsel jener ersten Jahre nach dem totalen Zu­sammenbruch ist der Fall Zenta Hausner. Neben diesem bestialischen Mord an einer Frau gibt es wohl wenige Ereignisse aus jenen Jahren, die den ganzen Sumpf von Schiebungen, Unlauterkeit, Gewinnsucht, Rohheiten und Intrigen um Geld und Gold so schlagartig be­leuchten, wie es jene Zustände um den Fall Hausner tun können. Es sind aber auch andere Gesichtspunkte, die uns veranlassen, nach acht Jahren noch einmal diesen Mord aufzurol­len: Die Akten Hausner sind noch lange nicht geschlossen! Im Fall Hausner geschähe es nicht zum ersten Male, wenn plötzlich einer der Mitwisser oder Täter zusammenbrechen und bekennen würde. Ohne Einzelheiten preiszugeben, können wir versichern, dass die Suche nach Tätern auch jetzt noch systematisch weiterbetrieben wird. Es steht ziemlich fest, dass in Tausenden von Einvernahmen, die zu diesem Fall gemacht wurden, nicht alles gesagt worden ist, was man weiß. Es ist durchaus möglich, dass auch in Deutschland einmal der Lügendetektor in der Kriminalistik zugelassen wird und dass dann seine pulsierenden Schreibkurven, da und dort untrüglich aufgezeichnet, den oder die Mörder unausweichlich einkreisen.

Um einen Mordfall, noch dazu, wenn es sich um eine so hintergründige Persönlichkeit han­delt, wie die „Rößl-Wirtin“ Zenta Hausner, treiben immer Neugier und Gerücht groteske Blü­ten. Nach jener Mordnacht vom 23. Dezember 1947 wurde viel geschrieben und noch mehr gemunkelt. — Kein Wunder, wenn Hunderte von Menschen mehr oder weniger mit der Tat in Zusammenhang gebracht wurden. Die Akten des Falles Hausner sind zu Bergen angewach­sen nach mehreren tausend Vernehmungen. Und noch jetzt, nach mehr al» acht Jahren, werden immer wieder neue Fingerzeige gegeben und verfolgt. Ihr praktischer Wert ist unter­schiedlich, viel Altes und Bekanntes wird dabei rekapituliert und doch wird an der entschei­denden Stelle, wo die Fäden zusammenlaufen, die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich plötzlich der Weg auftut, der zum Mörder führt - und sei es noch so weit, sei es sogar über Kontinente hinweg.

Das Dunkel um den Fall Hausner wäre nicht so dicht, wenn nicht von Anfang an in einer Weise die Voraussetzungen für ein sorgfältiges kriminalistisches Studium des Tatortes ge­stört gewesen wären. Sollte dieser Mord ungeklärt bleiben, so fällt zweifellos ein ganz erheb­licher Teil der Schuld auf jene, die nach dem Wirrwarr der letzten Kriegstage in Nichtachtung eines Menschenlebens sich nicht um sofortige durchgreifende Maßnahmen kümmerten.

Ist Zenta Hausner das Opfer gedungener Mörder gewesen? Hat sie zu viel gewusst? War das kostbare Armband aus Platin mit den 41 Brillanten ihr zum Verhängnis geworden? War es private Enttäuschung, die einen Mann in sinnlos rohen Mord trieb? Ging es um das Geld und die anderen Schmucksachen, die man fand? Standen Geheimdienste und politische Leidenschaften hinter diesem Verbrechen? Waren Schmuggel, Kokain und Devisenschätze im Spiel???

Fragen über Fragen, die alle eine gewisse Berechtigung haben. Freilich hat die Rößl-Wirtin auch selbst dem Mann, der ihr das Küchenmesser durch die Kehle trieb, das Untertauchen leicht gemacht: Es gingen in jener hungrigen Zeit bei der tüchtigen Rößl-Wirtin so viele dunk­le Elemente ein und aus, dass allein die Abgrenzung des fraglichen Personenkreises große Schwierigkeiten machte. Nicht jeder wird heute gern daran erinnert, dort damals verkehrt zu haben; und auch jenes sagenhafte Blatt aus dem Notizbuch der Rößl-Wirtin, das nach dem Mord verschwand, weil dort einige Namen ihrer Stammkundschaft aufgezeichnet waren, hat seine Rolle anscheinend noch keineswegs ausgespielt. Diese Notizbuchseite ist nämlich durchaus nicht „verschwunden“, sondern befindet sich in guter Hut und einer Hand, die sich vielleicht erst später wieder einmal in das ernste Spiel um die Klärung des Mordes und ande­rer damit zusammenhängender Dinge einmischen wird. Aber das nur nebenbei.

Es erhebt sich auch die Frage, ob nicht die Rössl-Wirtin in jenem Sinne fast zu den „tragi­schen“ Persönlichkeiten zu zählen sei, dass sie ihr Schicksal herausforderte, um daran zwangsläufig zu zerbrechen. Es steht fest, dass Zenta Hausner keineswegs etwa nur eine kalte Hamsterin und Nutznießerin der Situation gewesen wäre, sondern sie war auch eine gute Wirtin und dazu eine Frau, die unter der Hand manch Gutes zu tun vermochte.

Es steht aber ebenso fest, dass sie mit aus eigener Schuld verbrecherische Elemente nach ihrer Auslöschung lüstern machte. Wir wissen genau: Zenta Hausner wurde gewarnt und hat diese Warnung In den Wind geschlagen! Es wurde ihr deutlich gesagt, dass eine Frau, die für die damalige Zeit unerhörte Schätze um sich sammelte, doch immer damit rechnen müs­se, dass sie eines Tages einen Raubmörder entlocken müsse. Nun war aber wiederum die Rößl-Wirtin nicht gerade die Person, sich irgendwie einschüchtern oder beunruhigen zu las­sen. Und sie meinte wohl, dass ihr so etwas nicht passieren werde. Als sie in ihrer Küche dann von dem ersten furchtbaren Schlag getroffen zusammenbrach, war es freilich zu spät, sich der klugen Mahnung zu erinnern. Zenta Hausner musste sterben, als sie für Verbrecher- und Schieberkreise „interessant“ geworden war.

Wir wollen in den nächsten Fortsetzungen versuchen, aus dem weitverzweigten Fall Haus­ner die wichtigsten Stationen,— es ging auch »am Rande“ dabei grotesk genug zu — unse­ren Lesern zu skizzieren. Wir werden dabei gelegentlich etwas weiter ausholen müssen. 

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 07.03.1956

Dunkle Rätsel aus dunklen Tagen - Die ungeklärten Fälle der ersten Nachkriegstage in unserem Landkreis (GPT 07.03.1956) 

Um den Mordfall Zenta Hausner ranken sich manche andere „dunkle“ Ereignisse. Eines von ihnen rankt sich um das in der Kriminalistik geradezu berühmt gewordene wertvolle Arm­band, das Zenta Hausner gehörte. Ja es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass die Rößl-Wirtin dieses Armbandes wegen ihr Leben lassen musste. So sehr man heute über die Schwindeleien, Erpressungen, Feilschereien und was sonst alles sich um dieses Schmuck­stück abspielte, im Grunde lächeln möchte, so ernst ist der Hintergrund, wenn man sich des Mordes erinnert. Und das eigenartigste daran ist: Gerade dieses verschwundene Armband geistert noch heute herum, nicht nur in Deutschland...

Der Mann, der heute die Fäden des Hausner-Falles in der Hand hält, zuckt die Achseln: „Wir gehen selbstverständlich jeder neuen Meldung nach, auch wenn wir uns von vornherein sa­gen müssen, dass sie wenig oder nichts Neues bringen wird."

Solche Worte, meint man, müssten einem gerade erst begangenen Verbrechen gelten; denn es wird noch dazu betont, dass fast allmonatlich einige derartige Meldungen einlaufen. In Wahrheit ist aber der Fall Hausner genauer die mysteriöse Geschichte ihres kostbaren Arm­bandes.

Das Hausner-Armband spukt immer noch in den Köpfen, und gar nicht selten tauchen Per­sonen auf, die sich mit allen Regeln der Kunst zu tarnen versuchen, ehe sie melden, was sie gesehen zu haben glauben: „Es war ein Mann... verdächtiges Wesen ... sonderbares Verhal­ten ... gleich verdächtig... und an seinem Handgelenk das Hausner-Armband ... hab es ge­nau gesehen...“

Natürlich wissen die Männer, die den Fall Hausner bearbeiten, sehr genau, wo und wieviel Repliken oder Parallel-Stücke es von diesem ominösen Armband gibt. — Und auch wer al­lenfalls eines von ihnen tragen könnte, ohne der Mörder Zenta Hausner zu sein... Aber man forscht und forscht. Dabei ist oder war — falls es inzwischen zu kleiner Brillantenmünze ge­macht worden sein sollte — das Armband nur halb so viel wert, als es in der Gold- und Sachwert-Hysterie des Jahres 1947 schließlich gehandelt worden war: nämlich mit mehr als einer halben Million Mark. Und der „Gerüchtwert“ stand sogar auf 2 Millionen. Nach heutigem Taxwert würde das verschwundene Hausner- Armband nicht mehr als etwa 4000 DM wert sein. Da man aber auch heute, in einer angeblich wieder »normalen* Zeit, genügend Mord­fälle findet, in denen jemand wegen 20 oder 60 Mark kaltschnäuzig „ausgelöscht“ wurde, wird man verstehen, welche Gelüste, aber auch welche Ängste, Intrigen und Scheußlichkei­ten dieses Schmuckstück in jener finstersten Zeit unserer Geschichte auf sich ziehen muss­te.

Zenta Hausner gehörte zu jenen Menschen, die sich dessen wohl bewusst sind, dass ein solches Prunkstück gefährlich werden kann. Sie hütete es deshalb, wie ihren Augapfel. „Ja, sie hatte es beinahe jeden Tag wo anders, sie gehörte zu den Menschen, bei denen das Verstecken eines solchen Gegenstandes beinahe zur Manie wird — und sie hat jedem etwas anderes darüber erzählt.

An dem Abend, bevor sie ermordet wurde, scheint Zenta Hausner das Unglücksarmband in einem Sessel an einer von ihr öfter als Versteck benutzten Stelle verborgen gehabt zu ha­ben. — Denn später fand man dort, auf eine seltsame Art, über die wir noch berichten wer­den, ihren Schmuck — vom Armband aber — nur die Schachtel. Hat Zenta Hausner in der Mordnacht unter dem Druck einer Erpressung das Armband aus seinem Versteck geholt und ihrem Mörder ausgehändigt? Manches spricht dafür, dass der Platinreif mit seinen 41 Brillan­ten in dieser Nacht eine ganz verhängnisvolle Rolle gespielt hat.

Dabei war es ein gar nicht so auffallendes Schmuckstück. Ein schmales, helles Band, mit einer Fülle glitzernder, gefasster Steine besetzt. Allerdings: der Fachmann stellte unschwer auf einen Blick fest, dass es sich um echte Brillanten handelte, 41 an der Zahl mit bis zu ein­einhalb Karat jeder, und was da so unscheinbar als Unterlage drunter hervorschaute, der Reif, war Platin. Ein Stoff, der damals im ausgepowerten Deutschland einen astronomischen Ziffernwert haben musste ... (Fortsetzung folgt) 

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 10.03.1956

Dunkle Rätsel aus dunklen Tagen... Die ungeklärten Fälle der ersten Nachkriegstage in unserem Landkreis

 In unserem Bericht über den Fall Zenta Hausner — einem der dunkelsten Rätsel jener dunk­len Tage — erzählen wir heute von der merkwürdigen und vielleicht auch verhängnisvollen Rolle, die das kostbare Platin-Armband der Rößl-Wirtin spielte. Diese Geschichte begann 1947 und ist heute noch nicht zu Ende. Und niemand weiß, ob sie jemals endet.

Es ist im Herbst 1947. Schlimmste Hungerzeit, die Zigaretten-Währung feiert ihre Triumphe. Wer nicht schiebt, schiebt Kohldampf. Und aus der Konkursmasse des deutschen Volkes holen sich zweifelhafte Elemente mit leichtem Griff ihre Millionen heraus. Die letzten Schmuckstücke wandern auf den Markt des Hungers.

Zu diesen wenigen, die im allgemeinen Ausverkauf gewinnen, gehört die rotblonde Frau Zenta Hausner, die Wirtin vom „Weißen Rößl“. Vielleicht denkt die nicht mehr ganz junge, aber gut aussehende Frau Zenta gerade an irgend so eine einträgliche Transaktion, als sie durch den ersten Herbstschnee stapft. Vielleicht passt sie deshalb nicht genügend auf das kleine Päckchen auf, das sie bei sich hat. Sie stolpert unweit ihrer Behausung über den Erd­haufen einer Baustelle und verliert dabei dieses Päckchen. Erst später bemerkt sie den Ver­lust. Aber zwei Erdarbeiter jener Baustelle sahen, wie das Päckchen aus der Handtasche fiel. Wer denkt aber schon in jener Zeit an ehrliches Abliefern ... Die beiden öffnen das Päck­chen. Es enthält ein paar wollene Handschuhe und ein schmales Armband. Der Fund wird geteilt. Der eine freut sich über die Handschuhe, denn so was kann man jetzt gut brauchen, der andere, der das Armband bekommen hat, hält dies für wertlos und gibt es zu Hause sei­ner zweijährigen Tochter zum Spielen. 

EIN KIND SPIELT MIT TAUSENDERN

Ein paar Tage später geht diesem Mann, der keine Ahnung hat, welchen Wert er da seiner Tochter zum Spielen gab, der Tabak aus. Für das „billige“ Armband, meint er, könne er viel­leicht ein paar Zigaretten bekommen. Siehe da, er erhält dafür zwei Päckchen-„Luckies“! Fast reut ihn der Handel. Aber es ist zu spät. Der Käufer schlägt das glitzernde Ding nun schon für 500 Mark los. Drei Tage später wird es in einem Münchner Schwarzhändler-Lokal schon für 2000 Mark angeboten. Man handelt hin und her, es finden sich jedoch Liebhaber für das Armband, das man für einen Blechreif mit falschen Steinen hält. Man wird sich nicht einig. Ein Kumpel verlässt die Kneipe, schlendert hinüber zum Bahnhof. Dort drängen sich di« Menschen vor einem brandroten Suchplakat: „10 000 Mark Belohnung für den Finder eines sehr wertvollen Armbandes ...“ Der Mann glaubt zu träumen. Das ist das Armband, das er eben sah! Er stürzt zurück in die Kneipe. Der Mann aus Garmisch, der das Armband an­bot, ist noch da. „Ich hab's mir überlegt, du kriegst die 2000 Mark, weil du's bist", sagt er mit glitzernden Augen — und er bekommt es auch. 

ROTE PLAKATE STEIGERN DEN WERT

In der ganzen damaligen „Bizone“ schreit dieses rote Plakat von den Mauern nach dem Armband. Niemand gibt es ab, aber sein „schwarzer“ Handelswert steigt märchenhaft. Es geht von Hand zu Hand. 20 000 — 70 000 — 120 000, ja sogar 250 000 Mark werden dafür gezahlt. Und schließlich landet es für 470 000 Mark bei einem „Juwelenspezialisten“. Bei ihm hält einige Tage später die Polizei Haussuchung. Er ist ein dunkler Kunde und wieder einmal »dran“.

Niemand denkt an das Armband, Man findet bei ihm nur einige Script-Dollars. Eine heikle Sache. Auf den Besitz dieser Scheine stehen einige Jahre Gefängnis. Der „Juwelenspezia­list“ beginnt mit der Polizei zu handeln, denn er hat ein tolles Angebot zu machen: "Vor weni­gen Stunden hat er das gesuchte Armband an jemand verkauft! Drückt die Polizei wegen der Script-Dollars die Augen zu, wird er den Namen des Armband-Besitzers nennen...“ 

FUNDORT: STUTTGART

Zwei Stunden später hat die Polizei das Armband in Stuttgart sichergestellt und in Garmisch-Partenkirchen erhält die rote Zenta ihr kostbares Eigentum zurück, das ihr bald zum Ver­hängnis werden sollte. Wahrscheinlich wäre es besser für die Rößl-Wirtin gewesen, sie hätte dieses Schmuckstück nie wieder gesehen! Das Armband wurde durch diese Geschichte bei­nahe legendär. Von seinem schon nicht unbeträchtlichen echten Friedenswert steigt es in der Phantasie immer weiter — man spricht bald von 2 Millionen! Die Rößl-Wirtin — nun wie­der im Besitz dieses wertvollen Schmuckes — fühlt sich nicht mehr sicher. Sie muss die Ver­stecke immer wieder wechseln. Ein Ausländer erscheint im „Weißen Rößl“ und will das Arm­band für 530 000 Mark kaufen. Als Zenta Hausner ablehnt, dringen wenige Tage später schwerbewaffnete MP-Soldaten in ihr Haus ein: Haussuchung! Die MP will das Armband „sicherstellen“. Doch es stellt sich gerade noch heraus, dass die MP falsch ist und ihrerseits von der echten Polizei „sichergestellt“ werden muss. Einige Tage darauf kommt ein Schwei­zer Arzt zur Rößl-Wirtin. Er schlägt ihr vor, sie solle ihn doch heiraten. Sie würden dann bei­de in die Schweiz fahren, dort werde sie ihm das Armband überlassen und nach der Schei­dung könne sie wieder heimfahren. Die Rößl-Wirtin lehnt ab. 

DER PORTUGIESE Dr. X.

Wieder vergehen ein paar Tage, da spricht ein Portugiese im „Rößl“ vor. Ein Dr. X. Er hat einen Plan, der Zenta Hausner aufhorchen lässt: Sie solle das Armband dem portugiesi­schen Konsul in Hamburg übergeben und sie würde dafür nicht nur das Visum für Argentini­en, sondern obendrein ein argentinisches Staatsbürgerpatent, eine Flugkarte nach Buenos Aires und eine große Summe argentinischer Pesos erhalten. Ihren Schmuck könne sie un­verzollt mitnehmen. Auswandern nach Argentinien! Das Angebot ist damals die halbe Million, auf die man das Armband schätzt, mehr als wert. Das wäre die beste Gelegenheit für Zenta Hausner, ihre anderen Werte — und es sind nicht wenige — und sich selbst endlich in Si­cherheit zu bringen. Langes Hin und Her. Auskünfte werden eingeholt. Die Angaben des Dr. X. scheinen zu stimmen. Der große Coup wird vorbereitet, Zenta Hausner verpachtet das „Weiße Rößl“ weiter, verkauft ihr Mobiliar, packt ihr Geld, Schmuck und andere wertvolle Sachen zusammen und bestellt in Hamburg ein Zimmer. Dann fährt sie los. Man schreibt Anfang Dezember 1947.

In München hat die ehemalige Rößl-Wirtin zwei Stunden Aufenthalt. Nur aus Langeweile besucht sie die portugiesische Interessenvertretung und fragt, um sicher zu gehen, nach der Adresse des Konsuls. Die Anschrift, die ihr Dr. X. gegeben hat, stimmt. Und

Da. X. selbst? — »Ja, erfährt sie, das sei ein Bekannter portugiesischer Großgrundbesitzer, ein Freund des portugiesischen Konsuls in Hamburg, der zurzeit in Bayern weilt“. Beruhigt will Zenta das Büro verlassen, da kommt ihr unter der Tür noch ein Gedanke. „Dr. X. ist doch ein kleiner, dicker, schwarzer Mann?“ „Nein!“ heißt es da erstaunt, „Dr. X. ist groß, schlank und blond...“

Der Traum vom Auswandern ist für Zenta Hausner zu Ende. Ein Hochstapler hatte sie in den Fängen gehabt. Misstrauisch, nervös, kehrt die Rößl-Wirtin in ihr „Rößl“ zurück.

In den frühen Morgenstunden des 23. Dezember wird sie in ihrer Küche ermordet aufgefun­den. Sie ist mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden. Ihr Gesicht und ihr Hals waren mit einem Küchenmesser grässlich zerschnitten. Mit dem Messer war sie auf den Kü­chenboden aufgespießt...

Jahre darnach sitzt in dem bayerischen Ort T. die Tochter der Ermordeten in einem Sessel, der in der Mordnacht in der Wohnung Zenta Hausners stand.

So „saß Mama immer da“ und sie macht nach, wie Zenta Hausner im Sessel gelehnt haben mag. „Und da griff sie immer hinein und holte ihre Ami-Zigaretten heraus...“ Mit der Hand fährt sie dabei in das Polster, überrascht zieht sie ihre Hand wieder heraus. Darin hält sie ein von einem Lappen umwickeltes Päckchen. Als sie es öffnet, rollt echter Schmuck daraus hervor: Die wertvollsten Stücke ihrer Mutter Zenta Hausner!

Und das Armband?

Von ihm ist nur noch die kleine Schachtel zurückgeblieben, in der es früher lag... (Fortsetzung folgt)

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt , 17.03.1956

Dunkle Rätsel aus dunklen Tagen... Die ungeklärten Fälle der ersten Nachkriegstage in unserem Landkreis (17.03.1956)

 In der letzten Fortsetzung des Berichtes Ober den Mord an „Zenta Hausner*, hatten wir von der abenteuerlichen Geschichte ihres kostbaren Platin-Armbandes erzählt. Das Armband blieb verschwunden - genauso wie der Mörder Zenta Hausners. Noch heute warten 3 000 DM Belohnung auf denjenigen, der den Mörder ermittelt. Die Angehörigen hatten damals 10 000 RM als Belohnung ausgesetzt, diese Summe wurde nach der Währungsreform auf 1 000 DM umgestellt, und dazu kam noch vom Präsidium der Landpolizei eine Belohnungs-Summe von 2 000 DM. Aber immer noch ist unklar, wer in der Mordnacht hinter der Toten die Küchentür abschloss und den Schlüsselbund über den Zaun warf ...

Vermutungen über Vermutungen kreisen um diese Mordnacht. Es ist deshalb nicht verwun­derlich, dass es auch hieß, Zenta Hausner war erst mit dem Gauleiter liiert, und dann hatte sie enge Verbindungen zu den Amerikanern. Konnten da nicht nationale Gefühle die Ursa­che des Todes gewesen sein? Der Mann, der diese Andeutung machte, dass also eine Art Lynch-Justiz demonstriert wurde, war nicht irgendein Schwätzer, sondern er war bestens informiert. Aber dies ist nur einer von den vielen möglichen Gedankengängen über den scheußlichen Mord — der übrigens an einem anderen Ort eine auffallende Parallele haben soll. Wieder andere Vermutungen besagen, dass Zenta Hausner einfach zu viel gewusst habe. Sie war die bestinformierte Frau des Landes zu jener Zeit, oder dass sie ein politi­sches Doppelspiel trieb, oder dass sie als Frau, die über das „gewisse Etwas“ verfügte, ei­nem Eifersuchts- oder Sexualmörder zum Opfer gefallen ist, oder dass irgend eine Gruppe, der die „rote Rößlwirtin" im Wege war, sich Mörder gedungen hatte, oder dass der Mord nur der einzige Weg war, um zu dem Platin-Armband zu kommen...

Man könnte solche Kombinationen noch beliebig fortsetzen, und alle liegen sie im Bereiche des Möglichen, so zwielichtig war die Atmosphäre um die Rößl-Wirtin, so umfangreich aber auch der Kreis derer, die mit der Tat Zusammenhängen können. 

Wie man den Mord entdeckte . . .

Das wenige, das an Tatsachen über die Mordnacht bekannt ist, ist schnell erzählt: Mit der Polizeistunde nahm man es im „Weißen Rößl“ nicht so genau, und so dauerte der Betrieb auch diesmal bis tief in die Naht. Es dürften nicht nur „Geschäftsfreunde“ gewesen sein, die bei der Zenta geblieben waren, sondern es war zweifellos auch der eine oder andere dabei, der an der Rößl-Wirtin gutbestelltem Tisch seine einzige Weihnachtsfreude fand. Denn wenn sie auch recht skrupellos zu nehmen wusste, so teilte sie auch gelegentlich mit vollen Hän­den wieder aus. Man weiß, wer in dieser Nacht des 23. Dezember noch bei ihr war, wer un­ten stand, wer oben in ihren Privatzimmern sich aufhielt, wer sich noch herzlicher verab­schiedete und als letzter ging. Das weitere liegt im Dunkel. Als Freunde am nächsten Mor­gen mit Schneebällen ans Schlafzimmerfenster von Zenta Hausner warfen, wunderten sie sich gar nicht sonderlich. dass alles ruhig blieb. Wahrscheinlich hatte es gestern wieder ein­mal lange gedauert, und die Rößl-Wirtin schlief also noch. Man fuhr deshalb ohne sie nach München. Erst gegen 8.30 Uhr machte die Haushälterin, die sich erst Schlüssel beschaffen musste, um die merkwürdigerweise versperrte Türe öffnen zu können, die grausige Entde­ckung.

Mit dem Morgenrock bekleidet, lag Zenta Hausner auf dem Boden, mit dem Küchenmesser war sie durch die Kehle hindurch auf den Boden gespießt. Gesicht und Hals waren bis zur Unkenntlichkeit mit Schnitten und Stichen verunstaltet. Dann entdeckte man, dass die Rößl-Wirtin, offenbar vorher schon, mit einem stumpfen Gegenstand, wahrscheinlich einem Beil, einen tödlichen Schlag auf die Stirn erhalten haben musste. Später wurde der Schlüsselbund der Wirtin, an dem sich auch der Schlüssel zu der außerhalb der eigentlichen Wohnung lie­genden Küche befand, im benachbarten Garten entdeckt. Und schon eilte auch die Kunde durchs Land, dass man bei der „Unterweltkönigin“ von Garmisch Säcke voll Kaffee und Zu­cker, Kisten mit amerikanischen Zigaretten, Rauschgifte und große Mengen Schmuck, juwe­lenbesetzte Ringe, goldene Armbanduhren und Goldmünzen gefunden habe. Das Telefon auf dem Wohnungsgang soll ausgehängt gewesen sein, Kuchen und Kaffee, die in zwei Ge­decken auf dem Tisch standen, waren angeblich unberührt.

Mordkommission darf erst nach 17 Tagen beginnen

Man schreibt das Jahr 1947. Zwar ergeht von der deutschen Polizei sofort die Bitte an die Öffentlichkeit, an der Aufklärung des Verbrechens mitzuarbeiten - aber was heißt im Jahre 1947 schon „Aufklärung?“ „Die deutschen Polizisten wurden zur Seite geboxt, ein Haufen Amerikaner lief im Mordzimmer herum, der Tatort wurde nicht abgesperrt", berichtete ein Augenzeuge. Es gab keine sofortigen Verhaftungen, und erst nach vollen 17 Tagen konnte eine deutsche Mordkommission mit ihrer Arbeit am Tatort beginnen. Zu dieser Zeit fand man nur noch ein paar Päckchen amerikanischer Zigaretten, etwas Kaffee und dergleichen - „Spuren sichern“ oder ähnlichem war praktisch keine Rede mehr. Dann folgten die Verneh­mungen. In ihrem Verlauf wurden mindestens zehn Personen festgenommen, manche von ihnen saßen vier Wochen in Untersuchungshaft, andere wurden 10- bis 20mal vernommen, aber die deutsche Polizei in jener Zeit genoß nicht nur wenig Achtung, sondern sie besaß vor allem auch praktisch fast keine Befugnisse.

„Dass es damals in Garmisch keine „Späne“ gab, lag nur daran, dass der deutschen Krimi­nalpolizei die Befugnisse fehlten“. Man wusste, dass es gewisse „Kliquen“ gab, die sich intel­ligent und wendig in dem klippenreichen Fahrwasser der Vernehmungen bewegten, drauf losgelogen haben müssen, sich vielleicht sogar über die Landsleute, die sich mit diesem schwierigen Fall abquälten, recht lustig machten. Wohlgemerkt: Auf deutscher Seite, wo so­fort schwere Widersprüche deutlich geworden waren.

 Die deutschen Beamten im Irrgarten

Was zur gleichen Zeit auf amerikanischer Seite vorging, war nicht weniger grotesk. Den deutschen Kripo-Beamten wurde immer wieder und so geschickt „ungeschickt“ ins Handwerk gepfuscht, dass von einer Zusammenarbeit keine Rede sein konnte. Die Deutschen wurden behandelt, wie es den Herren gerade passte. Wenn die deutsche Polizei Zeugen vernehmen wollte, schaltete sich die CIC ein, ließ die Leute laufen oder griff auch sonst spürbar in den Ablauf der Untersuchungen eigenwillig ein.

Eines Tages schlägt eine amerikanische Journalistin einem deutschen Untersuchungsbeam­ten mit der Reitpeitsche ins Gesicht: „Wo du haben Bild von Rößl- Wirtin?“, will sie wissen. Mit dem Sensations-Bild der bestialisch ermordeten Rößl-Wirtin wäre in der ausländischen Presse damals viel Geld zu machen gewesen. Aber trotz dieser Attacke blieben die Bilder - sie existieren wirklich! - verborgen.

Nicht verborgen blieb allerdings, dass auch bei amerikanischen Stellen einiges überaus „fins­ter“ um den „Fall Hausner“ war. So sagte man einem Zeugen, der wegen Schwarzhandels­geschäften um Zenta Hausner seine dienstliche Mitteilung in einer amerikanischen Dienst­stelle machen wollte, „Wem wollen Sie das erzählen ... der schiebt ja selbst...“

 

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 1956

Dunkle Rätsel aus dunklen Tagen... Die ungeklärten Fälle der ersten Nachkriegstage in unserem Landkreis

 Nach ihrem grauenvollen Tod machten die Gerichte die temperamentvolle Rößl-Wirtin zu einer „Herzenskönigin der Unterwelt“. Mochten auch manche Details weit übertrieben sein, sicher ist, dass Zenta Hausner, ohne sich vielleicht ganz klar darüber zu sein, ein ebenso gefährliches wie hintergründiges Spiel trieb. Dass sie in politische Spitzelaffären verwickelt war, vermutet man, gewiss weiß man allerdings — man erfuhr es nach ihrer Ermordung — dass sie an schwarzen Geschäften, namentlich mit Ausländern, beteiligt war.

Noch Anfang Dezember 1947 war Zenta Hausner verhört worden wegen eines Stücks Radi­um, das ihr angeboten worden war. Dieses Stück Radium - die Phantasie der Leute hat dann ganze Berge daraus gemacht — war tatsächlich vorhanden, aber es wechselte so schnell die Besitzer, dass es nicht mehr sicherzustellen war. Wie weit Zenta Hausner wusste, dass sich über ihr und ihrem Kreis von „Geschäftsfreunden" schon längst schwere Gewitter zu­sammengezogen hatten, blieb unklar. Es ging aber im „Weißen Rößl“ allzu „schwarz" zu, als dass es auf die Dauer hätte gut gehen können. „Am Tisch wurden waggonweise Kohlen, Alkohol, Benzin usw. angeboten und verschoben, Riesengeschäfte mit Brillanten und Opium gemacht...", so urteilen Kenner der damaligen Situation. Mit der Zeit zogen sich alle, die et­was auf sich hielten, vom Weißen Rößl zurück.

Tatsächlich lief damals schon eine Riesen-Fahndung von amerikanischer Seite, doch platzte die Bombe erst nach Zenta Hausners Tod. Eine amerikanische Zeitung schrieb am 13. Ja­nuar 1948 „Riesenrauschgiftring in Bayern aufgedeckt". Und dann folgten Mitteilungen, die sich in allererster Linie auf Zenta Hausner und ihren engsten deutschen wie amerikanischen Kreis von „Geschäftsfreunden" bezogen:

„Der größte Nachkriegs-Schwarzmarkt-Skandal, in den eine Bande von internationalen Rauschgift-Händlern verwickelt war, deren Geschäfte den sensationellen Kronberg-Juwelen-Diebstahl über 1,5 Millionen Dollar als zwergenhaft erscheinen lässt, droht heute die Militär­regierung von Bayern in die Luft zu sprengen. Der Fall kam vor zwei Wochen an die Öffent­lichkeit durch den Mord an der „Garmischer Nelly“, der Herzenskönigin und rothaarigen Flamme aller ihrer Komplizen in Bayern.

Schwere Belastungen werden erhoben gegen Offiziere der Militärregierung, gegen die Toch­ter eines bekannten deutschen Industriellen, gegen eine Prinzessin und gegen Prostituierte, die in diesen Fall verwickelt waren. Dies berichtete Armee-Sekretär Kenneth Royal, der in Verbindung mit dem für diesen Fall beorderten amerikanischen Untersuchungsrichter Earl River aus Carolina steht. Trotz der acht Monate dauernden Untersuchung durch höchste Armeestellen, trotz des hiesigen Materials konnten keine tatsächlichen Beweise erbracht werden. Während dieser Zeit hielten Kenneth Royal und zwei andere Korrespondenten, die das Material besaßen, jede Veröffentlichung zurück, um die Untersuchungen nicht zu beein­trächtigen. Diese Woche jedoch kam die ganze Affäre ans Tageslicht, als der mysteriöse Mord an der deutschen „Unterwelts-Herzenskönigin“, an dem auch Deutsche beteiligt schei­nen, das Material der Armee-Untersuchungen in die Hände der Militärregierung spielte. Nelly, die mit der Bande in Verbindung stand, wurde Anfang Januar (Hier irrt die Zeitung: Richtig ist 23. Dezember. Die Redaktion.) erstochen aufgefunden.

Dieser Aufsehen erregende Fall, der die Bayerische US-Regierung erschüttert hat und der schwerwiegende Rückwirkungen zu haben droht, wurde vor fast acht Monaten von deut­schen und amerikanischen Stellen entdeckt. „Diese bestätigten, dass er eine Reihe anderer Fälle umfasst u. a. einen von einem früheren SS-Offizier geleiteten Rauschgiftring.

Ein deutscher Bandenführer und andere Mitglieder der Bande hatten es verstanden, die auf­tauchenden Beweise immer wieder zu isolieren, mit Hilfe ihrer „engen Beziehungen" zu ei­nem früheren US-Armee-Offizier, von dem man sagt, dass er ein Mitglied der Bayerischen Militärregierung ist. Dieser Angestellte, der als „Beschützer“ der Bande handelte, stellte den Kontakt mit dem Ring in seiner Eigenschaft als Rauschgift-Fahnder her. Obgleich US-Armee-Untersuchungsrichter sich weigerten, in einer Veröffentlichung die Personen zu nen­nen, die darin verwickelt sind, insofern Beweise vom Hörensagen vorliegen, gab ein Spre­cher vom Eucom-Büro des General-Profosses zu, dass der Name dieses Schlüssel-Offiziers von der Militärregierung durch den ganzen Fall immer wieder

erscheint, soweit bisher durch den untersuchenden General aufgedeckt werden konnte. Die IG konnte ihn auf Grund der gegenwärtigen Zeugen bisher nicht dem Gericht übergeben, sagt offiziell der General-Profoss. Untersuchungsrichter haben auch die Akten eines anderen früheren Offiziers gesperrt, der jetzt mit seinem deutschen Mädchen von den Erfolgen des Schwarzmarktes in der Schweiz lebt. Informationen geben an, dass dieser frühere Major wohl im Stande sein wird, das Geheimnis der Goldbarren, welche man auf 750 000 Dollar schätzt, als auch das weiterer Dollarwerte in Höhe von 2,5 Millionen Dollar zu klären. Ein dritter früherer Offizier soll im Besitz von Informationen bezüglich der Gold-Barren sein. Er soll zurückgekehrt nach den USA sein, wo er jetzt lebt..."

Soweit die amerikanische Zeitung. Man erkennt zum Schluss unschwer den Hinweis auf die Goldbarren des Reichsbank-Schatzes, über den wir unseren Lesern vor kurzem erst berich­teten. Ebenso geht aber nahezu eindeutig daraus hervor, dass bei der „Weißen-Rößl“- Wirtin eine gewichtige Zweigstelle des Rauschgiftringes gewesen war. Nicht weniger interessant und sehr eng mit Zenta Hausner verbunden war ein Mann, der wohl als einer der unrühm­lichsten Vertreter der Besatzungsmacht auf deutschem Boden gelten dürfte und der mit der „Bande", aber auch mit dem Schicksal vieler Garmisch-Partenkirchner auf eine sehr unange­nehme Weise verbunden war. 

 

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 05.04.1956

Dunkle Rätsel aus dunklen Tagen... Die ungeklärten Fälle der ersten Nachkriegstage in unserem Landkreis

 Mit unserer heutigen Fortsetzung wollen wir die Serie der „dunklen Rätsel aus dunklen Tagen“ beschließen. Nicht etwa, dass wir nun alle dunklen Rätsel der Zeit vor zehn Jahren noch einmal angeleuchtet hätten — wir wollten nur die noch einmal in die Erinnerung zurück­rufen, die damals die Gemüter besonders erregten und damit zugleich eine Vergangenheit heraufbeschworen, die von den meisten im wahrsten Sinne des Wortes „leidend“ miterlebt wurde. Gerade deshalb haben wir auch jene Fälle herausgegriffen, aus denen das chaotische Durcheinander, das maßlose Nebeneinander von Mangel und Hunger, von Geschäft und hemmungslosem Genuss am deutlichsten ablesbar waren.

Wir haben mit unserer Darstellung von der Jagd nach dem Reichsbankschatz ebenso wenig „übertrieben“ wie mit der des Mordfalles Zenta Hausner. Zudem haben beide Fälle - das ist ihr Gemeinsames - nie ein richtiges „Ende“ gefunden. Diejenigen, die den Reichsbankschatz (betrachten wir ihn jetzt ruhig einmal als Gold des deutschen Steuerzahlers) verschoben, sich Anteile aneigneten oder heute noch davon ein Dasein in Frieden und vielleicht sogar in Ehren führen: Sie alle sind nie zur Rechenschaft gezogen worden, und ob eine solche „Ab­rechnung“ noch jemals kommt, weiß niemand.

Und auch der oder die Mörder Zenta Hausners sind noch nicht verurteilt. Allerdings wird im­mer noch nach ihnen gefahndet, und immer noch steht eine Belohnung auf ihre Ergreifung. Wir haben auch gerade den Fall Hausner deshalb noch einmal so eingehend behandelt, weil man auch an zuständiger Stelle die Auffassung vertritt, dass eine sachliche Darstellung der Zusammenhänge um den Hausner-Mord nur ein Vorteil und nie fehl am Platz sein kann. Wir erwähnten schon, dass in den Aussagen der Hausner Affäre ganz offenbar Dinge ver­schwiegen worden sind, die von Bedeutung sein können; und dass vielleicht schon die An­wendung des Lügen-Detektors, die von ernsten Kriminalisten durchaus befürwortet wird, neue Gesichtspunkte bringen könnte. Einzelheiten aus den Akten Hausner konnten hier na­türlich, gerade mit Rücksicht auf eventuelle künftige Ermittlungsmöglichkeiten, nicht mitgeteilt werden.

Der dritte „dunkle“ Fall von allgemeinem Interesse aus jenen düsteren Tagen um die Stunde Null und ihre traurige Nachfolge ist die Ermordung des Wirtes von der Esterbergalm an jener einsamen Stelle, wo heute am Esterbergweg das Marterl an diese finstere Tat erinnert. Auch in diesem Fall sind die Akten noch nicht geschlossen. Freilich hilft das nicht über das tiefe menschliche Leid hinweg, das gerade mit diesem Mord und der betroffenen Familie zusam­menhängt. Aber solcher Morde gab es damals viele im dunkelsten Deutschland - und die meisten sind dunkel geblieben, selbst da, wo man bestimmte Anhaltspunkte gewinnen konn­te.

Männer wie der Esterbergwirt sind erschütternde Opfer jener Zeit - nicht, weil es Mörder gab; denn Verbrechen solcher Art werden heute genau so begangen - sondern weil in der Unruhe der Zeit sich die Spuren so leicht und schnell verwischen ließen; weil die Fahndung von Zu­fällen und Machtlosigkeit gehemmt war, wie es auch der Fall Hausner so drastisch gezeigt hat.

So ist das Marterl am Weg zur Esterbergalm im tiefsten Grunde weit mehr als nur die Erinne­rung an eine mörderische Tat und ihr Opfer. Es ist vielmehr ein Mahnmal — gebrauchen wir ruhig einmal das viel missdeutete Wort —, das uns die Erinnerung wach halten sollte an die wohl schlimmste Zeit, die es in | unserer jüngeren Geschichte gegeben hat.

Vielleicht gehört es sich, dass dann und wann der oder jener ein Sträußerl da oben zum Ge­dächtnis niederlegt, zum Gedächtnis auch an eine Zeit, die langsam Vergangenheit wurde, von der wir aber hoffen wollen, dass sie uns ähnlich nie wieder auferlegt sein möge!... 

_____________________________________________________________________________

 

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 09.04.2009

Mordfall Zenta Hausner - Die tote Herzenskönigin der Unterwelt- Mord an "Rössl"- Besitzerin Zenta Hausner soll bei "Aktenzeichen XY" neu aufgerollt werden

 VON WOLFGANG KAISER Garmisch-Partenkirchen - So grauenvoll, so bizarr, wie die 35-jährige Zenta Hausner ermordet wurde, solch schreckliche Verbrechen geschehen höchst selten: Ihr Kopf war mit einer Axt zertrümmert worden, und durch ihren Hals bohrte sich ein Messer, das sie auf dem Boden ihrer Küche festspießte. Gleichzeitig verschwand wertvoller Schmuck. Der Mord am 23. Dezember 1947 ist bis heute völlig ungeklärt, obwohl er mitten in Garmisch-Partenkirchen passierte: begangen an einer attraktiven Rothaarigen mit vielen Männerbekanntschaften, der Wirtin des Gasthofs "Weißes Rössl". 

Zenta Hausner galt als "Herzenskönigin der Garmischer Unterwelt", wie eine Illustrierte schrieb. Das "Weiße Rössl" im Untergeschoss der einstigen Kurlichtspiele an der Bahnhofstraße neben der Partnachbrücke in Partenkirchen gibt es heute noch und beherbergt ein griechisches Restaurant. Der schreckliche Mord - beileibe nicht vergessen in den Annalen der Kriminal-Geschichtsschreibung. Bernd Hoffmann, Chef der Garmisch-Partenkirchner Kripo, hat nun die Akten des Falles vom Bayerischen Hauptstaatsarchiv, wo sie bislang lagerten, wieder angefordert. Irgendwie "riecht" es danach, dass im unaufgeklärten Fall Zenta Hausner möglicherweise neue Erkenntnisse zutage kommen könnten. Denn erst jüngst tauchte wieder ein Fahndungsplakat von 1947 auf, das in Deutsch und Englisch 10 000 Reichsmark (die Deutsche Mark kam erst im Juni 1948, Anm.d.Red.) dem versprach, der auf die Spur des Hausner-Mörders führt. Und auch die Redaktion der TV-Fahndungssendung "XY ungelöst" soll interessiert sein, den rätselhaften Fall noch einmal aufzurollen. 

Treffpunkt der Gangster 

Man muss sich in die Situation 1947 versetzen, um die Szenerie nachvollziehen zu können: "Drei Jahre lang nach dem Krieg war die Zigarette das meistakzeptierte Handels-Medium in Deutschland", schreibt der englische Journalist Ian Sayer ("Sunday Times"), der mit seinem Kollegen Douglas Botting 1984 das Buch "Nazi-Gold" herausbrachte. Für eine einzige Zigarette habe man damals eine Flasche Schnaps bekommen können oder zwei Pfund Butter. Die Reichsmark war praktisch wertlos geworden, und die großen Geschäfte liefen über den "Black Market". In Garmisch-Partenkirchen, geographisch günstig gelegen an der Grenze nach Österreich und nahe der Schweiz, hatten sich, gut getarnt, allerlei frühere Nazis niedergelassen, aber auch unter dem Schutz korrupter US-Offiziere und einer deutschen Verwaltung, die von der Besatzungsmacht abhängig war, amerikanische Schmuggler und andere zwielichtige Menschen. "In Garmisch war", sagte damals ein US-Kriminalbeamter, "die übelste Konzentration von internationalen Gangstern im Nachkriegs-Europa". 

Im "Weißen Rössl" war das Zentrum des Schwarzmarkts, hier wurde mit Platin und Uran gehandelt, mit Morphium und Kokain, mit Edelmetall und Waffen. Manches wurde gleich waggonweise verhökert, wie auch aus einer Serie des Tagblatts hervorgeht, die in "Nazi-Gold" zitiert wird. Im Zentrum dieses Horts der dunklen Geschäfte: "Rössl"-Wirtin Zenta Hausner, die "rote Prinzessin", wie sie ihrer üppigen roten Haare wegen genannt wurde. 

Mit 18 schon Wirtin 

Geboren 1910 in Mühldorf am Inn, hatte sie schon mit 18 eine kleine Kneipe in München, dann arbeitete sie sich in der Branche hoch und heiratete einen Autorennfahrer; aus der Ehe, die 1938 geschieden wurde, ging eine Tochter hervor. In Garmisch-Partenkirchen pachtete Hausner die "Schranne" und hatte gute Beziehungen zu hohen lokalen NS-Funktionären. Nach Kriegsende wollte sie aufs "Rössl" umsteigen, und dies ging am leichtesten, indem sich die attraktive Frau einen der neuen "Herren" angelte. Über die sehr gute Bekanntschaft mit einem US-Hauptmann, der mit "Persilscheinen" - Fälschungen - handelte, war sie im Herbst 1945 Wirtin des "Rössl". Hausner baute das "Rössl" erst einmal zu einem Nachtlokal aus und zusammen mit ihrem Hauptmann zu einem florierenden Schwarzmarkt. 

In diesem Zusammenhang bekam die "Garmischer Nelly" auch noch viele andere Bekannte, hauptsächlich aus dem US-Milieu, aber auch von Deutschen, die mit den Amerikanern ihre Geschäfte machten. Kurze Zeit, bevor sie ermordet wurde, hatte Hausner noch erfahren, dass die Liebe des US-Hauptmanns nach einem Heimaturlaub bei seiner Frau erkaltet war. Für Weihnachten 1947 plante sie einen Besuch bei ihrer Familie in Moosburg. Im Tagblatt war 1956 zu lesen, dass Hausner, die eine sehr tüchtige Wirtin gewesen sein soll, Werte angesammelt habe und vor einem Anschlag gewarnt worden sei. In "Nazi-Gold" heißtes, dass sie beabsichtigte, bei der US-Militärregierung über die bei ihr verkehrenden Schwarzhändler auszusagen. 

Am Morgen des 23. Dezember 1947 klopften zwei Bekannte am Haus - doch es rührte sich nichts. Die Haushälterin öffnete die versperrte Wohnung im ersten Stock und machte die grausige Entdeckung: Das Gesicht der Ermordeten, die in ihrem Nachthemd am Boden lag, war mit Schnitten und Stichen verunstaltet, ihr Kopf war vermutlich mit einem Beil zerschmettert. Die Garmisch-Partenkirchner Polizei wurde gerufen, ein Arzt geholt, der auf dem Totenschein das Ableben auf 4 Uhr früh fixierte. Doch schnell kamen die Amerikaner, drängten die deutsche Polizei, die kaum Befugnisse hatte, beiseite. Von Spuren sichern war keine Rede mehr, Spuren laufen ins Leere, erst nach 17 Tagen konnte die deutsche Mordkommission mit der Arbeit beginnen, in deren Verlauf mindestens zehn Personen vorübergehend festgenommen wurden. Manche saßen vier Wochen in U-Haft, es gab hunderte von Vernehmungen - vergebens. 

Mit dem Mörder war wertvoller Schmuck verschwunden: ein Platinarmband mit 40 Brillanten, eine Goldbrosche, einen Flügel darstellend mit Brillanten und Rubinen, zwei Perlenketten, ein goldener Siegelring. Die Autoren von "Nazi-Gold" zweifeln einen Raubmord mit dem Hinweis an, dass der Täter einen Stapel US-Dollars liegen ließ und zwei wertvolle Fünfkarat-Brillantringe, die an den Fingern Hausners steckten. 

Wie auch immer: Der Mord wurde nie geklärt, alle Spuren verliefen im Sand. Bis heute. 

_____________________________________________________________________________

 

Drehbuchwettbewerb „Bayern und Amerika“ – Die Preisträger - München, 05.07.2012

(München, 5. Juli 2012) Beim FFF-Empfang während des Filmfests München wurden die Preisträger des Drehbuchwettbewerbs „Bayern und Amerika“ gekürt. Der 1. Preis geht an Petra Hebeisen-Unruh für das Drama feuerrotwieblut, das auf historischen Ereignissen in Garmisch-Partenkirchen von 1945 bis 1947 beruht.

Im Juni 2011 hatte der Markt Garmisch-Partenkirchen unter der Schirmherrschaft des 1. Bürgermeisters Thomas Schmid in Zusammenarbeit mit dem Generalkonsulat der USA und dem FilmFernsehFonds Bayern den Wettbewerb ausgeschrieben. Denn gerade anhand von Garmisch-Partenkirchen - nach dem zweiten Weltkrieg Recreation Area für die US-Streitkräfte, Sitz des Marshall Center for Strategic Studies und vieler weiterer amerikanischer Einrichtungen - sind über das Verhältnis von Bayern und Amerikanern viele spannende Geschichten zu erzählen. Verlangt waren für die erste Runde ein Treatment und eine ausgearbeitete Dialog-Passage zu einem

abendfüllenden Spielfilm mit deutlichem Bezug auf den Schauplatz Garmisch-Partenkirchen. Die insgesamt 30 Einreichungen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Vereinigten Staaten wurden von einer Jury begutachtet.

Sie bestand aus: Bettina Ricklefs, Leiterin des Programmbereichs Spiel-Film-Serie beim Bayerischen Fernsehen, Dr. Michaela Haberlander, Drehbuch-Referentin beim FFF Bayern, US-Generalkonsul Conrad Tribble, Quirin Berg, Produzent (Wiedemann & Berg Filmproduktion), Georg Büttel, Künstlerischer Leiter des Kultursommers Garmisch-Partenkirchen, und Sebastian Bezzel,

Schauspieler und Hauptdarsteller von Schwere Jungs, dem Siegerfilm des ersten Garmisch-Partenkirchener Drehbuch-Wettbewerbs. Drei Treatments wurden für die Endrunde ausgewählt und bis Mitte Mai 2012 zu vollständigen Drehbüchern ausgearbeitet. Über diese konferierte die Jury erneut und vergab die Plätze 1, 2 und 3.

 

DIE PREISTRÄGER

Platz 1: feuerrotwieblut – Drama nach historischen Ereignissen von Petra Hebeisen-Unruh. Die auf historischen Fakten basierende Geschichte einer charismatischen rothaarigen Halbwelt-Dame, die bis zu ihrer nie aufgeklärten Ermordung 1947 in Garmisch-Partenkirchen ein legendäres Lokal führt. Dort treiben Einheimische und amerikanische Soldaten dubiose Geschäfte.

Jury-Begründung:

„Die Hauptfigur von feuerrotwieblut, Zenta Hausner – attraktiv, rothaarig und zum Erreichen ihrer Wünsche zu fast allem bereit – ist ein ungewöhnlich starker Frauencharakter. Sie will in den Wirren der deutschen Niederlage und der amerikanischen Besatzung obenauf bleiben, koste es, was es wolle. Auch die Männer in Zentas Leben, von der Nazi-Liebschaft bis zum amerikanischen Offizier, sind schillernd und vielschichtig gezeichnet. Die Umgebung, das Garmisch-Partenkirchen der letzten Kriegstage und ersten beiden Nachkriegsjahre, bietet atmosphärisch hochinteressante Schauplätze. Das Milieu von GIs und „Fräuleins“, von flüchtigen Nazis, Gaunern, Schiebern und Agenten ist mit großer Sorgfalt recherchiert. Mit feuerrotwieblut entwickelt Petra Hebeisen-Unruh einen packenden Stoff in eindrucksvollen Bildern und fein nuancierten Dialogen – eine überzeugende Siegerin!“

file:///D:/Dokumente/Eigene%20Texte/01-Lokalgeschichte/01%20-%20Garmisch-Partenkirchen/Personen/01%20-%20A-Z/Hausner,%20Zenta%20-%20Hebeisen-St%C3%BCck%20-%20pressemeldung_drehbuchwettbewerb_gap_2012.pdf