Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1933-1945 - Schule in der Diktatur

 

 


1937/38 - 224 Schüler – Dr. Hermann Lipp, Pfarrer Hans Hoffmann, Wilhelm Schuller, Pfarrer Karl Lorenzer

Durch Kultusministerielle Entschließung vom 16. März 1937 wurde der Schule mit dem Schuljahr 1937/38 die siebte und mit dem Schuljahr 1938/39 die achte Klasse angeglie­dert. Der neue Name der Schule lautete jetzt „Oberrealschule und humanis­tisches Gymnasium“. Schulaufwandsträger blieben der Bezirk Garmisch und die seit Ende 1935 zwangsvereinigte Gemeinde Garmisch-Par­tenkirchen. Sowohl der Bezirk wie die Gemeinde erklärten sich bereit, der Raumnot ein Ende zu bereiten und innerhalb von zwei Jahren ein den neuen Anforderungen gerecht werdendes Schulgebäude zu errich­ten. KM-Staatssek­retär Boepple besichtigte im April 1937 das alte Schulhaus und kam dabei zu der „Überzeugung, dass ein Neubau in aller­nächster Zeit unaufschiebbar sei.“[27] Der Garmisch-Partenkirchner NS-Bürgermeister Jakob Scheck sah durch den „allmählichen Abbau der klösterlichen Schulen im Bezirk und im Markt Garmisch-Partenkirchen die räumliche Situation noch schlimmer“ werden.[28]  Der Bau sollte eine „Musterschule“ werden und auf dem vom Markt erworbenen Friediger-Grundstück an der Bahnhofstraße errichtet werden. Der Bürgermeister wollte „eine vorbildliche der Zeit und dem Geist entsprechende Architektur.“[29]

Durch die Auflassung der naturwissenschaftli­chen Sammlungsräume konnte der Raum­bedarf für die zwei neuen 7. Klassen vorü­bergehend gedeckt werden. Stu­diendirektor Höllerer, der Schulleiter, stellte für ein größeres Lehrerzimmer, für die Unterrichtsräume der kommenden 8. Klassen und für die wachsende Lehrmittel­sammlung sogar seine bisherige Dienstwohnung zur Verfügung.

Der Bauplatz für die neue Schule lag ganz in der Nähe des Rathauses gegen­über dem Stabsgebäude der Gebirgsdivision. Die Pläne waren bereits in Ar­beit. Beauftragt mit der Neugestaltung der Schule wurde der Münchner Architekt Os­wald Bieber, der schon das neue Rathaus der seit 1. Januar 1935 zwangsver­einten Marktgemeinde Garmisch-Par­tenkirchen geplant hatte.

Der Platz war aus NS-Sicht nicht schlecht gewählt: Staatssekretär Ernst Boepple vom Bayeri­schen Staatsministerium für Unterricht und Kultus wurde im Januar 1938 im „Garmisch-Partenkirchner Tagblatt“ mit dem Satz zitiert: „Lehrer und Schüler der neuen höheren Schule haben ihre innere und äußere Haltung auf soldati­sche Erziehungsgrundsätze abzustimmen.“[30]

Das Neubauprojekt sollte 18 Klassenzimmer, sieben Fachräume, zwei große Festsäle, Arbeitsräume, zwei Turnhallen, eine Bibliothek – und natürlich Luft­schutzanlagen erhal­ten. Es sollte „mit seiner monumentalen Architektur ein Schmuckstück in der städte­baulichen Ausgestaltung der Bahnhofstraße wer­den.“[31]

Zwei Monate vor Ende des Schuljahres, am 11. Januar 1938, gab das Bayeri­sche Staatsministerium für Unterricht und Kultus eine weitere einschneidende Verände­rung bekannt: Mit Beginn des kommenden Schuljahres 1938/39 wurde die bisherige „Oberre­alschule mit humanistischem Gymnasium“ in eine „Ober­schule für Kna­ben“ als acht­klassige Vollanstalt umgewandelt. Die Schule trug jetzt den Titel „Oberrealschule und hum. Gymnasium (Oberschule i.E.)“. Das kirchliche humanistische Gymnasium in Et­tal sollte dagegen „abgebaut“ werden. Das gleiche Schicksal wird das Mädchenlyzeum in Garmisch-Partenkir­chen treffen.

Aus der Enge des alten Schulhauses entkamen die Schüler immer häufiger mit Hilfe der HJ, die am Lautersee bei Mittenwald während der Unterrichtszeit so genannte Bannlager durchführte. Zweck war es, die Kinder und jungen Leute, insgesamt 105 Schüler, mit der nationalsozialistischen Ideologie vertraut zu ma­chen – und zwar außerhalb der Schule, um sie so allen nicht angepassten Ein­flüssen zu entziehen. Auch die Teilnahme an der Parade der Gebirgsdivision aus Anlass von Hitlers Ge­burtstag diente diesem Zweck und sollte „Lust zum Sol­datentum und Dankbarkeit ge­genüber dem Schöpfer der Wehrmacht“ we­cken.[32] Im März 1938 waren zwei Lehrer der Oberrealschule mit dabei, als Hit­lers Wehrmacht Österreich „heim ins Reich“ holte. Überschwänglich wurden die Vorgänge kommentiert: „Wir hörten den Schritt der marschierenden Truppen, wir ver­folgten die Ereignisse am Lautsprecher, es litt uns nicht in den Schulräumen am Tag des Einzugs des Führers in Wien.“[33]

NS-Kreisleiter Hausböck, ranghöchster nationalsozialistischer Funktionär im Be­zirk Garmisch, lobte die Schule, die inzwischen fest in das politische Netzwerk integriert war. Die Zusammenarbeit mit den NS-Jugendverbänden funktio­nierte „reibungslos“ und im „allerbesten Einvernehmen“: „Schule und HJ-Füh­rung standen miteinander in ständiger Fühlung. Die Schule war unterrichtet über die Befehlsausgabe der HJ. Etwa auftau­chende Schwierigkeiten wurden durch ge­genseitige Rücksichtnahme rasch aus dem Wege geräumt. Freimütige Ausspra­chen zwischen dem Bannführer ... und dem Leiter der Anstalt dienten dem Wohl der Jugend.“[34] Verdeckte die blumige Sprache vielleicht doch Differenzen zwi­schen politischer und schulischer Führung?

Wie nachhaltig der Einfluss der NS-Ideologie geworden war, das wurde auch deutlich im Mathematikunterricht: „In allen Klassen sind Aufgaben aus dem Ge­biet der Luftfahrt und der Wehrsport­mathematik zu stellen,“ heißt  es im Protokoll der Leh­rerratssitzung am 15.11.1937. Darüber hinaus wurden vielfältige „Ver­deutschungsbemühun­gen hin­sichtlich der mathemaDas Schuhgeschäft von Jakob Liebenstein in der Partenkirchner Ludwigstraße am 10. November 1938, dem Tag des NS-Pogroms in Garmisch-Partenkirchen. Liebenstein wurde mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern aus Garmisch-Partenkirchen vertrieben.tischen und physikali­schen Fachausdrücke“ erwartet. Und im Physikunterricht durften „die Belange des nationalsozialisti­schen Staates, insbeson­dere des Vierjah­resplans“ nicht verges­sen werden. Es verwundert nicht, dass die Nie­derschriften der Lehrerrats­sitzungen „künftig mög­lichst fremdwortfrei gehalten“ werden sollten.[35]

In einer weiteren Sitzung des Lehrerrats wurde der Ministerialerlass vom 25.11.37 Nr. 64132 über den „Schulbesuch jüdi­scher Schüler“ bekannt gegeben.[36]

Die Höhe des Schulgeldes war für viele Eltern noch immer bedrückend, nur 22 Prozent der Schüler konnten in den Genuss einer Ermäßigung kommen, kein ein­ziger Schüler wurde vom Schulgeld befreit. Als Erziehungsbeihilfen aus öf­fentlichen Mitteln standen 700.- RM für 32 Schüler zur Verfügung.

Auf Druck des Kultusministeriums wurde im Oktober 1937 Kaplan Franz Back die Er­teilung des katholischen Religionsunterrichts entzogen. Zur Begründung wurde ange­führt, dass der Kaplan nicht „die weltanschauliche Einstellung besitzt, die von einem Lehrer an einer höheren Lehranstalt im Dritten Reich verlangt werden muss.“ Der Protest des Katholischen Pfarramts Partenkirchen gegen „dieses plötzliche Verbot“, das „große Überraschung und Befremden“ ausgelöst habe, wurde zur Kenntnis genommen, änderte aber an der Entlassung nichts.[37]


[27] Jahresbericht 1937/38 S.14

[28] Aktennotiz des Bürgermeisters vom 31.01.1938 für „an den Herrn Kreisleiter und Herrn Oberamtmann Dr. Wiesend mit der Bitte um vertrauliche Behandlung“ – Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen

[29] dto.

[30] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 18.01.1938 - Boepple war Mitbegründer der Deutschen Arbeiterpartei, einer Vorläuferin der NSDAP, und Gründer des antisemitischen Deutschen Volksverlags. Im Zweiten Weltkrieg war er unter Hans Frank Staatssekretär in der Regierung des Generalgouvernements.

[31] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 27.05.1939

[32] Jahresbericht 1937/38 S.17

[33] Jahresbericht 1937/38 S.21

[34] Jahresbericht 1937/38 S.18

[35] Protokoll der Lehrerratssitzung am 15.11.1937

[36] Protokoll der Lehrerratssitzung am 17.12.1937

[37] KMS an Oberrealschule 08.10.1937 – Kath. Pfarramt Partenkirchen an KM 26.10.1937

 

 


 

© Alois Schwarzmüller 2006