|
Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1950-2003 - Entwicklung und Bewährung |
||||
1989/90 - 687 Schüler - Rudolf Eßl, Willi Eisele Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus ernannte zum 1. August 1989 den Studiendirektor Rudolf Eßl zum neuen Schulleiter. Er war 52 Jahre alt, stammte aus Deggendorf und hatte in München Chemie, Biologie und Erdkunde studiert. Seine bisherigen schulischen Stationen waren die Gymnasien in Ottobrunn und Neubiberg. Zu Beginn seiner Amtstätigkeit empfahl er dem Werdenfels-Gymnasium, „nicht die Augen davor zu verschließen, dass Garmisch-Partenkirchen in einer Freizeitlandschaft liege. Die Schüler müssten nicht nur lernen, mit diesem Angebot sinnvoll umzugehen, sondern auch Sportarten erlernen, die sie ein Leben lang ausüben und teilweise auch beruflich nutzen können. Man dürfe zum Beispiel auch nicht übersehen, dass heute wesentliche Geschäftsentscheidungen auf dem Golf- oder Tennisplatz fielen.“ [1]Zum Ständigen Stellvertreter des Schulleiters wurde ab Februar 1990 Studiendirektor Willi Eisele ernannt, die Nachfolge von Manfred Müller als Mitarbeiter im Direktorat übernahm Studiendirektor Dr. Alfred Hufnagl. Das WG befand sich in dieser Zeit in einer Phase der umfassenden baulichen Veränderungen, Erneuerungen und Erweiterungen. Am Jahresbeginn 1990 wurde die erste Zentralbibliothek der Schule ihrer Bestimmung übergeben. Die wissenschaftlichen Bibliotheken der einzelnen Fachschaften, bisher weit im Haus verstreut und für Schüler wie Lehrer oft nur schwer zugänglich, wurden jetzt in einem großzügig dimensionierten und vorzüglich ausgestatteten Bibliotheksraum im zweiten Stock des Westflügels zusammengetragen. Auch die umfangreichen Bestände der Schülerlesebücherei wurden integriert. Schülern und Lehrern standen damit erstmals Arbeitsplätze in einer Fachbibliothek zur Verfügung, die die neueste wissenschaftliche Literatur anbieten konnte. Der Landkreis als Sachaufwandsträger stellte die hierfür notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung. Zur Einrichtung einer kreiseigenen öffentlichen Bibliothek konnte er sich freilich nicht entschließen. Studienrätin Bärbel Rauch erhielt den Auftrag, die neue Schulbibliothek organisatorisch zu betreuen. Frau Gisela Mattei und Frau Monika Hofmann begannen mit der systematischen Erfassung aller Bücher und mit der Erstellung eines Computerkatalogs. Besonders attraktiv für Literaturbegeisterte war das große Angebot an Neuerscheinungen, das jetzt monatlich aufgelegt werden konnte: „So können auch junge Leute, denen neue Romane, die nur in gebundener Form erhältlich sind, meist zu teuer sind, einen Einblick in die aktuelle deutsche und ausländische Literatur gewinnen.“[2] Die Kosten für die alljährlichen Bücherbeschaffungen lagen – dank eines großzügigen Sachaufwandsträgers - bei zehn- bis fünfzehntausend Mark. Der zweite große bauliche Komplex, die Sporthalle, ging ihrer Vollendung entgegen. Am Ende des Schuljahres wurde der Hebauf für die neue Dreifachturnhalle des Werdenfels-Gymnasiums gefeiert. Zuvor wurde die filigran wirkende Dachkonstruktion aus Kertoholz mit Stahlunterspannung erstellt. Eine Tribüne für 300 Zuschauer, ein Mehrzweckraum vor allem für den Musikunterricht im Verbindungstrakt zum Schulgebäude, eine Tiefgarage mit 60 Stellplätzen und ein Allwetterplatz mit Laufbahn, Hoch- und Weitsprunganlage ergänzen das Bauwerk, dessen Kosten mit 13,9 Millionen DM veranschlagt wurden. 2,1 Millionen DM steuerte die Regierung von Oberbayern dazu bei, 11,8 Millionen musste der Landkreis als Sachaufwandsträger aufbringen. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Alpenverein wird an der östlichen Innenseite der neuen Halle eine Kletterwand errichtet werden. „Neben dem Hallenbau gingen die Vorbereitungen für die Fortsetzung der Sanierung unseres Altbaus weiter“, teilte Dr. Alfred Hufnagl im Jahresbericht mit und fügte hinzu: „Bereits während der Pfingstferien sollte im zweiten Obergeschoß mit den Arbeiten begonnen werden, doch fehlt noch die schulaufsichtliche Genehmigung, so dass voraussichtlich in den Sommerferien, vielleicht erst im Herbst die Umbaumaßnahmen fortgesetzt werden können.“ Zu dieser baulichen Entwicklung der Schule passte sehr gut die Nachricht, dass das Werdenfels-Gymnasium seit dem Frühjahr 1990 mit dem Olympiastützpunkt Ski Alpin kooperierte. Gemeinsames Ziel von Schule und Sportförderung wurde es, die Schülerinnen und Schüler, die einem Kader der Ski-Nationalmannschaft angehören, besser als bisher zu unterstützen. Studiendirektor Michael Osterhammer, der Koordinator zwischen Schule und Olympiastützpunkt, hoffte vor allem darauf, dass „die Sportler intensiver und frei von Druck wegen versäumter schulischer Leistungen trainieren können und die Möglichkeit haben, Versäumtes unter Anleitung aufzuholen.“[3] In dem Jahr, in dem Deutschland das Geschenk der Einheit gemacht wurde, besuchten Schülerinnen und Schüler aus Dresden und Chemnitz, also aus der Noch-DDR, das Werdenfels-Gymnasium. In der Chemnitzer Spezialschule waren viele Leistungssportler zusammengefasst, in der Dresdner die naturwissenschaftlich begabtesten Schüler aus ganz Sachsen. Die Kontakte in Richtung Westen wurden ebenfalls nicht vernachlässigt: Die langjährige Schulpartnerschaft mit dem Collège in Chamonix wurde ergänzt durch ein Austauschprogramm mit dem Lycée Hoche in Versailles. Nach einem Jahr verabschiedete sich Angus Robertson, English language assistant am Werdenfels-Gymnasium, mit gut gewürzten Bemerkungen über „My Year in Garmisch-Partenkirchen“. Unter anderem war er „not very amused“ über die Disziplin seiner Schüler. „It is a small wonder that discipline at the school here is in such a sad state“, stellte er ziemlich lakonisch fest. Außerdem wunderte er sich darüber, wie sehr man ihn für politisch-historische Entwicklungen vereinnahmte: “I was subsequently made personally responsible for all of Germany’s problems, like the Treaty of Versailles and the partition of Germany after the war.” Mit britischer Noblesse schloss er: “Well, never mind.”[4] Zwei Aufführungen der Schultheatergruppen standen während des Schuljahres auf dem Programm: Gebhard Zinßer spielte mit den „Großen“ das Stück „Die Lüge von Hameln“. Jörg Scheibe, der Autor, greift darin die alte Rattenfängergeschichte auf und beleuchtet besonders die fragwürdige Rolle der Stadtväter von Hameln. Der Spielleiter freute sich vor allem darüber, dass „Schulspiel aus sehr viel mehr besteht als ‚nur’ aus Textlernen und Schauspielern.“ Im Programmheft schrieb er: „So mancher Schüler bekam bei der ganzen Aktion auch ordentliche Grundkenntnisse des Werkens, Tapezierens und Malens vermittelt.[5] Die Theatergruppe UMWEG unterhielt ein großes Auditorium mit dem Katzen-Musical „Das zweite Leben der Katze Grisabelle“. Gerhard Bruner, der die Liedtexte dazu geschrieben hatte, meinte über die von den Schülern selbst verfassten Sprechszenen: „Es ist bemerkenswert, wie die jungen Leute den professionellen Musikbetrieb dargestellt haben. Die Rede ist kaum von Kunst, aber viel von Erfolg, Geldverdienen und von Betrügereien – und damit haben sie möglicherweise genau das Richtige getroffen.“[6]
Zum ersten Mal seit langer
Zeit gab es am Werdenfels-Gymnasium wieder eine literarische Lesung mit
einem der großen Autoren der Gegenwart: Der Lyriker Reiner Kunze trug aus
seinen Werken („Die wunderbaren Jahre“ u.a.) vor und fand den Weg in die
Ohren und Herzen seines zahlreich erschienenen Publikums, das sich zur
Freude des Organisators Studiendirektor Gerd Henzler auch aus sehr vielen
Schülerinnen und Schülern zusammensetzte.
1990/91 - 719 Schüler Die Sanierung des Zentralgebäudes der Schule beanspruchte Zeit, Geld und Nerven. Schüler, Lehrer und Verwaltungspersonal lernten, sich „zwischen den Polen Baulärm und Arbeitsruhe“ zu bewegen [7]. Es war ein großes Programm, das erfüllt werden sollte: Die Heizung wurde komplett erneuert, im ganzen Haus mussten Brandschutztüren eingerichtet werden, die gesamte elektrische Installation wurde ausgetauscht, neue Fensterflügel, Decken, Leuchten, Fußböden und eine Energiesäule kamen in die Klassenzimmer, ein frischer Wandanstrich in Zimmern und Fluren gab dem Haus ein neues inneres Erscheinungsbild. Vor dem Ausgang in den Südhof sollte endlich eine ordentliche Theke für den Pausenverkauf eingerichtet werden, so dass das Gedrängel der Schüler in der knappen Pausenzeit geringer würde. Das Gedrängel der Eltern vor der Schule beim Abholen ihrer Kinder mit dem Auto sollte ebenfalls entschärft werden.Ein Gegengewicht gegen Lärm, Staub und Baustellenunordnung schaffte immer wieder die Schulbühne: Mit dem Kindertheater in vier Akten „Heulalia und das große Lachen“ spielten sich die „Dienstagskleckse“ in die Herzen der Zuschauer. Der Krimi „Mord ohne Leiche“, von den UMWEG-Schauspielern inszeniert - mit Dorothea Jordan in der Hauptrolle -, lenkte mit spannender Unterhaltung ab. Die Bühnenbearbeitung von Oscar Wildes berühmter Erzählung „Das Gespenst von Canterville“ nahm den Gegensatz zwischen englischer Gespenster- und amerikanischer Technologiegläubigkeit auf die Schippe. Die Theatergruppe der Klassen 9 bis 13 präsentierte sogar zwei Goldoni-Stücke „Der Lügner“ und „Die Wirtin“ und die englische Komödie „Wer war er eigentlich?“ („Was he anyone?“) von N.F. Simpson – eine absurde Geschichte von einem gewissen Albert Whitbrace, der im Mittelmeer von Bord eines Schiffes fällt, und den merkwürdigen Wohltätigkeitsvereinen, die dem Ertrinkenden angeblich helfen wollen. Auch die Musik sorgte für Ablenkung vom Alltag einer Schule im Zustand der Generalsanierung. Beim Weihnachtskonzert wagte sich das Schulorchester erstmals an eine Beethovensymphonie (Nr. 1 C-Dur, 1. Satz), Berthie Zwerger ließ eine „Konzertphantasie für Zither“ erklingen und Orchester und Kammerchor führten mit den Solisten Eva Brockelt, Konrad Schlaipfer und Walter Fischer die Bachkantate „Nun komm, der Heiden Heiland“ auf. Höhepunkt aus schulischer Sicht war die Uraufführung des vom Kollegiaten Holger Jung komponierten „Concertino für Horn und Orchester“, der Komponist dirigierte sein Werk selbst, das Horn wurde bravourös von Achim Schmid-Egger (K13) gespielt. Auch das „Konzert im Mozart-Jahr 1991“ hielt viele Überraschungen bereit und begeisterte die Zuhörer. Zwei Bemühungen wurden in diesem Schuljahr endlich von Erfolg gekrönt: Bürgermeister Franz Braun nahm im November die neue Ampelanlage an der Kreuzung Bahnhofstraße/Wettersteinstraße in Betrieb, für die sich der Elternbeirat des Werdenfels-Gymnasiums seit langem eingesetzt hatte. Nach dem Ausscheiden von Anton Strauß aus dem Elternbeirat wurde Frau Ilse Buckley zur neuen Vorsitzenden gewählt. Und der Golfclub Garmisch-Partenkirchen durfte sich darüber freuen, dass - als bayerisches Pilotprojekt – seine Bemühungen, Golf als Schulsport einzuführen, zu guter Letzt doch noch erhört wurden. Kostenlos konnten 16 Schülerinnen und Schüler des WG ab Mai wöchentlich zwei Stunden unter Anleitung das Golfspielen trainieren. Aufsicht führten Studienrätin Gabi Maus und Studiendirektorin Gerty Roscher. Hubert Ostler, Jugendwart des Golfclubs, wies noch darauf hin, dass die Schüler für „erschwingliche“ 200.- DM Jahresbeitrag auch die Mitgliedschaft des Golfclubs erwerben könnten.[8] Golf rein – Physik raus? Das konnte und wollte sich Oberstudienrat Richard Reindl, Betreuer der Fachschaft Physik, nicht vorstellen. „Stirbt die Physik am Werdenfels-Gymnasium?“ so fragte er besorgt am Jahresende.[9] Das Schuljahr 1990/91 nannte er „denkwürdig“, kein Leistungskurs Physik, im kommenden Jahr kein Grundkurs Physik. „Wo bleiben die Schüler des Werdenfels-Gymnasiums? Warum lassen sie die Physik bei der Fächerwahl links liegen?“ fragte der Fachbetreuer und gab selbst die Antwort: „Der Grund liegt im System der Kollegstufe, einem System, das bei kleinen Schülerzahlen nicht mehr funktioniert. Für die Physik unserer Kollegstufe könnte dieses System den Todesstoß bedeuten, wenn nicht bald die Einsicht der Schüler erwacht, dass die besten Berufsaussichten in den technisch-naturwissenschaftlichen Fächern liegen und das Studium dieser Fächer ohne eine fundierte Grundbildung in der Physik praktisch nicht möglich ist.“[10] Der Appell wurde gehört, die Physik lebt!In den Ruhestand verabschiedet wurde beim Schlusskonzert Studiendirektor und Pfarrer Hermann Medicus, der seit 16 Jahren den evangelischen Religionsunterricht am Werdenfels-Gymnasium erteilt hatte. Sein katholischer Amtskollege Studiendirektor Dr. Engelbert Wallner gab ihm die Worte „Die dem Herrn vertrauen, schöpfen neue Kraft.“ (Jesaja 40/31) mit auf seinen neuen Weg.
[1] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 06.09.1989 [2] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 10.09.1992 [3] Jahresbericht 1989/90 S. 71 [4] Jahresbericht 1989/90 S. 77 [5] Programmheft „Die Lüge von Hameln“ S. 4 [6] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 21.05.1990 [7] Jahresbericht 1990/91 S. 116 [8] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 06.05.1991 [9] Jahresbericht 1990/91 S. 104 [10] ebd. S. 105
|
|||||
|
|||||
|
|