Garmisch-Partenkirchen 1945-1949 - Die ersten Jahre nach Diktatur und Krieg

 

 

 

 

Entnazifizierung - Selbstreinigung oder Selbstbetrug?

Johann Hausböck war NSDAP-Mitglied von 1931 bis 1945 und SS-Mitglied seit 1934. Von1937 bis 1939 war Hausböck NS-Kreisleiter in Garmisch-Partenkirchen.

www.gapgeschichte.de/ns_zeit_kreisleiter_3_hausboeck/ns_kreisleiter_hausboeck_1_karteischreiber.htm

 

4.3.1950

Verfahren gegen Johann Hausböck - Hauptkammer Weilheim - Außenstelle Garmisch-Partenkirchen

Aus dem Spruch der Außenstelle Garmisch-Partenkirchen:

„Wer bemüht ist, ein von den Eltern ererbtes, durch eigene Arbeit in mehreren Jahrzehnten weiterentwickeltes Unternehmen zu erhalten und sich deshalb formell unter ein Tyrannenjoch beugt und einer politischen Partei beitritt, der er innerlich fremd gegenübersteht, macht damit nicht den Versuch, persönliche oder wirtschaftliche Vorteile in eigensüchtiger Weise für sich herauszuschlagen ... blieb sehr vielen Betriebsinhabern gar nichts anderes übrig, als durch formalen Parteibeitritt sich zu tarnen.... Beim Totalitätsanspruch, der Gesinnungsschnüffelei und Brutalität der Partei gegenüber Gegnern blieb diesen, wenn sie ihr Eigentum und ihre Person retten wollten, vielfach nichts übrig, als der Partei beizutreten.... eine ganz unpolitische, rein berufserzieherische Arbeit... Bild des nominellen Mitläufers. Er hat weder innerhalb noch außerhalb der Kaserne oder an der Front die nationalsozialistische Gewaltherrschaft  gefördert. Er ist kein Schandfleck für das ehrenhafte Waffenhandwerk geworden... Er hat also in dieser Tätigkeit funktioniert nur in diesem Sinne und mit dem Erfolge, um der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft offen oder insgeheim Widerstand zu leisten... ... dass 1932 der Betroffene, der sich bis dahin so gut wie gar nicht um politische Dinge gekümmert hat, zwar völlig freiwillig, aber infolge Überredung durch Bekannte und im Moment einer für ihn ungünstigen geschäftlichen Lage, also teilweise aus wirtschaftlichen Motiven der NSDAP beitrat... Es ist wahrscheinlich, dass zu der Zeit beim Betroffenen, der sich sehr wenig um Politik kümmerte und dessen Interesse durch seinen seine Zeit voll ausfüllenden ärztlichen Beruf in Anspruch genommen waren, doch eine gewisse Sympathie für den Nationalsozialismus ... bestand.

... bei Kriegsbeginn erfolgte dann die Schließung des Sturmbüro und Einstellung jeglichen SS-Dienstes mit Ausnahme der geringen unpolitischen und einflusslosen Hinterbliebenenbetreuung. Der Betroffene hatte wegen der schon im Frieden geringen, im Kriege nur noch verschwindend kleinen Anzahl der SS-Angehörigen auch nur ein sehr beschränktes Tätigkeitsfeld und wegen der Geringschätzung und Verächtlichmachung der SS im Landkreis Garmisch-Partenkirchen durch die Kreisleitung und die örtlichen Parteiorganisationen eine völlige politische Einflusslosigkeit innerhalb des kleinen, über das ganze Kreisgebiet verstreuten Sturmes, der sich nie an irgendwelchen Ausschreitungen beteiligt hat. auch wusste ich nicht, dass unsere Führer Schufte waren, die nicht das verantworten konnten, was sie anrichteten.

An Belastungsmate­rial lagen der Vorinstanz einige Briefe und Er­klärungen von damals ins Ausland geflüchteter Juden, auch sind ei­nige Mischlinge als Belastungszeugen aufgetreten. Bei den meisten handelt es sich um Verwandte, die keine Erlebniszeugen sind ... Es ist ja ganz klar, dass die im Ausland sich befindenden Juden keine guten Erinnerungen an Deutschland haben, dass sie hasserfüllt und dadurch voreingenom­men sind, wenn sie auch glauben, subjektiv gesehen, die Wahrheit zu sagen. Die Erinnerung hat stark gelitten, die Aufregung war eine furchtbare, und die Zeugen stellen die Vor­gänge ohne böse Ab­sicht nur ungünstig dar.

Spruch der Berufungskammer München, 8. Senat 04.03.1950 / Az 1711/3024/48 / Ber.Reg.Nr. 135/50

 

19.03.1949

Fünf Jahre Arbeitslager für „Kreisleiter“ Hausböck

"Der ehemalige Kreisleiter vor Garmisch-Partenkirchen, der 39jährigee Elektromonteur Johann Hausböck, wurde am Freitag von der Spruchkammer München-Stadt, Außenstelle Garmisch-Partenkirchen, nach neunstündiger Verhandlung in die Gruppe der Hauptschuldigen eingestuft und für fünf Jahre in ein Arbeitslager verwiesen. Dem Betroffenen wird seine bisher verbüßte 3 1/2jährige Inhaftierung angerechnet, sein Vermögen bis auf 3000 DM eingezo­gen. Ferner unterliegt er laufenden Sonderabgaben, sowie dem Verbot, die nächsten zehn Jahre einen freien Beruf auszuüben bzw. eine verantwortungsvolle Stellung zu bekleiden. Hausböck wurde neben seiner formellen Belastung vorgeworfen, ein Musterbeispiel jener moralisch bodenlosen und zugleich politisch fanatischen Existenzen zu sein, die die Gewaltherrschaft des NS-Regimes gestützt und durch ihre Bereitschaft zum Terror jeglicher Art - von der Drohung mit dem KZ bis zur offenen Bedrohung mit dem Revolver - jenen lähmenden Schrecken verbreiten half, der keinen geschlossenen Widerstand aufkommen ließ. Er sei, wie der öffentliche Kläger in seinem Schlussplädoyer betonte, ein Exponent des Nazi-Regimes gewesen, der vor allem durch seine Aktivität bei den Ausschreitungen gegen die Juden im Jahre 1938 den europäischen Kurort Garmisch-Partenkirchen in einen schlechten Ruf gebracht hätte. Er sei vom Gauleiter Wagner protegiert und bereits im Alter von 27 Jahren auf den Posten eines Kreisleiters berufen worden.

Die Aussagen zahlreicher Belastungszeugen schilderten übereinstimmend die Ausschreitungen bei der Judenverfolgung, die auch nicht vor alten und gebrechlichen jüdischen Bürgern haltmachte. Die ca. 40 in der Gemeinde lebenden Juden waren auf dem Wege zur Kreisleitung ärgsten Beschimpfungen ausgesetzt. Auf der Kreisleitung selbst mussten sie vor dem mit einer Pistole „spielenden“ Kreisleiter die Erklärung unterschreiben, ihren Wohnsitz innerhalb 24 Stunden zu verlassen, andernfalls sie in das KZ Dachau kommen würden. Infolge dieser Vorkommnisse wurden vier Juden in der Folgezeit zum Freitod gezwungen. - Wie der ehemalige Landrat Dr. Wiesend in diesem Zu­sammenhang in seiner Eigenschaft als einstiger Leiter des Aufsichtsrats der Kreissparkasse er­klärte, stände der Freitod des Sparkassendirek­tors Wechseldorfer in keinem Zusammen­hang mit dem Betroffenen. Die Verteidigung machte geltend, dass der Betroffene lediglich Befehlsausführer gewesen sei. Er habe keine einzige Person in das KZ gebracht, was zu seinen Gunsten spreche. Darüber hinaus habe er den Juden die Möglichkeit offengelassen, mit ihrer beweglichen Habe ins Ausland zu geben. Bei einer KZ-Einweisung dagegen, die in seiner Macht gestanden hat, hätten jetzt Belastungs­zeugen kaum noch ihre Aussage machen kön­nen. Das Fehlen von Entlastungszeugen bei seinem Mandanten sei lediglich auf den Mangel an Mut zurückzuführen, in gegenwärtiger Zeit einen Kreisleiter öffentlich zu entlasten - In seinem Schlusswort dankte der Betroffene für den korrekten Verhandlungslauf.- ler"

Hochland-Bote 28.09.1949

 

   

 

Bericht des Garmisch-Partenkirchner Tagblatts vom 19. März 1949 über das Spruchkammerurteil für den ehemaligen NS-Kreisleiter Johann Hausböck

 

 

 

 

 

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