April 1945 - Die Todesmärsche nach Mittenwald

 

 

 

Was die Lokalpresse über die Todesmärsche im April 1945 weiß

 

1946 - Am Teich bei Krün

"Am 1. Mai wurden ca. 2000 KZ-Häftlinge, vor allem Juden, aus dem Lager Dachau durch die SS an einem Teich bei Krün zusammengetrie­ben. Die SS hatte diesen Zug menschlichen Elends noch nach Österreich schleppen wollen, wurde aber durch die vorrückenden amerika­nischen Truppen an diesem Vorhaben gehindert und beschloß dann eine vorzeitige "Liquidierung". Man hatte den Haufen verhun­gerter, zu Tode erschöpfter Menschen mit einem Kordon umgeben und ein Ma­schinengewehr in An­schlag gebracht, der Befehl zum Erschießen war bereits gegeben worden. Wie durch ein Wunder entgingen diese Men­schen der Vernichtung. Eine unbekannte Frau flehte den befehlführenden SS-Mann um Erbarmen, diese Unglücklichen am Leben zu las­sen. Der SS-Mann ließ sich auch erwei­chen und fuhr mit der Frau davon. Die KZler blieben am Leben..."

Hochland-Bote 18.06.1946

 

1965 - Biwak an der Isar

In Mittenwald waren noch am 28. April SS-Wachmannschaften mit etwa 1800 KZ-Insas­sen aus Dachau angekommen. Die Entkräfteten, die nur noch dahinwankten, mussten neben dem Isarbett biwakieren und Unterschlupf in Heustadln und Schuppen suchen, als ihre Bewacher verschwunden waren.“

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 29.04.1965

 

1975 - Aus der Chronik des Krankenhauses Mittenwald

„In dem KZ-Zug, der durch Mittenwald getrieben wurde, kamen auf Karren viele Juden in erbärmlichem Zustand mit und wollten sterben. Einer erzählte, er war aus Mühlhausen im Elsass. Er hatte, wie viele andere auch, nur ein Flugblatt aufgehoben und gelesen. Auf dem stand bereits die spätere Aufteilung Deutschlands, wie sie nach dem Krieg tatsäch­lich erfolgte. Der Elendszug aus dem KZ mit seinen „elenden, verkommenen Gestalten“, wie es in der jetzt aufgefundenen Chronik des Krankenhauses Mittenwald heißt, schleppte sich auf dem Weg Richtung Scharnitz, doch wurden sie dort zurückgewiesen, und viele standen noch in der Nähe der Landesgrenze. Das Krankenhaus war hoffnungslos überfüllt, die Elendsgestalten belegten alle Nischen und Winkel, unterernährt, zum Teil schon völlig hilflos, lagen sie in Betten und auf Stroh. Zum Teil wurden sie dann noch Wochen lang gepflegt, ehe sie in die Kaserne weiter befördert wurden.“

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 25.04.1975

 

1975 - Von Mittenwald ins Standortlazarett Garmisch-Partenkirchen

„In Mittenwald hatte sich inzwischen das Drama mit dem Zug der KZ-Häftlinge aus Da­chau vollendet, die in langen Reihen von der SS bis hierher durch Werdenfels getrieben worden waren. Der Gauleiter von Tirol, Hofer, verweigerte bei Scharnitz den Weiter­marsch. In den langen Märschen geschwächt, mussten die zu Tode erschöpften im Freien in der Kälte zwischen Mittenwald und Scharnitz neben der Isar biwakieren. Die Bewacher setz­ten sich ab, die KZler suchten Unterschlupf überall, wurden zum Teil in den geräumten Kasernen untergebracht und bevölkerten das Krankenhaus. Einige konnten noch nach Garmisch-Partenkirchen ins dortige Lazarett gebracht und behandelt werden, sie starben aber alle.“

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 28.04.1975

 

1975 - „So starben sie an der Straße…“ (Bildunterschrift)

"Das ist einer jener KZ-Insassen, die zu Kriegsende noch von der SS, vor den Amerika­nern her, durch Aufnahme von Peter Zanantonio im April 1945 an der Straße nach Mittenwald/ScharnitzWerdenfels bis Scharnitz getrieben wurden. Viele von ihnen starben am Wegesrand, wie dieser Unbekannte. Peter Zannantonio, der das Bild aufnahm, berichtet dazu: „Wir überholten den KZ-Zug, mußten aber später bei Scharnitz umkehren, und auf dem Rückweg sahen wir bei Klais diesen Mann am Straßenrand liegen. Ein SS-Mann stieß ihn mit dem Fuß „Ruski aufstehn", aber er rührte sich nicht mehr. Wir baten den Bewa­cher, doch von dem Mann abzulassen und legten einen Wecken Brot neben ihn. Bei Krün hatte der KZ-Zug Rast gemacht, man hörte weithin, wie die Bewacher mit Prügeln auf die elenden Männer in ihren Sträflings-Anzügen und Holz­pantoffeln einschlugen…" — Ein gutes Dutzend der erschöpften Männer wurde dann noch auf Wagen und Karren zurück­gebracht ins Standort-Lazarett nach Garmisch-Partenkirchen. „Sie sind dort alle noch intensiv behandelt worden, manche sogar unter Sauerstoff-Maske, aber keiner hat über­lebt, sie waren schon viel zu schwach. Die Toten kamen in die Leichenkammer zu den gestor­benen Verwundeten, die Leichen häuften sich, wir hatten keine Särge mehr", be­richtet ein Mitarbeiter aus dem Lazarett." (Repro: Beckert/Kölbl)

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 28.04.1975

 

1975 - Ein Bürger aus Gerold

„Ein Bürger aus Gerold, der – wie die meisten unserer Augenzeugen – nicht genannt sein wollte … Es waren da auch etwa 200 KZ-Häftlinge, die zuerst da blieben, dann aber doch nach Mittenwald weiter mussten. Dort muss, so habe ich gehört, eine Frau erbettelt haben, dass sie nicht erschossen werden, ein MG dazu soll schon aufgestellt gewesen sein.

Mindestens 20 von den KZlern hatten sich hier bei der Wildfütterung in ihrem Hunger auf die Rosskastanien gestürzt und sind daran noch gestorben. Einige von ihnen kamen zu­rück, als der Amerikaner schon da war, haben sich mit ihm getroffen und sind dann so­fort in die Häuser und haben geplündert. Es gingen uns dann allerlei Kleiderstücke ab, aber sie wurden nicht ausfällig. Ich weiß auch nicht, waren es deutsche oder polnische Juden. Sie waren auch viel zu schwach, etwas zu unternehmen und wurden dann von den Amerikanern gehindert, weiter zu plündern.“

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 30.04.1975

 

1975 - Hermann Fink

"Bis an mein Lebensende werde ich den Leidenszug von KZ-Insassen nicht vergessen können, die aus Richtung Grainau kom­mend an der Zugspitzgarage vorbeizogen oder besser gesagt, sich vorbeischleppten; verlumpt, ausgemergelt, kaum sich auf den Beinen halten könnend, bewacht von SS-Schergen und einer Meute von Wolfshunden. So weit hatte es dieses Barbarentum ge­bracht, nur der Abschaum der Menschheit konnte das ersinnen und sich zu seinem Voll­zug bereit finden. Vergesse, wer es kann, solche Bilder, ich kann es nie und nimmer.“

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 20.05.1975

 

1985 - „KZler suchten Unterschlupf“

„In Mittenwald hatte sich inzwischen das Drama mit dem Zug der KZ-Häftlinge aus Da­chau vollendet, die in langen Reihen von der SS bis hierher durch Werdenfels getrieben worden waren. Der Gauleiter von Tirol, Hofer, verweigerte bei Scharnitz den Weiter­marsch.

In den langen Märschen geschwächt, mussten die zu Tode erschöpften im Freien in der Kälte zwischen Mittenwald und Scharnitz neben der Isar biwakieren. Die Bewacher setz­ten sich ab, die KZler suchten Unterschlupf überall, wurden zum Teil in den geräumten Kasernen untergebracht und bevölkerten das Krankenhaus. Einige konnten noch nach Garmisch-Partenkirchen ins dortige Lazarett gebracht und behandelt werden.“

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 27.04.1985

 

1995 - Dr. Thesa König (Nervenärztin in Garmisch-Partenkirchen, im April 1945 bei Familie Miller in Klais) erzählte:

„Danach kamen ganze Scharen elend aussehender KZ-Häftlinge aus Richtung Mittenwald zurück. Es waren einige hundert Leute, die am Tag voran noch von SS-Männern in Rich­tung Seefeld getrieben worden waren; dort liefen die SSler davon und die Häftlinge kehrten um. Drei von ihnen kamen auch zum Haus von Miller in Klais und erzählten von ihren Leiden.“

Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 23.02.1995

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006