Burgrain - der "dritte Ortsteil" von Garmisch-Partenkirchen  - 1962-1964

 

 

 

Von der Grundsteinlegung der katholischen St. Michaels-Kirche

bis zur Errichtung des Kindergartens

 

1962

Im März dieses Jahres ist es endlich so weit: Im Rahmen einer festlichen Messfeier wird der erste Spatenstich für das neue Gotteshaus St. Michael getan.

Wohl um zu dokumentieren, daß man auf dem Weg ist von der Siedlergemeinde zur Pfarrgemeinde, findet im Juni 1962 die erste Fronleichnamsprozession in der Burgrainsiedlung statt. Kurat Georg Mangold spricht am Feldaltar vor dem al­ten Notkirchlein über den tieferen Sinn einer derartigen öffentlichen „Zurschau­stellung“ des Allerheiligsten. Noch gibt es in Burgrain keinen prunkvollen Tragehimmel für die Monstranz. Dafür werden die Altäre um so liebevoller geschmückt. Als einzige Vereinsfahne zieht die des Ver­bandes der Heimkehrer im stattlichen Kir­chenzug mit. Die Fahne ist von 24 Sied­lern aus der VdH-Siedlung zum Zeichen der Dankbarkeit für die Errichtung der Heimkehrersiedlung in den Jahren 1956 und 1957 gestiftet worden.

Nur wenige Monate nach dem ersten Spatenstich wird, im Juli 1962, von Weih­bischof Dr. Johannes Neuhäusler der Grundstein für die neue St.-Michaels-Kirche gelegt. Schon im Jahre 1959 wurde die katholische Filialkirchenstif­tung St. Michael errichtet. Die 1961 vom Erzbischöflichen Ordinariat München-Freising ernannte Kirchenverwaltung mit Karl Volkmer als Kirchenpfleger und den Mitgliedern Kaspar Sing, Josef Müller und Anton Murböck nimmt sich dann des Neubaus einer Siedlungskirche in Bur­grain mit besonderem Eifer an. Die Ur­kunde, die in einer Kupferhülle in den Grundstein eingemauert und deren Text von Kurat Georg Mangold verlesen wird, beginnt mit den folgenden Worten:

„Im Jahre des Heils 1962, am 15. Juli, dem 5. Sonntag nach Pfingsten, wurde der Grundstein für die Kirche St. Michael in Burgrain vom Hoch würdigsten Herrn Weihbischof Dr. Johannes Neuhäuslerge­weiht und gesetzt. Die Kirche, die dem HI. Erzengel Michael geweiht wird, soll für die zwei- bis dreitausend Katholiken der in den letzten Jahren rasch wach­senden Siedlung Burgrain Pfarrkirche werden “.

Zur gleichen Zeit wird unter dem Vorsitz von Johann Hösl ein Kirchenbauverein gegründet, dessen Aufgabe es sein wird, die gesamte Ausschmückung des neuen Gotteshauses, also etwa den Tabernakel, die Orgel und die Beichtstühle, durch Spendensammlungen zu finanzieren.

 

1963

Im Januar feiert der seit 1940 in Burgrain ansässige Kunstmaler August Maninger seinen 60. Geburtstag.

Beim SC Burgrain freut man sich im Mai über weitere Tischtennistriumphe: Bei den bayerischen Jugendmeisterschaften in Erlangen erringt Peter Rademacher auf Anhieb den Titel eines bayerischen Ju­gendmeisters. Zudem gelingt es den Burg­rainern, die oberbayerische Mannschafts­meisterschaft für sich zu entscheiden. Stolz darf man sein auf den Erfolg der Ju­gendmannschaft, „denn er beweist, daß man in Burgrain mit der Nachwuchsar­beit auf dem richtigen Weg ist“.

 Inzwischen geht die neue Michaelskirche in Burgrain ihrer Vollendung entgegen. Der Pfarrhof der Kuratie wird bezugsfer­tig, auch die Aufrichtung des 23 Meter hohen Glockenturms mit Hilfe eines Speziallasters wird bewältigt — ein festli­ches Schauspiel vor allem für die Burgrainer Kinder, die aus diesem Anlass schulfrei bekommen haben. Das gold-glänzende Kreuz auf der Spitze des Tur­mes „ragt nun in 43 Metern Höhe und die Turmnadel ist das neue Wahrzeichen der Burgrainsiedlung, schon von weither sichtbar über dem 16 Meter hohen Dach­first des Kirchenschiffes“.

 Ende Juni 1963 weiht Prälat Defregger das neue Geläut der St. Michaels-Kir­che. Kurat Mangold und Dekan Lorenzer segnen in feierlicher Zeremonie jede ein­zelne der vier Glocken und „zum Schluss der Feier ertönt laut über Burgrain der Ju­belsang und der Klang des Bläserchors über die Siedlung, die nun — dank der Spender — ein herrliches Geläut ihr eigen nennen kann“. Zusammen wiegen die vier Glocken mehr als 2000 Kilo, „St. Hein­rich“ 880 kg im Ton f, „Unsere liebe Frau“ 850 kg in Ton g, „St. Josef“ 350 kg in Ton b und „St. Michael“ 200 kg in Ton d.

 Am zweiten Sonntag im September 1963 vollzieht dann Erzbischof Julius Kardinal Döpfner die Weihe von Burgrains neuer Kirche. Dabei verschließt er im Altar die von ihm aus Rom mitgebrachten Reliquien des HI. Irenäus und der HI. Theophila. Der Kardinal ermahnt die Ge­meinde, „die neue Kirche zu einem ech­ten Mittelpunkt im Leben der Siedlung werden zu lassen und den Geist der Ein­kehr und Läuterung lebendig zu erhal­ten“. Bergfeuer und ein Flammenkreuz grüßen am Vorabend der feierlichen Konsekration vom Schlosswald herüber. Der Chronist des Garmisch-Partenkirch­ner Tagblatts beschreibt die neue Kirche und ihre Bedeutung für Burgrain: „Der wachsenden Siedlung entsprechen auch Ausmaß und Gestaltung der neuen Kirche mit ihrem Gestühl für 350 Andäch­tige. Betont schlicht gehalten ist das Got­teshaus mit der hohen Zeltform seines Daches und dem kupferbeschlagenen Dachreiterturm... Zum Rasen des Kirch­platzes hin aber dominiert das Gottes­haus mit dem mächtigen Buntfenster von Glasmaler Hollman (München), das über dem Portal die Fassade beherrscht und mit seinem rhythmischen Wechsel von betonierten Rahmenformen und farbi­gen Gläsern vor allem bei Nacht faszi­niert, wenn die vierzehn Innenleuchten des Schiffes die Fenster glühen lassen.

 Das bronzebeschlagene Portal zeigt stark symbolisiert den Schutzpatron der Kir­che, St. Michael, gestaltet von dem hiesi­gen Bildhauer J. Leismüller jun. Vom gleichen Künstler sieht man hinter dem Glasfoyer des Eingangs auch das Tauf­becken, das als bekrönte Steinsäule ge­halten ist... Sein Tageslicht erhält das zeltartige Kirchenschiff fast nur durch seit­liche Fensterstreifen hinter dem Altar, die den Chorraum mit seinem auf einfachem Sockelquader ruhenden Hochaltar aus Kalkstein in ein unwirkliches Licht tau­chen... Noch fehlt die Figur des Gekreu­zigten über dem Hochaltar, sie wird eben­falls von Bildhauer Leismüller jun. ge­schaffen, von dem auch der vergoldete, mit einem Bergkristall geschmückte Ta­bernakel an der seitlichen Chorwand stammt...

Ein besonders eigenartiges Werk ist die Unterkirche, die man über eine Wendel­treppe vom Hauptschiff aus erreicht. Ihr Halbrund ist auf eine recht faszinierende Weise ganz aus Rohziegeln gemauert. Verdeckte Leuchten unter den Holzrip­pen der Decke geben rings ein ruhiges Licht, aus dessen Dämmern sich an der Wand gegenüber dem Altar überlebens­groß die Konturen eines Abendmahls lö­sen, das von den Oberammergauer Bildhauern Herman Schilcher sen. und jun. unmittelbar aus der Ziegelwand heraus­gemeißelt wurde... Im Pfarrhof selbst hat Architekt Fritz Strunz den Geist mo­derner Helligkeit und Zweckmäßigkeit regieren lassen.“

 Gegenüber der verhalten modernen Kir­che St. Michael entsteht im Spätherbst des Jahres 1963 mit einem Kostenauf­wand von ca. 220000.- DM durch die Marktgemeinde ein Verwaltungsge­bäude. Darin sollen ein Postamt, eine Fi­liale der Kreissparkasse und eine Neben­stelle des Fremdenmeldeamtes unterge­bracht werden. Den Plan, auch eine kleine Polizeistation für Burgrain hier ein­zuquartieren, lässt man wieder fallen. Er­gänzt wird das kleine Burgrainer Geschäfts­zentrum noch durch einen Lebensmittelmarkt, ein Schreibwarengeschäft, eine Apotheke und eine ärztliche Praxis.

 Im Oktober 1963 unternimmt die katholi­sche Pfarrjugend Burgrain in Zusam­menarbeit mit dem Kreisjugendring eine Fahrt nach München und zur KZ-Ge­denkstätte Dachau. Kurat Georg Mangold leitet die Fahrt der 42 Jugendlichen „als Beitrag zu einer echten Bewältigung der Vergangenheit“. 

Burgrains neue Caddiemeister wer­den am Ende des Golfjahres beim tradi­tionellen Turnier der „Taschenträger“ er­mittelt. 24 Buben und Mädchen, die mei­sten aus Burgrain, kämpfen um die be­gehrten Titel und Ehrenpreise. In der Mei­sterklasse der 13- bis 18-jährigen holt sich Peter Rödlingshöfer die Trophäe mit 87 Schlägen. Den Titel der Bubenklasse (8— 12 Jahre) erringt Peter Wasl (Sonnen­bichl). Bei den Mädchen gewinnt Beate Sadowski die Meisterschaft. Und als vor­bildlichster Caddie der vergangenen Sai­son wird Robert Huber aus Burgrain mit dem Präsidentenbecher des Golfclubs Garmisch-Partenkirchen ausgezeichnet.

  

1964

 Ein bedeutendes Kunstwerk wird im April 1964 fertiggestellt: Das Altarkreuz des Partenkirchner Bildhauers Johann Leis­müller jun. schmückt seither den Kirchen­raum von St. Michael. „Das in Höhe und Breite 3.80 Meter messende Kreuz aus zwei Pappelstämmen wurde über dem Altar freischwebend aufgehängt und be­herrscht mit seiner wuchtigen Form das Kirchenschiff, indem es das Auge des Be­suchers schon beim Eintreten auf sich zieht“. Leismüller verweist darauf, daß seinem Werk, das manche Diskussionen ausgelöst hat, „nicht der traditionelle Ge­danke der Schaustellung von Christus am Kreuz zugrunde liege“. Er habe vielmehr versucht, eine „Verkörperung für die Idee Christus — Kreuz — Auferstehung“ zu schaffen.

 Im Juli 1964 wird das neue „Verwaltungs­zentrum“ am Kirchweg fertiggestellt. Er­ster Mieter wird die Kreissparkasse Garmisch-Partenkirchen mit einer Zweig­stelle in Burgrain mit modernster Aus­stattung: Hier steht der erste Kassenschrank, der bei Gefahr durch Knopf­druck geschlossen werden kann. Landrat Stückl betont bei der kleinen Eröffnungs­feier, „daß von den Burgrainer Sparern ein großer Teil bereits seine Konten bei der Kreissparkasse habe“, deshalb sei es richtig gewesen, hier im aufstrebenden „dritten Ortsteil“ eine Filiale einzurichten. Leiter der neuen Zweigstelle wird Hans Gattinger.

 Nur wenige Tage später wird direkt neben der Sparkassen-Zweigstelle ein Postamt für Burgrain seiner Bestimmung überge­ben. Es ist ein Annahmepostamt und trägt die Bezeichnung „Garmisch-Parten­kirchen 4“. Postrat Knerer freut sich mit der Burgrainer Bevölkerung über diesen Service der Bundespost, denn bisher war man hier ja auf die weit entfernten Post­ämter in Garmisch oder Partenkirchen angewiesen.

 Eine dritte Eröffnungsfeier in diesem Jahr findet am 12. September in der Schlosswaldstraße statt: Das Cafe. Restaurant „Burghof“ öffnet seine Pforten. Die neue Burgrainer Gaststätte mit Pensions­betrieb bietet den Burgrainer Einwohnern, ihren Kurgästen und den Durchreisenden ein zusätzliches gastliches Angebot.

Ein lang gehegter Burgrainer Wunsch geht 1964 in Erfüllung: Ein sicherer Fußweg nach Garmisch erstreckt sich ent­lang der Bundesstraße. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich für die Marktgemeinde deshalb, weil sie eigent­lich nicht zuständig ist. Da es sich bei der B23 zwischen Golfhotel Sonnenbichl und der Burgrainsiedlung um eine Bundes­straße handelt, müsste die Straßenbaube­hörde Weilheim den Gehsteig bauen, die lehnt dies aber entschieden ab. So „bleibt der Gemeinde angesichts der Gefähr­dung der Fußgänger, die zwischen Ort und Siedlung pendeln müssen, nichts an­deres übrig, als selbst einen Fußweg zu bauen“. Im Juni 1964 nimmt die Marktge­meinde daher Verhandlungen mit den Grundstückseignern auf.

 Am zweiten Oktoberwochenende feiern die Burgrainer Siedler das fünfund­zwanzigjährige Bestehen der Sied­lung. Das Jubiläum trifft im rechten Au­genblick: Die 2036 Bewohner verfügen nun mit Kindergarten und Kirche, mit Spielplätzen und Einkaufszentrum über vieles von dem, das den eigenen und zu­gleich „dritten Ortsteil“ von Garmisch­-Partenkirchen abrundet. Bei der Jubel­feier geht es hoch her, im „überfüllten Saal der Gaststätte Burgrain“ spielt die Bürgerkapelle Garmisch und der Vorsit­zende der Siedlervereinigung Burgrain, Fritz Bölter, kann zahlreiche Ehrengäste willkommen heißen, die in ihren Reden den Burgrainer Siedlern das Gefühl ge­ben, nicht mehr nur eine „Randerschei­nung“ des großen Olympiaortes zu sein.

 2. Bürgermeister Philipp Schumpp über­mittelt den Dank der Gemeinde an die Siedler und würdigt die Entstehung der Siedlung „als ein Positivum, das noch aus einer anderen Zeit herüberrage. Das Wohnungsproblem sei eines der drin­gendsten am Ort. Der Weiterbau der Siedlung nach dem Krieg mit der Ge­meinnützigen Wohnungsbaugenossen­schaft sei ein kühnes Unterfangen gewe­sen“. Pfarrer Kohls verbindet die Glück­wünsche der evangelischen Kirchenge­meinde mit dem Gedanken, „der Mensch bedürfe nicht nur der äußeren, sondern auch der inneren ‚Behausung‘. Es komme auf den Geist an, der in den Mauern lebe, die von den Siedlern unter Schweißtrop­fen erbaut wurden als Sinnbild für den Wil­len, Elend und Wanderung zu vergessen und eine wohlbehütete Generation in ei­nem Vaterland des Friedens heranwachsen zu lassen“. Kurat Georg Mangold erinnert an „die Zusammenarbeit und Eintracht, die den lebendigen Geist dieser Gemeinschaft bilden sollen“. Kaspar Sing, Franz Mitten­huber, Karl Schöttl und Hugo Berkmann erhalten aus der Hand des Vorsitzenden das silberne Ehrenzeichen des Siedlerbundes.

 Mit einer stillen Kranzniederlegung bei der Gedenktafel im Kirchenfoyer von St. Mi­chael durch Vorstand Bölter und Stellver­treter Erhard von der Siedlervereinigung gedenken die Burgrainer ihrer Toten.

 Ebenfalls im Oktober feiert man in der Bur­grainsiedlung die Vollendung des neuen, großen Kindergartens. Ein „ge­glückter Bau für glückliche Kinder“ sei es geworden, ein Kindergarten, „wie man ihn sich schöner und moderner kaum wün­schen kann“. 120 Kinder kann er aufneh­men. Bauherr ist die Kirchenstiftung der Pfarrkuratie St. Michael-Burgrain, die Marktgemeinde hat erhebliche Zuschüsse gegeben. Weitab von Verkehr und Trubel des Ortes, „inmitten der freien Landschaft“, sei „hier ein wahres Paradies für die Jüng­sten der Burgrain-Siedlung entstanden, die es auch dankbar aufgenommen haben, daß sie jetzt von der Baracke des alten Kin­dergartens Abschied nehmen und in die prächtigen hellen Räume umsiedeln durf­ten. „In gestaffelter Bauweise reihen sich die freundlichen Bungalows aneinander, die sich mit ihren schräg nach Norden ab­fallenden Dächern und den großen Fen­sterfronten der Südsonne öffnen“. Zwei Schwestern und drei Kindergärtnerinnen kümmern sich um den jüngsten Burgrainer Nachwuchs. Die kirchliche Weihe wird durch Prälat Jandl aus München vorge­nommen. Die Gesamtkosten betragen 500000.- DM und trotz der Unterstützung durch die Gemeinde „macht er seinen Schöpfern einige Sorgen“. Um die Abzah­lung der Schulden bewältigen zu können, ist die Erhöhung der Benutzungsgebühr um 50 Prozent gegenüber den gemeindli­chen Sätzen nötig. Der Gemeinderat be­willigt einen Finanzierungszuschuss, „zu­mal der Kindergarten in eigener Regie die Gemeinde einen ähnlichen Betriebszuschuss kosten würde“. Gemeinderat Schrallhammer weist darauf hin, daß man auch bei den Sport- und Kongressbauten großzügig bewillige. Die Jugend als wert­vollstes Gut müsse wohl ebensoviel wert sein. Wenn man für die Kinder nichts tue, werde man auch keine Sportler mehr be­kommen. „Wir sind also alle ohne Aus­nahme für die Kinder“, stellt 2. Bürgermei­ster Philipp Schumpp am Ende der Bur­grainer Kindergartendebatte des Marktgemeinderates im Jahre 1964 befriedigt fest.

 

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 1989