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Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1950-2003 - Entwicklung und Bewährung |
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1955/56 - 803 Schüler – Lukretia Bareiß, Pius Eichlinger, Ernst Strobl, Franz Steinle Im neuen Schuljahr wurde die deutsch-amerikanische Bücherei, inzwischen mit zehn Bücherei- und Leseräumen im Keller unter der Aula untergebracht, zu einer der größten Bibliotheken im Landkreis Garmisch-Partenkirchen ausgebaut. 7000 Bücher gehörten zum Bestand dieser wertvollen Einrichtung, Monat für Monat wurden von etwa 350 erwachsenen und 450 jugendlichen Lesern 1300 Bücher ausgeliehen. Ehrenamtlicher Leiter war Karl Stingl. Zur offiziellen Einweihungsfeier am 5. November 1955 konnte die Schulleitung mit Direktor Hanna den Chef des Münchner Amerika-Hauses begrüßen. [19]Seit dem Schuljahr 1950/51 war die Schülerzahl unerwartet stark von 600 auf 800 gestiegen. Noch reichten die Klassenräume aus, aber eine zweite Turnhalle fehlte für einen angemessenen Sportunterricht. Es gab sie ja bereits, aber sie war zur Zeit immer noch mit Amtsräumen des Landratsamtes belegt. Hier wartete also schon die nächste Aufgabe für den Schuleiter und für den Schulaufwandsträger. Auch den Plan, ein Schülerwohnheim zu errichten, hatte man noch nicht aufgegeben. Unterstützung für diese Idee fand man vor allem bei der Schnitzschule, deren Schüler ja zum größten Teil aus weit entfernten Landesteilen kamen. Nach dem großartigen Erfolg mit der Inszenierung von Hindemiths „Wir bauen eine Stadt“ wurde von der Theatergruppe Mark Twains Lausbubengeschichte „Die Abenteuer des Tom Sawyer“ auf die Bühne der neuen Aula gebracht. Bei den Wintersporttagen 1956 der Werdenfelser Schuljugend zeichneten sich im Eislauf besonders Hans-Jürgen Bäumler, Sepp Schönmetzler und Brigitte Wagner aus. Erstmals wurde mit der Woche der Brüderlichkeit auch an der Oberrealschule an die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte erinnert, als jüdische Bürger diskriminiert, ihrer Rechte beraubt und schließlich sogar ermordet wurden. Der langjährige Vorsitzende des Elternbeirats, Gesandter a.D. Dr. Walther Hinrichs, legte sein Amt zum Ende des Schuljahres nieder. Die Schulleitung bedauerte sein Ausscheiden mit dem Hinweis, dass es nicht leicht sein werde, „wieder eine so ausgeglichene, überlegene Persönlichkeit zu finden, die dieses wichtige Amt so taktvoll, umsichtig und tatkräftig ausübt.“ [20]Auch Dr. Theodor Loskarn, der Schulleiter, nahm zum Ende des Schuljahres nach achtjähriger Zugehörigkeit zur Oberrealschule Garmisch-Partenkirchen Abschied von seiner Schule. Sein Verdienst sei es, so betonte der Vertreter des Ministeriums, „dass der weltberühmte Kurort hier heute über eine Schule von solchem Rang verfüge“, die zugleich „eine ‚Ausleseschule’ bleiben müsse, wenn sie nicht ihrem Wesen untreu werden solle.“ [21] Immerhin dachte man darüber nach, die Auslese künftig nur noch an fünf Tagen in der Woche stattfinden zu lassen – Dr. Loskarns letzte Aufgabe war es, einen „Modellplan für die Fünf-Tage-Woche einer höheren Lehranstalt“ auszuarbeiten.[22]
1956/57 - 808 Schüler – Dr. Karl Jäger, Hedwig Lang, Wolfgang Lauterbach, Erika Mitterbichler, Dieter Schulz Zum neuen Leiter der Oberrealschule mit Gymnasium wurde Dr. Karl Jäger berufen. 1903 im Egerland geboren, war er ein begeisterter Anhänger der Wandervogelbewegung. Das Studium der Anglistik und der Germanistik hatte ihn in viele europäische Länder geführt; in Wien und in Marburg, in Zürich und in Oxford erwarb er seine sprachlichen und literarischen Kenntnisse. Nach Plan bei Marienbad, Rumburg, Elbogen, Eger und Karlsbad führte ihn sein beruflicher Weg als Lehrer bis 1943. Dann wurde er Soldat, kam bei Kriegsende in amerikanische Gefangenschaft. Aus der sudetendeutschen Heimat vertrieben, setzte er seit 1947 seine Lehrtätigkeit an den höheren Schulen in Murnau, Schwabach und Weilheim fort, bis er schließlich im Mai 1957 vom Ministerium mit der Leitung der Oberrealschule mit Gymnasium Garmisch-Partenkirchen beauftragt wurde. Die Volkshochschule mit Professor Ernst Häckel und die Kurverwaltung Garmisch-Partenkirchen ermöglichten vielen Schülern den Besuch von musikalischen Veranstaltung der Münchner Philharmoniker und der Bayerischen Staatsoper. Vorbereitet wurden die Teilnehmer von Studienrat Albert Blatt, der in alle Werke gründlich und liebevoll einführte. In besonderer Weise wurde in diesem Schuljahr des zehnjährigen Bestehens der neuen demokratischen Verfassung Bayerns gedacht. Zum ersten Mal fand der Sozialkundeunterricht nicht nur für die Abiturklassen statt; auch die 6. Klassen mit dem Abschluss der mittleren Reife wurden mit dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland vertraut gemacht.
1957/58 - 837 Schüler – Karl Baier, Dr. Wilhelm Fischer Das „Wirtschaftswunder“ der fünfziger Jahre hatte es möglich gemacht: Die Arbeitszeiten im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor konnten in diesen Jahren von 48 über 44 auf 40 Stunden in der Woche verringert werden – damit entstand mit dem arbeitsfreien Samstag ein langes, zwei Tage dauerndes Wochenende. Die Fünf-Tage-Woche war geboren und mit ihr das „Garmischer Experiment“. „Am Samstag gehört mein Papi mir“ hieß es. Die Schule musste reagieren. Oberstudiendirektor Dr. Jäger begründete seine positive Haltung zur Fünf-Tage-Woche in einem umfangreichen Exposé. Unter anderem schrieb er: „Die Voraussage des Deutschen Gewerkschaftsbundes, dass sich bis zum Ablauf des Jahres 1959 die Fünf-Tage-Woche in der westdeutschen Produktion allgemein durchgesetzt haben wird, hat nämlich durchaus nichts Utopisches an sich und kann die Verantwortlichen des Schulbereichs nicht ermuntern, die Hände in den Schoß zu legen… Die sich häufenden Meldungen von Betrieben, ja sogar von Verwaltungsstellen, die sich der Verkürzung der Arbeitswoche bereits angeschlossen haben, sind Signale, die rechtzeitig ernst genommen werden wollen.“ [23] In Bayern wurde schließlich die versuchsweise Einführung des Fünf-Tage-Unterrichts an einzelnen Schulen beschlossen. Bei den Oberrealschulen und Gymnasien wurden das Alte Realgymnasium in München, die Oberrealschule in Selb und die Garmisch-Partenkirchner „Anstalt“ zu dieser Versuchsreihe herangezogen. In München wurde der Versuch mit sämtlichen Klassen, in Selb nur mit den Klassen 2 bis 7 durchgeführt. In Garmisch blieb er auf den 2. und 5. Jahrgang mit zusammen sieben Klassen begrenzt.Eine Überlastung der Schüler an den verbleibenden fünf Wochentagen sollte vermieden werden. Deshalb wurden von den bisherigen fünf Samstagstunden in der zweiten Klasse zwei und in der fünften drei gestrichen. Die verbliebenen Unterrichtsstunden mussten an einem Nachmittag eingebracht werden. Die Fächer, zu deren Lasten die Stundenreduzierungen gingen, waren interessanterweise von Klasse zu Klasse verschieden. In der Beschränkung des Lehrstoffes, die infolge der wegfallenden Stunden notwendig wurde, hatte die Schule freie Hand. Der Versuch sollte u. a. auch Erfahrungen darüber liefern, inwieweit es möglich ist, den Zeitverlust in den gekürzten Unterrichtsfächern durch „größere Straffung des Unterrichts, exemplarische Lehrweise, Ausschaltung von Parallelläufen und verstärkten Einsatz technischer Hilfsmittel auszugleichen.“ Beim Nachmittagsunterricht, der für alle Versuchsklassen auf den gleichen Tag gelegt wurde, kam man den Fahrschülern der Fünf-Tage-Klassen dadurch entgegen, „dass ihnen in der zweistündigen Mittagspause heißer Kakao geboten wurde und dass sie anschließend an das gemeinsam eingenommene Mittagsbrot in bereitgestellten Räumen spielen, lesen, arbeiten, ruhen und gruppenweise Sport betreiben konnten.“ Die probeweise Durchführung der Fünf-Tage-Woche hatte freilich nichts mit den Überlegungen zu einer Tagesheimschule zu tun, wie sie ursprünglich in den Erwägungen des Ministeriums im Zusammenhang mit dem „Garmischer Experiment" angedacht waren. „Für eine solche weitgehende Umstellung der Schule auf eine Form, die sich wohl in Frankreich und den angelsächsischen Ländern seit Jahrzehnten bewährt hat, die jedoch für das deutsche Schulwesen ein Novum darstellt, hatten sich die Voraussetzungen in Garmisch-Partenkirchen als nicht gegeben erwiesen.“ [24]Der Schulleiter hatte die Bemühungen um die versuchsweise Einführung der Tagesheimschule begrüßt. Er schrieb: „Es war ins Auge gefasst, den Unterricht an vier Tagen der Schule auch auf den Nachmittag zu erstrecken. An sämtlichen fünf Schultagen … sollten zwei bis drei verpflichtende Arbeitsstunden in den Ablauf eingeschaltet werden, in denen die Schüler ihre häuslichen Aufgaben hätten bewältigen müssen. Die auswärtige Schuljugend wäre durch eine Schulküche preiswert verpflegt worden. Auch war eine durch Spiele aller Art, Sport, Bücher- und Zeitschriftenlektüre, Hobbies und Ruhemöglichkeiten sinnvoll gestaltete längere Mittagspause vorgesehen. Gerade die in ihr liegenden Möglichkeiten, der Fünf-Tage-Woche letzten Endes einen fruchtbaren pädagogischen Ertrag abzuringen, sollten studiert und ausgeschöpft werden. Man versprach sich von dieser Wandlung der Lehranstalt zum Heim eine Erwärmung ihres Klimas, eine engere seelische Bindung des jungen Menschen an die Schule als Gemeinschaft und eine tiefergreifende Formung durch die nun mit familiären Zügen ausgestattete Erziehungsstätte. [25]Diese Pläne erfuhren eine „leidenschaftliche Ablehnung weiter Kreise der Elternschaft“ [26], die ihre Erziehungsrechte angegriffen sah. „Die Schulbehörde, jedem Oktroi abhold“[27], ließ es deshalb beim Versuch mit der Fünf-Tage-Woche und nahm die Pläne für eine Garmisch-Partenkirchner Tagesheimschule wieder zurück.
[19] Jahresbericht Schuljahr 1955/56 S. 37 [20] ebd. S. 50 [21] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 15.04.1957 [22] ebd. [23] OStD Dr. Karl Jäger, Versuch der Fünf-Tage-Woche in Garmisch-Partenkirchen, S. 1 [24] alle Zitate nach Jahresbericht 1957/58 S. 53f [25] OStD Dr. Karl Jäger, Versuch der Fünf-Tage-Woche in Garmisch-Partenkirchen, S. 3 [26] ebd. [27] ebd.
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