1933 - Der Beginn der nationalsozialistischen Diktatur in Garmisch-Partenkirchen

 

 

 

Die Gleichschaltung des Gemeinderats Garmisch

Quellen

 

Die Vorgänge wiederholten sich in der Gemeinde Garmisch. Das Gleichschaltungsgesetz hatte zur Folge, dass Ende April 1933 der alte Gemeinderat entlassen und ein von der NSDAP eingesetzter Gemeinderat zusammentrat: Er bestand aus 9 Sitzen für die NSDAP, 2 für die DNVP/KBSWR, 3 für die BVP und 1 Sitz für die SPD. Der Kaufmann Josef Thomma von der NSDAP wurde mit 15 Stimmen zum 1. Bürgermeister gewählt, eine Stimme war ungültig: 2. Bürgermeister wurde der Kaufmann Hans Hartmann, ebenfalls NSDAP, er erhielt bei der Wahl des 2. Bürgermeisters 9 Stimmen, sein Konkurrent Josef Dillis (NSDAP) 7 Stimmen.

 

Gemeinderat und Altbürgermeister Kaspar Ostler legt sein Mandat nieder

Kaspar Ostler, Mitglied der BVP, hatte seit Juni 1919 im Gemeinderat Garmisch Sitz und Stimme. Seither übte er auch das Amt des 2. Bürgermeisters aus. Nach dem Tod des 1. Bürgermeisters Michael Klarwein im Jahre 1929 wurde Ostler zu dessen Nachfolger gewählt.

Gemeinderat und Altbürgermeister Ostler wollte angesichts der politischen Verhältnisse sein Gemeinderatsmandat im Mai 1933 niederlegen, der gleichgeschaltete Gemeinderat lehnte dies jedoch zunächst mit 9:5 Stimmen ab. Ostler nannte die Gründe für seinen Rücktritt in einem Gespräch mit Bezirksamtmann von Merz: Er sei bewusst bei der Vergabe von Ausschusssitzen und Referentenfunktionen übergangen worden. Bürgermeister Thomma wies diese Vorwürfe zurück.

Im Juni 1933 stellten nach Kaspar Ostler auch seine beiden Fraktionskollegen Karl Hartenstein und Johann Ostler den Antrag, von der Teilnahme an den Sitzungen entbunden zu werden. Am 8. Juli traten sie dann endgültig aus dem Gemeinderat aus.

 

Kaspar Ostler (1880-1958)seit 1919 2. Bürgermeister des Marktes Garmisch und von 1929 bis 1933 1. Bürgermeister

Rathaus des Marktes Garmisch am Marienplatz von 1930 bis 1935, dann als "Haus der Nationalsozialisten" Sitz der NSDAP-Kreisleitung

Josef Thomma, NS-Bür-germeister des Marktes Garmisch vom April 1933 bis zum 1. Januar 1935, dann 2. Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen

 

Gemeinderat Josef Reiser muss sein Mandat niederlegen

In einer der ersten Sitzungen des gleichgeschalteten Gemeinderats im Mai 1933 wollte Josef Reiser (SPD) wissen, warum er keinen Ausschusssitz erhalten habe. Bürgermeister Thomma gab zur Antwort: „Wegen der Haltung der sozialdemokratischen Partei in den letzten Jahren." Diese offene und zynische Missachtung der Rechte eines Gemeinderates ließ Reiser nicht auf sich sitzen.

Im Juni 1933 fragte er den Bürgermeister in einem Dringlichkeitsantrag – unterzeichnet mit dem Zusatz „Gemeinderatsmitglied von 440 Wählern - „ob Sie mich in Zukunft als sozialdemokratischen Gemeinderat gedulden oder nicht." Die Folge dieses Antrages war die einstimmige Ablehnung der weiteren Mitarbeit Reisers im Gemeinderat Garmisch, auch ein Ersatzmann wurde abgelehnt.

Eine Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 17. Juni 1933 lieferte schließlich die Begründung für den endgültigen Ausschluss von Josef Reiser aus dem Gemeinderat Garmisch. Dort hieß es über die SPD: „In den nationalen Kreisen der Bevölkerung löst es außerordentliche Erbitterung aus, dass sich Angehörige einer solchen Partei noch in den Vertretungen von Gemeinden befinden und damit über das Wohl und Wehe von Teilen des deutschen Volkes mitbestimmen." Die sozialdemokratischen Mitglieder der Gemeinderäte, Bezirkstage und Kreistage, seien, soweit sie nicht selbst ihr Amt niederlegten, „zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit sowie zu ihrem eigenen persönlichen Schutz bis auf weiteres von den Sitzungen fernzuhalten". Das war die Drohung mit Schutzhaft und Schlimmerem.

Zwei Tage später erhielt Josef Reiser von Bürgermeister Thomma die Mitteilung, dass er „mit Rücksichtnahme auf vorstehende Ministerentschließung" zur Teilnahme an den Sitzungen des Gemeinderats Garmisch nicht mehr zugelassen werde.

Damit sind die Mitglieder der demokratischen Fraktionen des Gemeinderats Garmisch (Kaspar Ostler, Johann Ostler und Karl Hartenstein für die BVP und Josef Reiser für die SPD) innerhalb kurzer Zeit mit weniger oder mehr Zwang aus der Gemeindevertretung hinausgedrängt worden. Die Wahlvorschläge der inzwischen verbotenen Parteien (SPD) und der Parteien, die sich selbst aufgelöst hatten (BVP, DNVP) wurden für ungültig erklärt, so dass keine Ersatzleute nachrücken konnten. Die beiden Vertreter der DNVP, der Arzt Dr. Karl Friedrich und der Hotelier Anton Seiwald waren der NSDAP-Fraktion als „Hospitanten" beigetreten. Die Zahl der Gemeinderatsmitglieder wurde von 16 auf 12 verringert, die NSDAP beherrschte damit das Gremium vollständig.

Dr. Fux vom Bezirksamt Garmisch kommentierte den gesamten Vorgang am 8. Juli 1933 in einem Schreiben an Bürgermeister Thomma mit der kalten Feststellung, „infolge der Entwicklung der politischen Verhältnisse in der letzten Zeit haben vielfach die Mitglieder der BVP und der SPD in den Gemeindräten ihre Sitze niedergelegt. Die Bestellung hat zu erfolgen durch das Bezirksamt im Einvernehmen mit dem Kreisleiter der NSDAP." Die Verachtung für das freie Mandat des Gemeinderats konnte nicht schärfer formuliert werden.

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006